Müllverbrennung
Apr 161990
 

Bürger wehren sich

Die Demonstration gegen Müllverbrennung setzte neue Maßstäbe für Wilhelmshaven

Ein ca. 500 Meter langer Lindwurm, aus dem zahlreiche mit Spruchbändern und Pappschildern versehene Stangen herausragten, wand sich am 21. April durch die Hauptverkehrsstraßen der Innenstadt.

Der Körper dieses Lindwurms setzte sich aus rund 1.100 Bürgerinnen und Bürgern zwischen 8 und 80 zusammen, die auf diese Weise ihrem Protest gegen die drohende Müllverbrennungsanlage im Norden der Stadt Ausdruck verliehen. Die Friesländer waren gar mit Sonderbussen angereist.Ein kleiner Junge reckte ein an einem Besenstiel befestigtes Pappschild in die Höhe, auf das er geschrieben hatte, was ihm die Großen mit ihrer Verschwendungs- und Zerstörungswut zu verbauen drohen: „Ich will auch 80 jahre alt werden!“
Am Endpunkt des Demonstrationszuges, an der Kreuzung Grenz-/Börsenstraße, fand dann eine Abschlußkundgebung statt, auf der Sprecherinnen der „Tu was“-Gruppe, der Aktionsgemeinschaft gegen Müllverbrennung (AGM), des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), oft vom Beifall unterbrochen, ihre ablehnende Haltung gegen die von der Bezirksregierung Weser-Ems geplante MVA bekundeten und der Stadt Wilhelmshaven schwere Versäumnisse in der kommunalen Abfallwirtschaft vorwarfen.müll_stopp
Manfred Klöpper, Kreisvorsitzender des DGB, verurteilte in aller Schärfe die von Ministerpräsident Albrecht unlängst auf einer Wahlkampfveranstaltung in Wilhelmshaven aufgestellte Forderung, die Stadt müsse eine MVA zulassen, um ihre Wirtschaftsfreundlichkeit unter Beweis zu stellen.
Stattdessen forderte Klöpper eine „menschen- und bürgerfreundliche Stadt“. Albrechts Zumutung wurde durch ein schrilles Pfeifkonzert quittiert.
Udo Borkenstein (Tu was) warf der Wilhelmshavener SPD vor, von 30% möglicher Wiederverwertung zu reden, aber noch nicht einmal die Getrenntsammlung von Grünabfällen in die Wege geleitet zu haben, die allein schon fast 50% des Hausmülls ausmachen.
Meike Sudholz legte als Rednerin der AGM offen, daß die Stadt noch keinen einzigen Abfallberater eingestellt hätte. Durch fachliche Beratung, so Sudholz weiter, von Gewerbebetrieben und Haushalten könne die Stadt einen Vermeidungseffekt von bis zu 30% erzielen. Darüberhinaus, gäbe es in der Stadt lediglich bescheidene Ansätze für die Getrenntsammlung und Wiederverwertung von Abfällen. Die Verwirklichung der Müllverbrennungspläne der Bezirksregierung würde erste Ansätze zur Vermeidung und Verwertung von Abfällen bereits im „embryonalen Zustand“ ersticken.
Alle Redner forderten die Stadt dazu auf, dem Bürgerwillen und dem laufenden Bürgerantrag zu entsprechen und den Bau und den Betrieb einer Müllverbrennungsanlage in Wilhelmshaven abzulehnen. Stattdessen soll die Stadt ein abfallwirtschaftliches Gegenmodell entwickeln, durch das die Verbrennung von Abfällen sich erübrigt.

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