Kompetenzwirrwarr
Sep 012010
 

Schifffahrtsfreundlicher Kompetenzwirrwarr

Am 31.12.2009 trat eine neue EU-Richtlinie über den maximalen Schwefelgehalt von Brennstoffen in Kraft, die von Seeschiffen in EU-Häfen eingesetzt werden dürfen. In den niedersächsischen Häfen liegende Schiffe können ihre Motoren trotzdem immer noch mit schwefelreicheren Brennstoffen betreiben.
Dies bestätigte das Niedersächsische Umweltministerium auf Anfrage der ‚Gemeinschaft regionaler Natur- und Umweltschutzvereine – Wilhelmshaven und Umzu’ (GNU). Es vertritt die irrige Ansicht, dass die diesbezügliche EU-Richtlinie 2005/33/EG erst zum 31.12.2010 umzusetzen sei. In dem Brief des Ministeriums vom 19.04.2010 heißt es u.a.: Allerdings greift auch die Richtlinie 2009/30/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 wegen der Änderungen der Richtlinie 1999/32/EG (Artikel 2) i.V.m. Artikel 4, so dass die Richtlinie erst bis zum 31.12.2010 umzusetzen ist.
Auf erneute Nachfrage sucht das Ministerium in einem weiteren Schreiben vom 20.05.2010 ihre Interpretation weiter zu untermauern. Die GNU hat sich daraufhin an einen Fachanwalt gewandt, der nach Sichtung der einschlägigen EU-Richtlinien zu dem Ergebnis kam, dass die Richtlinie 2005/33/EG schon am 31.12.2009 hätte umgesetzt werden müssen.
Vor einigen Wochen schaltete die GNU daraufhin die ‚Generaldirektion Umwelt’ der Europäischen Kommission ein. In Ihrem Antwortschreiben vom 08.Juli 2010 stellt die Generaldirektion klar, dass die Frist für die Umsetzung der Richtlinie auf den 31.12.2009 festgelegt wurde. Die Generaldirektion werde jetzt selbst tätig werden und eine Stellungnahme von den deutschen Behörden anfordern. Somit hat die EU-Kommission die Auffassung der GNU bestätigt, dass die Landesregierung die Umsetzungsfrist der EU-Richtlinie 2005/33/EG nicht einhält.
Jetzt endlich ist die Landesregierung tätig geworden und hat am 04.08.2010 den Entwurf einer Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie 2005/33/EG zur Stellungnahme vorgelegt. War zuvor im Schriftverkehr mit der GNU auf die Zuständigkeit des Umweltministeriums verwiesen worden, hat jetzt das Wirtschaftsministerium die Federführung übernommen. Ein Vorgang, der zum Spekulieren über den Grund Anlass gibt:
War es ein Fall von Kompetenzwirrwarr im Regierungsapparat der Landesregierung, oder musste dem Umweltministerium die Umsetzung der EU-Richtlinie aus Gründen von Ignoranz und/oder Inkompetenz aus der Hand genommen werden?
Eine effektive Umsetzung der EU-Richtlinie scheint durch diese Rochade jedoch immer noch nicht in Sicht: Gem. § 5 des Entwurfs soll den staatlichen Gewerbeaufsichtsämtern Cuxhaven, Emden und Oldenburg die Aufsichtsbefugnis für die niedersächsischen Häfen übertragen werden. Da müssen diese Behörden ihr Personal aber gewaltig aufstocken, um alle die in täglichem Wechsel niedersächsische Häfen anlaufenden Schiffe überprüfen zu können.
Mehr Sinn macht es, die dem Innenministerium unterstehende Wasserschutzpolizei mit der Überprüfung zu betrauen. Deren Beamte kennen sich auf Schiffen aus. Überdies müssen sie sowieso jedes im Hafen ankommende Schiff betreten, um im Rahmen der sog. Einklarierung eine Fülle von Schiffspapieren zu überprüfen. Außerdem müssen sie den beim Betreten ins Auge fallenden Mängeln bei der Schiffsausrüstung und den Sicherheitseinrichtungen auf den Grund gehen und sie an die See-Berufsgenossenschaft melden.

Für Verstöße gegen besagte EU-Richtlinie sollen die Fahrzeugführer und ihre Beauftragten lt. Verordnungsentwurf mit einer Geldbuße bis zu 10.000 Euro einstehen. Effektiver wäre es – solange keine Landstromversorgung verfügbar ist – die Schiffe zum Bunkern von schwefelarmem Brennstoff zurück auf einen Ankerplatz außerhalb des Hafens zu schicken.
Dann würden die Reeder schon per Eilpost dafür sorgen, dass sich ihre Schiffsleitungen vor dem Anlaufen von niedersächsischen Häfen mit dem zulässigen Brennstoff eindecken. Denn wie der Herr – so das Gescherr! (jm)

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