Raffinerie
Mai 052009
 

…und noch`n Dreh’, em röchelt noch!

Die WRG will Ihre Abwasserfrachten um 60% erhöhen – BUND und LBU fordern dagegen Entlastung der Jade

(jm) Am 28.April fand im Gorch-Fock-Haus eine weitere Erörterung des beantragten Raffinerieausbaus (WUP) statt. Nach dem am 03. März abgehandelten Antrag nach Bundes-Immissionsschutzgesetz wurde das Projekt diesmal unter dem Aspekt des Nds. Wassergesetzes beleuchtet.


RaffinerieDazu hatten der ‚Bund für Umwelt und Naturschutz’ (BUND) und der ‚Landesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz‘ (LBU) bereits im Vorfeld gleichlautende Stellungnahmen abgegeben.
In Ihrer Vorbemerkung wiesen sie auf Basis eines von der Stadt Wilhelmshaven und dem Kreis Friesland in Auftrag gegebenen Gutachtens auf den Zustand des Jadebusens hin.
In der Gesamtbewertung kommen die Gutachter zu dem Ergebnis, dass der Zustand des Küstengewässers Jade hinsichtlich der integrativen Aspekte Landschaftsbild, Diversität und Einzigartigkeit sehr hoch zu bewerten sei.
Aber dann kommt die unmissverständliche Warnung (Auszug):
Die biologischen Funktionen können als noch günstig bewertet werden, die geographisch-physikalisch-chemischen Bedingungen aber müssen als kritisch belastet gelten. Wenn diese kritische Belastung nicht drastisch vermindert werden kann, dann müssen sich die biologischen Funktionen – verzögert – verschlechtern, und mit ihnen – verzögert – auch die integrativen Aspekte. (…)
Wenn die Belastungen weiter zunehmen, dann werden die Akkumulations- und Pufferfunktionen erschöpft. Bis zur Erschöpfung wird der Zustand des Systems immer besser sein als der seiner Bedingungen. Zum Zeitpunkt der Erschöpfung wird das System umkippen, was in diesem Fall bedeutet: Die Sauerstoffversorgung des Sediments reicht nicht mehr aus für die Mineralisierung der Eutrophierungsprodukte. Anstatt Schadstoffakkumulation wird es Schadstoffmobilisierung geben.
Darauf Bezug nehmend haben der BUND und der LBU folgendermaßen Stellung bezogen:
Die beantragte Erhöhung der Schadstofffrachten um durchweg mehr als 60% steht der o.a. Prämisse einer Minderung lokaler Schadstoffbelastungen zur Erhaltung der Funktionalität des Ökosytems Jade entgegen. Dieses Erhöhungsvorhaben ist nicht das einzige, welches ansteht: Es ist lediglich ein weiterer Summand der sich künftig erhöhenden Schadstoffbelastungen der Jade, z.B. durch

  • den Hafen- und Gewerbebetrieb des JadeWeserPort,
  • den Anstieg der Schiffsemissionen im Rahmen des sich verdoppelnden Schiffsaufkommens,
  • dem Zubau von Kohlekraftwerken.

Schon jetzt werden durch die Wasserbaumaßnahmen im Rahmen des Baus des JadeWeserPort

  • Verschwenkung des Jade-Fahrwassers
  • Ausbaggerung der Zufahrt
  • Sandabbau in der Jade
  • Aufspülung des Hafenkörpers mit Ausschwemmung leichter Kornfraktionen Verklappungen von ungeeignetem Bodenmaterial im Jadegrund abgelagerte Schadstoffe resuspendiert.

Diese gesteigerte Resuspensionstätigkeit von schadstoffbelasteten Sedimenten wird sich nach Abschluss der Bauarbeiten erfahrungsgemäß fortsetzen, bis sich nach Jahren ein den wasserbaulichen Eingriffen angepasstes relatives hydromorphologisches Gleichgewicht eingependelt hat.
Dem Erfordernis, die Belastungen lokaler Herkunft zu mindern, um die vor Jahren noch als günstig eingeschätzte Funktionalität des Gewässersystems Jade zu erhalten, wird in dem vorliegenden Antrag nicht Rechnung getragen.
Das sehen die von dem Antragsteller ‚ConocoPhillips’ angeheuerten Gutachter natürlich ganz anders:
Der Gewässerzustand der Jade sei stark von Altlasten geprägt, und das, was die WRG an zusätzlichen Abwasserfrachten beantragt habe, verdünne sich sehr schnell in einem Wasservolumen der Innenjade von ca. 700.000 m³. Zudem werde das Wasser nach 19 Tagen komplett mit der Nordsee ausgetauscht.
Die Einwender stellten dem entgegen, dass lt. Gutachten der ‚Bundesanstalt für Wasserbau’ (BAW) Sedimente aus der Nordsee in die Jade gelangten und sich dort ablagerten. Zugestehen mussten die Gutachter, dass es keine gesicherten Erkenntnisse über den Transport und Verbleib von Feststoffen und somit auch nicht über die sich daran anlagernden Schadstoffe gebe. Daher könne auch über den Transport und Verbleib von Schadstoffen aus der Raffinerie keine gutachterliche Aussage gemacht werden.
Für die Einwender bestand dagegen kein Zweifel, dass die schadstoffbelasteten Festkörper dort dauerhaft anlanden würden, wo die Strömung am geringsten sei. Dort würden sie sich mit der Zeit anhäufen und von der Nahrungskette aufgenommen werden. Als Ablagerungsflächen kämen dafür die insbesondere die hochgelegenen Wattengebiete im ökologisch wertvollsten Gebiet der Jade – dem Nds. Nationalpark Wattenmeer – in Frage.
Des ungeachtet versteiften sich die Gutachter darauf, dass das Ausmaß der schädlichen Wirkungen der von ConocoPhillips beantragten Erhöhung der Schadstofffrachten irrelevant für die Jade sei.
Die Einwender wiesen dagegen auf das Verschlechterungsverbot und die staatliche Verpflichtung hin, für einen guten Zustand der Gewässer zu sorgen. Stattdessen rangiere das Küstengewässer Jade lt. Wasserrahmen-Richtlinie (WRRL) schon heute formal auf der untersten – mit schlecht bezeichneten – Stufe der Wertskala. Damit sei nicht nur der Westteil der Innenjade mit seinem hafenindustriellen Besatz gemeint, sondern auch die Nationalparkteile Jadebusen und das Hohe-Weg-Watt.
Raffinerie_2Trotzdem gilt es nach Auffassung der beiden Verbände hier noch immer vieles zu bewahren:
Neben den für die gesamte Nahrungskette unersetzlichen Bausteinen des Lebens, angefangen beim Plankton und der Kieselalge über das Makrozoobenthos und die Fische zu den Endverbrauchern Meeressäuger, Vögel und Menschen, leben in der Innenjade – trotz ihres schlechten Zustandes – noch immer bedrohte Arten bzw. solche, die auf der ‚Roten Liste’ stehen: So wurden hier etwa 20 bedrohte Makrozoobenthosarten – darunter die Sandkoralle (Sabellaria Spinulosa) und die Wellhornschnecke (Buccinum undatum) festgestellt. Allein schon die Tatsache, dass sich die Anzahl dieser Individuen vermindert hat, sollte als Alarmzeichen verstanden werden.
Deshalb dürfe die Gesamtbelastung der Jade auf keinen Fall weiter steigen, sondern müsse, soweit irgend möglich, zurückgefahren werden. Dazu gäbe es mehrere Möglichkeiten, die sich allerdings nicht allein auf die Raffinerie beschränken dürften, z.B. die

  • an den Kais in Wilhelmshaven liegenden Schiffe mit elektrischem Strom von Land aus zu versorgen,
  • Abwasserfrachten aus der Wilhelmshavener Zentralkläranlage zu reduzieren, z.B. durch Denitrifizierung und Vermeidung von ungeklärten Overflows,
  • Altanlage zur Chlor-/Natronlaugeproduktion durch eine moderne Anlage mit quecksilberfreien Emissionen auf dem Luft- und Wasserpfade zu ersetzen.

Die Anzahl der Möglichkeiten lässt sich sicher noch erheblich erweitern.
Auch die WRG müsse dazu ihr Scherflein beitragen, indem sie ihre Schornsteinemissionen, die ja großteils in der Jade niedergehen, noch einmal auf Möglichkeiten der Reduzierung der Schadstofffrachten überprüft. Dies gälte z.B. für den Antrag auf Ausnahmegenehmigung für die Überschreitung des gesetzlichen Emissionsgrenzwertes von Stickoxiden (NOx) für zwei der geplanten Großfeuerungsanlagen. Durch eine Rauchgaswäsche mit Ammoniak – wie sie bei Kohlekraftwerken üblich ist – könne die NOx-Fracht, die zu einem großen Teil auf die Jade niedergeht, gesenkt werden. Ausbreitungsberechnungen aus anderen Emissionsquellen hätten ergeben, dass sie stellenweise in hohen Konzentrationen auf dem Hohe-Weg-Watt niedergehen.
Zu mehr als einem Appell reichen solche Vorlagen natürlich nicht. Denn auch hier türmen sich die bei allen Verfahren auftretenden Barrieren gegen eine ganzheitliche Betrachtung der Einflüsse menschlicher Tätigkeiten auf die Umwelt auf. Im konkreten Fall wird eine ganzheitliche Betrachtung allein schon durch das Aufsplitten in ein immissionsschutz- und wasserrechtliches Verfahren vermieden. Immerhin macht ein Hinweis des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) als Genehmigungsbehörde Hoffnung:
Man sei jetzt dabei, einen „Schadstoff- und Wärmelastplan“ für die Jade zu erarbeiten, um zusätzliche Einleitungen fachlich besser bewerten zu können. Und da die Abwassereinleiter nur eine Einleiterlaubnis erhielten, sei der NLWKN auch befugt, die Abwässerfrachten erforderlichenfalls zu reduzieren.
Das ist natürlich Zukunftsmusik und zieht außerdem keine Konsequenzen für die ganz erheblichen Schadstofffrachten, die auf dem Luftpfad in die Jade gelangen, nach sich.
Der NLWK wird der Erhöhung der WRG-Abwasserfrachten – wohl wie beantragt – die Einleiterlaubnis erteilen. Die Anforderungen der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (in der man sich zum Ziel gesetzt hat, bis 2015 den definierten „guten Zustand“ aller Gewässer zu erreichen) blieben damit allerdings auf der Strecke. Als Notausgang aus der Zwickmühle wird sich diese Behörde wohl die von den ConocoPhillips-Gutachtern gezogenen Schlussfolgerungen aus ihren Verdünnungs- und Wasseraustauschberechnungen zu Eigen machen. Kompensationen für die erhöhten Abwasserfrachten durch Beschneidung der Schadstofffrachten anderer Einleiter bzw. Emittenten sieht das Wassergesetz nicht vor.
Somit wird das Würgeisen, das die Anrainer der Jade mit ihren Schadstoffeinleitungen um den Hals gelegt haben, noch einen Dreh’ fester angezogen. Und ob der Patient Jade dann noch weiter röcheln kann, lässt sich ja später mittels des angekündigten Schadstoff- und Wärmelastplans begutachten.
In Anbetracht der düsteren Aussichten haben die Verbände ein permanentes Monitoringprogramm zwecks Beweissicherung gefordert, das alle Aspekte der hydromorphologischen und biologischen Veränderungen des Jaderegimes umfasst. Doch auch dabei wird wohl lediglich ein auf den eng begrenzten Raum einer schwimmenden kommerziellen Muschelkultur in der Nähe des WRG-Abwässerrohres Monitoring herauskommen.

Alternativprüfung gefordert
Über die laufenden Verfahren nach Bundes-Immissionsschutz- und Landes-Wassergesetz hinaus hat der Weltkonzern ConocoPhillips auch noch den Antrag auf zeitweilige Einrichtung eines Schiffsliegeplatzes an der Jade gestellt. Dieser soll für die Entladung von Konstruktionsteilen für die beantragte Raffinerieerweiterung dienen.
Alternativen dazu gäbe es nicht. Der Konzern hält es wegen der geringen Wassertiefe im Hooksieler Außenhafen nicht für möglich, die Anlagenteile dort seeseitig anzuliefern. Außerdem würde durch die Gewichte der zu entladenden Bausegmente die Belastungsgrenze der dortigen Kaianlagen überschritten.
Die beiden Begründungen dafür reichen sowohl dem BUND als auch dem LBU nicht aus. In Ihrer Stellungnahme wiesen sie darauf hin,
dass die derzeit verfügbare Wassertiefe das Ergebnis von vernachlässigten Unterhaltsbaggerungen sei und es ohne weiteres möglich sein dürfte, die Zufahrt sowie einen Liegeplatz im Hooksieler Außenhafen durch Baggerarbeiten für das Einlaufen und Anlegen von Bargen freizuhalten,
und dass die zulässigen Belastungsgrenzen der örtlichen Kaianlage dadurch eingehalten werden könnten, dass man die umzuschlagenden Konstruktionselemente in kleineren Segmenten anliefert und sie auf dem WRG-Betriebsgelände zusammensetzt.
Abschließend stellten die beiden Natur- und Umweltschutzverbände den Antrag, im Sinne des naturschutzrechtlichen Vermeidungsgebotes zu prüfen, ob die seeseitige Anlieferung der Bauteile des WRG-Ausbauvorhabens (über den Hooksieler Außenhafen) als Alternative zum gestellten Antrag technisch durchführbar sei. —
Unterdessen war zu erfahren, dass die Konstruktionsteile auf sog. Bargen seeseitig antransportiert werden sollen. Für die wäre allerdings die nur 35 Meter breite Molendurchfahrt zu eng. Ein WRG-Konfident erklärt dazu unter der Hand, dass man liebend gerne den Hooksieler Außenhafen nutzen würde, um sich den Aufwand und die Kosten für den Bau eines zeitweiligen Schiffsanlegers in der Jade zu ersparen. Die Dauerbelegung von Kaifläche und Schiffsliegeplatz in Hooksiel würde jedoch zu Lasten anderer Nutzer gehen. Außerdem würden die mit den sperrigen Konstruktionselementen beladenen Lastzüge nicht durch die enge Kurve zwischen Hafengebiet und Straße kommen. (jm)

 

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