Aus den Augen, aus dem …? Unsinn!
CO2-Abscheidung: Mit subventioniertem Volldampf in die ökologische Sackgasse
(iz) Leider kein Aprilscherz: Am 2.4. titelte die WZ mit der Nachricht, dass in Wilhelmshaven eine von bundesweit drei Pilotanlagen zur Abscheidung von CO2 aus Kohlekraftwerken entstehen soll. Der Klimakiller Nr. 1 wird dann einfach irgendwo in der Erde verbuddelt. CO2 weg, Klima gerettet – klingt doch super, oder?
Dieses so genannte CCS-Verfahren (Carbon Capture & Storage) ist in der Effizienz eigentlich nur noch durch das Perpetuum mobile zu toppen. Wer weiß, vielleicht entsteht sogar unterirdisch aus dem bösen CO2 wieder gute Kohle, die unsere Ur-Ur-…-Enkel wieder wohlgemut verbrennen können.
Aber mal von vorn: Das Bundeskabinett hat also einen Gesetzentwurf gebilligt, wonach in Deutschland drei CCS-Pilotprojekte anlaufen können. Aufmerksame LeserInnen stolpern da gleich über mehrere Aussagen.
„Pilotprojekt“ bedeutet, dass die Unternehmen, die an dieser Technologie interessiert sind, kräftige Investitionszuschüsse kassieren. In der Tat: EU-weit stehen 10 Milliarden Euro für die Förderung von CCS-Technologien zur Verfügung.
Es ist die Rede von drei Anlagen mit je 400 bis 450 Megawatt (MW). Bisher plante E.ON in Wilhelmshaven einen neuen Kohlemeiler von 500 MW Leistung, mit einer Energieeffizienz von über 50% (“50plus”). Wird die Pilotanlage also schon das 2. neue E.ON-Kraftwerk? Wir haben gleich bei E.ON nachgefragt, ob diese unsere Vermutung richtig ist, hier die Antwort:
E.ON hat das Ziel, die CCS-Technologie bis 2020 großtechnisch verfügbar zu machen. Zusammen mit industriellen Partnern plant und betreibt E.ON deshalb in ganz Europa Pilotanlagen zur Erforschung der CCS-Technologie. Eine Anlage nach dem Prinzip der CO2-Wäsche ist auch in Wilhelmshaven in Verbindung mit dem Bestandskraftwerk geplant. Diese Pilotanlage untersucht im Kraftwerk Wilhelmshaven ausschließlich die CO2-Abscheidung, nicht die Speicherung. Das Neubauprojekt Kraftwerk 50plus ist von der CCS-Pilotanlage unabhängig, es handelt sich hierbei um zwei voneinander getrennte Vorhaben.
Betreiber der Pilotanlagen und Nutznießer der Subventionen sind (wieder mal) die Energieriesen E.ON, RWE und Vattenfall. Die planen und bauen derzeit Kohlekraftwerke en gros, haben damit aber in Zeiten des Klimawandels ein großes Imageproblem. Das wollen sie lösen, indem sie Abgas in Abfall verwandeln, der sich handhaben und entsorgen lässt. Normalerweise ist derjenige, der an einem Produktionsprozess Geld verdient, auch dafür zuständig, die dabei anfallenden Reststoffe zu entsorgen. Nur bei den Energieerzeugern ist das irgendwie anders. Das war bisher schon bei der Kernenergie so – das Gros der Erkundung und Erforschung von Endlagern und der Atommülltransporte geht auf Staatskosten, sprich aus Steuermitteln. Und das aktuelle Beispiel Asse brachte an den Tag, dass dort keineswegs nur „harmloser“ Strahlenmüll aus Forschung und Medizin entsorgt wurde. Und nun sollen wir den Energiemultis auch noch die Entsorgung ihres Kohlestromabfalls mitfinanzieren, nachdem wir vorher schon kräftig für den gelieferten Strom bezahlt haben.
Diese „Forschungsprojekte“ sollen nun herausfinden, ob CCS „wirtschaftlich“ ist, sagt Bundesumweltminister Gabriel. Sollte den nicht eher interessieren, ob das Verfahren ökologisch sinnvoll ist? Für die Betreiber ist es bestimmt wirtschaftlich, solange sie dafür von außen Geld zugeschustert bekommen. Leider, leider drückt die CO2-Abscheidung – wie jede Filteranlage – erheblich auf die Energie-Effizienz eines Kraftwerks. Aus einem „50-Plus-Kraftwerk“ wird dann schnell wieder ein „50-minus-10-Kraftwerk“. Es muss also mehr Kohle verbrannt werden, um die angestrebte Energiemenge zu produzieren. Umgekehrt gehen dann statt unter 50% wieder bis zu 60% der Energie als ungenutzte Abwärme in die Luft bzw. hier in den Jadebusen. Prof. Frank Schilling, der an der Uni Potsdam die CO2-Endlagerung erforscht, geht von 8 bis 12 Prozent Wirkungsverlust aus: „Das bedeutet: Um die gleiche Menge Strom am Ende herauszubekommen, müssen CCS-Kraftwerke 20 Prozent mehr Kohle verfeuern.“ (taz 8.9.2008)
Und wo wird das Zeugs dann verbuddelt? Das Problem ist ja vom Atommüll hinreichend bekannt. Wo stehen die Lagerflächen zur Verfügung, welche Regionen erklären sich bereit, diese Altlast für alle – und nicht zuletzt für die Energiekonzerne – zu tragen? Während man in Gorleben noch an einer Endlagerung für die Ewigkeit basteln will, braut sich in der Asse schon zwei Jahrzehnte nach der Einlagerung eine Zeitbombe zusammen, die kaum noch rückholbar ist.
Auch bei CO2 kann niemand sicher vorhersagen, wie es mit dem Gestein im Untergrund reagiert. Wenn es langsam wieder entweicht, wird kaum mehr passieren, als dass es wieder dort ist, wo es nicht hin sollte: in der Atmosphäre. Das merkt dann nur keiner, Hauptsache, es wurde nicht in der Abluft des Kraftwerks gemessen, wo es entstand. Anders verhielte es sich bei einem plötzlichen geballten Austritt von CO2 aus dem Untergrund. Zwar wären die Auswirkungen nicht so weiträumig wie bei Unfällen mit radioaktivem Material, doch in unmittelbarer Umgebung wirkt konzentriertes CO2 schlichtweg giftig auf alle Lebewesen.
Die Kraftwerksbauer sind jetzt deshalb so fleißig am Werke, weil sie bis 2012 noch die CO2-Zertifikate vom Staat geschenkt kriegen. Danach müssen sie sie kaufen. (Und können damit handeln.) Je höher der CO2-Ausstoß, desto teurer die Zertifikate. Klar, dass sie den teuren Schadstoff jetzt vom Schornstein weghaben wollen.
Als CO2-Endlager könnten z. B. alte Erdgaslagerstätten herhalten. Dort könnten in Deutschland maximal 1,2 Milliarden Tonnen gelagert werden. Da durch die Stromerzeugung rund 400 Millionen Tonnen Kohlendioxid pro Jahr entstehen, wären die Kapazitäten schon nach etwa drei Jahren erschöpft. „Diskutiert wird auch das Einpressen in Salzwasser führende Gesteinsschichten. Die Wasserschichten könnten dann aber nicht mehr zur Energieerzeugung aus Erdwärme genutzt werden. Das Bundesumweltministerium geht davon aus, dass bis 2020 rund 7 Prozent der in Deutschland benötigten Wärme aus Geothermie gewonnen werden könnte. Dieses Potenzial darf nicht durch die CO2-Lagerung zerstört werden“, kritisiert der BUND-Bundesverband.
Eine überraschende Neuigkeit war der CCS-Pilot-Bericht in der Tageszeitung tatsächlich nicht. Bereits in Ausgabe 2/2008 der Kundenzeitschrift „neben.an“ berichtet E.ON, dass in Wilhelmshaven eine der CCS-Anlagen errichtet wird. Interessant, dass der Konzern das bereits wusste, ehe das Bundeskabinett überhaupt den entsprechenden Gesetzentwurf auf den Weg brachte.
Ursache und Wirkung: Die Energiekonzerne sollen der EU wie auch der Bundesregierung ordentlich Druck gemacht haben, die entsprechenden Rechtsgrundlagen zu schaffen.
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