Lobbyismus
Nov 192008
 

Wer hat das Sagen?

Wie Konzerne die Demokratie unterwandern

(iz) „Wer hat denn das Sagen bei uns? Electrabel, e.on, …?“ fragten LAW und DIE LINKE.Wilhelmshaven in ihrem Informationsblatt „Kapitalismus killt Klima“, das anlässlich der Veranstaltung mit Jürgen Trittin im Juni veröffentlicht wurde. Bei der Beantwortung der Frage sind wir gern behilflich: e.on & Co. arbeiten weiter kräftig daran, das Sagen zu haben.


Im Juli dieses Jahres (Gegenwind 237) berichteten wir unter dem Titel „Edle Spenden oder trojanische Pferde?“, wie das Energie-Oligopol (Der Begriff Oligopol“ = Form des Monopols, bei der der Markt von einigen wenigen Großunternehmen beherrscht wird – (DUDEN) steht hier bildlich, als Definition für die Stellung der vier genannten Konzerne. Wenige Tage nach Fertigstellung dieses Artikels wurde e.on und RWE seitens des Bundesgerichtshofs juristisch die Stellung als Oligopol zugeschrieben.) aus RWE, e.on, Vattenfall und EnBW sich Sympathien erkauft. Die Strategie geht Hand in Hand mit der Politik: Die dreht Bildungs-, Umwelt- und sozialen Einrichtungen den Geldhahn zu, und die Konzerne dürfen sich dann als Retter in der Not aufspielen durch großzügige Spenden. So können sie einen Teil der Milliardengewinne, die sie zuvor den privaten und öffentlichen Verbrauchern abgepresst haben, besonders lukrativ für steuerfreie Werbekampagnen einsetzen.
Vor Ort ist das z. B. die Unterstützung der Wilhelmshavener Kinderhilfe, zuletzt waren es Anfang November 15.000,- Euro für Wiederaufbau des Spielplatzes der KiTa Südstern. „Peanuts“ gegen die 27 Mio. Euro, die der Konzern jetzt bundesweit für ein Sponsoringprojekt mit der Arbeitsgemeinschaft Natur- und Umweltbildung (ANU) auf den Tisch legt. Im Juli hatten wir über entsprechende Planungen berichtet, im Oktober 2008 wurde der Sponsoringvertrag unterschrieben „für die Durchführung eines bundesweiten Weiterbildungsprogramms für 4.000 Erzieher(inn)en zur Bildung für nachhaltige Entwicklung in Kindergärten mit dem Schwerpunkt Energie und Umwelt … Das Projekt wird von einer gemeinnützigen Tochtergesellschaft durchgeführt. Es läuft über vier Jahre und wird durch E.ON finanziert. Vorgesehen ist eine Pilotphase in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Hessen sowie die bundesweite Ausdehnung über neun Regionalstellen.“ (Darstellung ANU). Formal ist das Ganze so sauber eingetütet, dass die Beteiligten jeden Verdacht einer inhaltlichen Einflussnahme durch den Konzern empört von sich weisen können. So geschehen in einer „Richtigstellung“ der ANU zu dem SPIEGEL-Artikel „Kinder unter Hochspannung“ vom April 2008. „Das Projekt stellt alles in den Schatten, was bisher an industriellem Einfluss auf öffentliche Einrichtungen bekannt ist … Von Direkt-Mailings an Kindergärten ist die Rede und von Geschenken wie Dynamo-Taschenlampen … Der atom- und kohlelastige Energieriese verspricht sich im Gegenzug Korrekturen am eigenen miesen Preistreiber-Image … Sogar an eine Schirmherrin (‚z. B. Frau von der Leyen’) und einen Projekt-Botschafter (‚z. B. der Moderator Rangar Yogeshwar’) ist gedacht worden. Um eine möglichst freundliche Berichterstattung zu erreichen, sind Journalisten-Workshops vorgesehen und Besuche in den Redaktionen … Die Profis hoffen zudem auf eine ‚Platzierung’ in Talkshows wie „Anne Will’ oder in der „Sendung mit der Maus’. (SPIEGEL 21.4.2008)

„Sanitäter eines siechenden Staates“

Was e.on „corporate social responsibility“ (CSR – gemeinsame soziale Verantwortung) nennt, ist für kritische Fachleute aus dem Natur- und Umweltschutz „greenwashing“. Kinder, die früher „e.on“ sagen können als „Wald“ oder „Vogel“, sind später eine einfache Klientel, der man neue Kohlekraftwerke oder längere AKW-Laufzeiten verkaufen kann.
Einen weiteren Großangriff auf die Unabhängigkeit von Staat, Politik, Bildung und Medien startet e.on mit der Kampagne „Innovatives Niedersachsen“. In Kooperation mit dem Wirtschaftsministerium läuft seit Ende Oktober eine überregionale Anzeigenkampagne, in der gleichzeitig für den Konzern und das Bundesland geworben wird.
Das Funktionsprinzip ist immer gleich: e.on als „Sanitäter eines siechenden Staates“, so Eric Depluet, Leiter der Einheit „corporate social responsibility“ bei e.on, gegenüber dem SPIEGEL. Anders ausgedrückt: Die Konzerne lösen die Probleme, die der Staat ohne die repressive Konzernpolitik nicht hätte: leere Kassen durch Abbau von Arbeitsplätzen, kleine und große Steuerfluchten, Subventionen, Umwelt- und Gesundheitsprobleme etc.

Demokratie statt Lobbyismus

Bei einer Informations- und Diskussionsveranstaltung der Wilhelmshavener LINKEN zur Novemberrevolution 1918 wurde deutlich, dass die damals von unseren Großeltern hart errungene Demokratie von uns und kommenden Generationen sorgsam beschützt werden muss. Aktuell gilt es vor allem, der Lobbyismus-Demokratie, die sich von vielen unbemerkt eingeschlichen hat, entschieden entgegenzutreten.
Die Aktion mit dem ANU-Sponsoring sei „alles andere als eine plumpe PR-Aktion“, verriet Depluet dem SPIEGEL. „Uns wird man dabei kaum bemerken“. Diese Suppe gilt es ihm gründlich zu versalzen. E.on steht dabei nur stellvertretend für die allgegenwärtig fortschreitende Vermantschung von Staats- und Konzerninteressen.
Nicht von ungefähr hat sich e.on die ANU ausgeguckt, einen Mitgliederverband mit bislang bescheidenem Etat. Doch zahlreiche Umweltorganisationen, die Mitglied der ANU sind, lassen sich nicht verkohlen. Das kann für die ANU sehr schmerzhafte, aber für die Zukunft heilsame Folgen haben. Der Protest richtet sich dabei weniger gegen die ANU selbst, die bislang gute Arbeit leistete, sondern gegen den Konzern und die Rahmenbedingungen, die derartige Eingriffe in die unabdingbare Trennung von staatlichen und wirtschaftlichen Interessen ermöglichen.
Der Widerstand gegen den Ausverkauf unabhängiger demokratischer Strukturen sollte Schule machen. Auf die Frage „Wer hat denn das Sagen bei uns?“ darf es nur eine Antwort geben: Das Volk – und seine gewählten VertreterInnen, so lange sie die Interessen ihrer WählerInnen tatsächlich allen anderen Interessen voranstellen.

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