Man muss nicht jeden 1-Euro-Job annehmen!
Eine aktuelle Gerichtsentscheidung zu Arbeitsgelegenheiten
(noa) „Arbeitsgelegenheiten“, besser bekannt als „1-Euro-Jobs“, sind, jeder sieht es überall, auf dem Vormarsch. In Wilhelmshaven sind es ständig Hunderte, bei der Stadt selber oder ihren Eigenbetrieben, aber auch bei mehr oder weniger gemeinnützigen Vereinen. Mit Sicherheit sind einige von ihnen eigentlich nicht so ganz legal.
So gibt es beispielsweise einen Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 24.04.2007 (Az.: S 11 AS 1219/07 ER), der ein deutliches Wort zur zulässigen Arbeitszeit in einem 1-Euro-Job sagt.
Ein arbeitsloser Mann hatte eine Arbeitsgelegenheit vermittelt bekommen und angenommen. Am dritten Arbeitstag fiel er von einer beschädigten Leiter und wurde für ein paar Tage arbeitsunfähig geschrieben. Er ging danach jedoch nicht mehr hin, sondern brach die Arbeitsgelegenheit ab. Daraufhin wurde ihm das Arbeitslosengeld II um 30 % gekürzt. Gegen diese Kürzung legte der Mann Widerspruch ein, dem jedoch nicht abgeholfen wurde, so dass er Klage gegen die Kürzung einlegte.
Interessanterweise nahm das Gericht seine Gründe für den Abbruch der Maßnahme zwar zur Kenntnis, berücksichtigte sie aber im Beschluss nicht. „Vorliegend kann dahinstehen, ob der Antragsteller für den Abbruch der Teilnahme an der Arbeitsgelegenheit (AGH) einen wichtigen Grund hatte, denn nach Auffassung der Kammer handelte es sich bei der AGH … nicht um eine ‚zumutbare’ AGH im Sinne des § 31 Abs. 1 Ziff. 1c SGB II bzw. nicht um eine ‚zumutbare’ Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit gem. § 31 Abs. 1 Ziff. 2 SGB II. … Die Absenkung der Leistungsbewilligung nach § 31 GGB II setzt weiter voraus, dass ein wirksames Arbeitsangebot erteilt wurde… Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit eines Absenkungsbescheides ist, dass das Arbeitsangebot hinsichtlich Art der Tätigkeit, zeitlichen Umfangs und zeitlicher Verteilung hinreichend bestimmt ist. … Grundsätzlich hat der Leistungsträger sicherzustellen, dass die auszuübenden Tätigkeiten im Rahmen einer AGH ausschließlich zusätzlich und gemeinnützig sind; falls dies nicht der Fall sein sollte, wäre die Zuweisung der AGH bereits aus diesem Grund rechtswidrig.“
Verschiedene Sachen hat das in diesem Fall zuständige Job-Center also unprofessionell und schlicht falsch gemacht, aber: „Für die Kammer ist letztlich allein entscheidend, dass vorliegend der zeitliche Umfang der Arbeitsgelegenheit – mit 30 Stunden wöchentlich – bei weitem den zulässigen Rahmen einer AGH überschreitet, wobei die Antragsgegnerin laut Eingliederungsvereinbarung sogar eine Tätigkeit in Vollzeit für zulässig erachtet.“ Im alten BSHG, dem die Bestimmungen zu den AGHs nachgebildet sind, war eine Wochenarbeitszeit von 15 Stunden höchstens vorgesehen. Und nun, nach dem SGB II, „sprechen sogar noch deutlichere Gründe dafür, eine Arbeitsgelegenheit in Vollzeit oder nahezu Vollzeit als unzulässig anzusehen, denn auch während der AGH bleiben die Betroffenen erwerbsfähige Hilfebedürftige und sind dem Grundsatz des Förderns nach § 2 SGB II unterworfen und brauchen daher ausreichend Zeit, um auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Arbeit zu suchen. … Darüber hinaus ist auch im Hinblick auf das Verbot der Konkurrenz von Arbeitsgelegenheiten zum 1. und 2. Arbeitsmarkt Rechtsmäßigkeitsvoraussetzung der Vermittlung in eine AGH (und hieraus folgend eine entsprechende Sanktion bei Abbruch), dass der Umfang der angebotenen Arbeit erheblich hinter dem eines normalen Arbeitsverhältnisses zurückbleiben muss. … Die Tatsache, dass aus dem Gesetz unmittelbar keine zeitliche Grenze für eine AGH zu entnehmen ist und die Tatsache, dass die Leistungsträger in der Praxis regelmäßig von der Zulässigkeit einer Tätigkeit mit 30 Wochenstunden ausgehen, begründet nach Auffassung der Kammer nicht die Rechtmäßigkeit eines derartigen Vermittlungsangebotes. …“
Also: Das Angebot eines 1-Euro-Jobs muss so klar formuliert sein, dass der/die Arbeitslose ausreichende Informationen über die vorgesehene Arbeitszeit, die Dauer der Maßnahme, die auszuübenden Tätigkeiten und über die Zusätzlichkeit und Gemeinnützigkeit der Arbeit bekommt und überprüfen kann, ob die Arbeitsgelegenheit allen gesetzlichen Anforderungen entspricht. Mehr als 20 Wochenstunden sind jedenfalls nicht mehr legal. Und wenn das Angebot diese Bedingungen nicht sämtlich erfüllt, dann dürfen die Ablehnung oder der Abbruch der AGH nicht mit einer Absenkung des Alg II bestraft werden.
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