Atomindustrie will Spaltmaterial über Wilhelmshaven verschiffen. Vermutlich nach Schweden.
(hk) Nachdem sie sich in Lübeck und Emden nicht mehr blicken lassen konnte ohne dabei Volksaufläufe zu provozieren, versucht die Atomindustrie ihren Fuß in die Wilhelmshavener Tür zu setzen. Eine erste Fuhre mit frischem Kernspaltmaterial aus der Brennelementefabrik in Lingen bzw. der in Hanau, kann jederzeit – vorzugsweise bei Nacht und Nebel- durch unsere Stadt geschleust werden.
In diesen Atomfabriken werden mit Urandioxid bzw. mit plutoniumhaltigem Mischoxid gefüllte Brennstäbe für Atomkraftwerke hergestellt.
Ein entsprechender Transportantrag soll beim Bundesamt für Strahlenschutz gestellt worden sein. Das Antragsverfahren ist inzwischen abgeschlossen. An dem Verfahren war auch das Niedersächsische Hafenamt beteiligt. Jedenfalls bestätigte der dort zuständige Hafenkapitän Böge dem Jeverschen Wochenblatt, daß seiner Wilhelmshavener Dienststelle ein solcher Antrag vorliege.
Damit zeichnet sich ab, daß die Atomzauberlehrlinge ihren Spaltstoff über die Autobahn und den Friesendamm zum Nordhafen transportieren und dort über die neue Rollon/Roll-off-Anlage am Lüneburg Kai per Tieflader in den Bauch eines Schiffes rollen lassen wollen.
Es steht zu vermuten, daß Wilhelmshaven dabei als Ausweichumschlagplatz für Hamburg herangezogen werden soll, denn auch die dortigen Umweltgruppen kommen den Atomtransporteuren zunehmend auf die Schliche.
Falls die verfügbaren Informationen zutreffend sind, dann müssen wir stündlich•mit dem Eintreffen des RoRo-Frachters „Godewind“, der bislang für solche Transporte zwischen Hamburg und Schweden eingesetzt wurde, rechnen.
Schon seit Herbst 1988 – als sich die niedersächsische Landesregierung mit Atomtransporten über niedersächsische Häfen einverstanden erklärte (nachdem diese in Schleswig-Holstein verboten wurden), zeichnet sich ab, daß Wilhelmshaven zur europäischen Nukleardrehscheibe ausgebaut werden soll.
Die Albrecht-Regierung kam damals zu dem Schluß, daß Wilhelmshaven besonders gut für den Umschlag radioaktiver Materialien geeignet sei. Zuvor müßten nur noch einige Baumaßnahmen durchgeführt werden.
Diese Maßnahmen sind vor wenigen Wochen mit Inbetriebnahme des Roll-on/Roll-offAnlegers an der Lüneburg Kai abgeschlossen worden.
Die Stadt Wilhelmshaven weiß von solchen Vorgängen scheinbar nichts. Jedenfalls tut sie so! Pressesprecher Konken auf eine Anfrage zu den anstehenden Atomtransporten: „Da kommt nichts – uns liegt nichts vor!“
In der Tat scheint es so, daß die Stadt•vom Bundesamt für Strahlenschutz aus dem Antragsverfahren für Atomtransporte durch die Stadt ausgeschlossen worden ist. Aber warum hat die Stadt dagegen nicht protestiert?
Recht seltsam auch die Reaktion der Stadt auf das Eingeständnis des Niedersächsischen Hafenamtes, daß dort ein Antrag über Atomtransporte vorliege. Nochmal Pressesprecher Konken: „Wir haben das recherchiert, die Zeitungsmeldung ist falsch.“
Können Rat und Verwaltung womöglich gut damit leben, nicht an dem Antragsverfahren beteiligt gewesen zu sein? Oder wird da den Bürgern mal wieder was verschwiegen?
Wenn zum Beispiel OB Menzel erklärt, dass der Stadt keine Informationen vorlägen, dann liegt das wohl eher daran, daß die Stadt lediglich mit einer 48-stündigen Voranmeldung über einen anstehenden Atomtransport informiert werden sollte.
Nun einfach dazusitzen und auf die Voranmeldung zu warten, statt auf das Recht auf Beteiligung zu pochen – das ist die Art Wilhelmshavener Vogel-Strauß-Politik, an der das Atommanagement so großes Wohlgefallen findet, daß sie die am 21.9.88 vom Rat der Stadt verabschiedete Resolution „…gegen den Transport von radioaktiven Materialien inklusive deren Umschlag in allen Hafenbereichen Wilhelmshavens..“ vergessen läßt.
So wird z.B. aus Emden berichtet, daß der 2. Prokurist der Emder Hafenumschlagsgesellschaft (EHUG) – übrigens genauso kapitalverpflochten mit der Atomindustrie wie die Betreiberin des Lüneburg Kais, die Wilhelmshavener Umschlagsgesellschaft (WUG) – ein Herr Mäcker, sich darüber beklagt habe, daß sich die Emder Stadtverwaltung seit den gewaltigen Bürgeraufmärschen gegen Atomtransporte so ziere, wogegen es in anderen Häfen viel unproblematischer zuginge. Auf die Frage „Wo denn genau?“, antwortete er: „In Wilhelmshaven!“
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