Arbeitsloseninitiative
Sep 012010
 

Zwei ALI-Versammlungen

Optionskommunen und Wirtschaftswachstum

(noa) Bei einer längeren Sommerpause läppert sich einiges zusammen, worüber man doch wenigsten kurz berichten sollte. Auf der ALI-Monatsversammlung am 8. Juni war auch die WZ und berichtete recht ausführlich tags darauf, so dass wir nur den einen oder anderen Gesichtspunkt erwähnen müssen, den der Kollege von der WZ  nicht so wichtig fand.

Optionskommune statt Job-Center
Der Referent bei dieser Versammlung war Gustav Zielke, GRÜNER Kreistagsabgeordneter in Friesland, und er schwärmte – unmittelbar vor der Grundgesetzänderung zur „Rettung“ der Job-Center – von der anderen Möglichkeit, der optierenden Kommune.


Optionskommunen: Bisher gibt es 69 Städte und Landkreise, welche die Hartz IV-Empfänger in Eigenregie betreuen. Künftig sollen es bis zu 110 sein.  (WZ vom 18.06.2010 anlässlich des Berichts über die Grundgesetzänderung)
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Friesland soll, so wünscht es sich Zielke, eine solche Optionskommune werden, und er meint, in dieser Konstruktion sei es viel besser als beim Job-Center möglich, Arbeitslose zu qualifizieren und in Arbeit zu bringen. In der WZ stand dazu, dass sowohl Zielke auch als Werner Ahrens von der ALI bei einer Veranstaltung gewesen waren, in der sie ganz gegensätzliche Dinge zum Thema dieser angeblich höheren Effizienz gehört hatten. Ernst Taux (ebenfalls ALI) konnte einen draufsetzen: Die Optionskommune Ammerland, die Zielke als Beispiel anführte, qualifiziert ihre Erwerbslosen nicht für den allgemeinen Arbeitsmarkt, sondern richtet sie gezielt auf den größten Arbeitsgeber, die Firma Meica, zu.
Kennen wir so etwas nicht auch hier bei der Arbeitsagentur und dem Job-Center, die immer wieder Hafenlogistiker für den JadeWeserPort zurechtschnitzen?

Wirtschaftswachstum um jeden Preis?
Auch von der ALI-Versammlung am 10. August berichtete die WZ das Wichtigste über den Vortrag von Dr. Niko Paech (Uni Oldenburg) über eine bislang wenig bekannte Richtung der Wirtschaftswissenschaft, die Postwachstumsökonomik.
Bislang scheinen alle (egal ob Politiker, Wissenschaftler oder „normale“ Leute) fest daran zu glauben, dass Wirtschaftswachstum unbedingt immerzu und unaufhaltsam stattfinden müsse. Ein Nichtwachsen oder gar Zurückgehen der Wirtschaftsleistung ist eine Krise. Ja, wirklich?
Die Postwachstumsökonomik sieht das nicht so. Weiteres Wirtschaftswachstum ist nicht nur nicht notwendig, sondern auch (umwelt-)schädlich, so lautet das Fazit aus Paechs Vortrag. Die vorhandene Arbeit kann gerechter verteilt werden (in den Niederlanden und in Dänemark gab es schon Ansätze zu gleichmäßigerer Verteilung der Lohnarbeit, und auch das Schrödersche VW-Modell 5000 mal 5000 ging in diese Richtung); Paech brachte es auf die Formel „soziale Gerechtigkeit ohne Wirtschaftswachstum“. Er ging dabei von einem GRÜNEN Ansatz aus und bemühte den Klimawandel und das angestrebte Ziel einer Reduzierung der CO2-Emissionen::Teilt man 750 Mrd. Tonnen CO2 durch 6,9 Mrd. (Menschen, die gegenwärtig auf der Erde leben), so erhält man 2,7 Tonnen CO2 pro Person. Und wenn das Recht auf Produktion dieser CO2-Menge tatsächlich für alle gälte, so wäre für jemanden, der Luxusgüter konsumiert, bei deren Produktion und Verteilung sehr viel CO2 anfällt, schon recht bald Schluss. Er müsste vielleicht im Februar eines Jahres schon den Konsum einstellen. Und alle anderen Menschen in den Staaten, die überdurchschnittlich viel CO2 produzieren, müssten auch ein bisschen sparen.
Wie bekommt man das hin, ohne dass die Menschen das Gefühl haben, sie müssten sich ohne Grund und ohne vernünftige Gegenleistung einschränken? Z. B. indem die bezahlte Arbeitszeit gesenkt wird, jedeR mehr Freizeit hat und für sich selbst arbeitet (Gemüse ziehen, die Wohnung renovieren, Pullover stricken …). Oder indem die Region wieder entdeckt wird (warum muss ein Joghurt 1000 km reisen, bevor wir ihn essen, wenn es 10 km vor unserer Stadt auch Milchbauern gibt?) Oder auch indem wir die Nachbarschaftshilfe wiederentdecken und schätzen lernen, Tauschringe installieren und den globalisierten Konsum (Strandkleider aus Bangladesh, Mangos aus Brasilien usw.) einschränken. Nein, ganz verzichten müssen wir deswegen auf Waren aus Übersee nicht. „So lokal/regional wie möglich, so global wie nötig“, lautet Paechs Formel.

Die Postwachstumsökonomik ist ein sehr charmantes Modell für eine bessere Zukunft. Problematisch war, den Appell zum Verzicht auf bezahlte Arbeitszeit zugunsten anderer ausgerechnet vor Langzeitarbeitslosen zu äußern. Problematisch und eigentlich unnötig ist die Bemühung des Klimawandels zur Begründung einer Idee, die auch ohne das Horror-Szenario einer überhitzten Erde, schlicht und ergreifend mit der Forderung nach sozialer Gerechtigkeit, begründet werden kann. Doch an die Millionärssteuer oder eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes traute Paech sich nicht ran.

 

 

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