Fäkaleinleitungen
Mai 152007
 

Annäherung an der Schokoladenseite?

Gibt es eine Strategie der Stadt gegen die Fäkaleinleitungen am Südstrand?

(hk) Der Hoffnung der Stadt Wilhelmshaven, auch in den nächsten 100 Jahren noch ungeklärte Abwässer in die Jade einleiten zu können, wurde durch die Bürgerinitiative „Die Kaiserlichen Kanalarbeiter“ (KKA) ein Riegel vorgeschoben. Nun musste die Stadt selbst aktiv werden.

Bekanntlich machten die KKA den Skandal der Fäkaleinleitungen nicht nur publik – sie stellten auch gleich ein fertiges Konzept zur Lösung der Probleme vor. Und die Wilhelmshavener Entsorgungsbetriebe (WEB) konnten nicht mehr ihre ewige Beschwichtigungsleier spielen – jetzt musste Butter bei die Fische.
So kam es dann zur Veranstaltung am 10. April im Gorch-Fock-Haus. Die Stadt hatte groß aufgefahren: Unter anderen saßen Prof. Dr. Liebezeit von Terramare, Dr. Rübsamen vom Gesundheitsamt, Vertreter des von den Wilhelmshavener Entsorgungsbetrieben (WEB) mit der Untersuchung beauftragten ‚Instituts für technisch-wissenschafliche Hydrologie’ (ITWH), Franz Neugebauer und Tim Menke von den WEB, Umweltdezernent Dr. Jens Graul und Oberbürgermeister Menzel auf dem von Jürgen Westerhoff bestens geleiteten Podium.
Das ITWH stellte die Ergebnisse ihrer Untersuchungen vor – und es gab da durchaus diskutable Lösungsansätze, die das „Abschlagen“ ungeklärter Abwässer in die Jade rechnerisch unwahrscheinlich darstellten, zumindest aber deutlich reduzieren könnten. Download der Präsentation der ITWH
Die Kosten für alle wirksamen Maßnahmen waren sehr hoch – egal, ob es sich dabei um das von den KKA vorgeschlagene Druckentwässerungssystem oder um die Vergrößerung der Speicherkapazitäten oder ähnliche vom ITWH favorisierte Maßnahmen handelte. Erstaunlich war, dass das ITHW auch die von den KKA vorgeschlagene Druckentwässerung unter die Lupe genommen hatte und sie durchaus als machbare Alternative bezeichnete.
Prof. Dr. Liebezeit machte in seinem Vortrag über die Schadstoffe in der Innenjade deutlich, dass es keine messbaren Veränderungen in der Jade gibt; er sagte aber auch, dass „Aussagen über den ökologischen Zustand des Jadebusens mit diesen wenigen Proben und dem begrenzten Analysenumfang nicht möglich seien“! Download der Präsentation von Prof.Dr. Liebezeit
Der Leiter des Gesundheitsamtes Dr. Rübsamen sah grundsätzlich keine Probleme durch die Einleitungen, musste dann aber die Unzulänglichkeit der Probeentnahmen (nur eine Entnahmestelle im Bereich des ehemaligen Planschbeckens) eingestehen und schließlich durchaus Gesundheitsgefährdungen durch die Einleitungen eingestehen.
Dennoch war schnell klar, dass die Stadt Wilhelmshaven, die WEB und die Bürgerinitiative nicht auf einen Nenner kommen konnten. Die Kaiserlichen Kanalarbeiter waren gut informiert in die Diskussion gegangen und konnten gerade im Bereich der Schadstoffbelastung („Liebezeits Untersuchung sagt nichts über den ökologischen Zustand des Jadebusens aus“) punkten.

Ein Gutachten auf der Basis einer Momentaufnahme, dazu noch beschränkt auf Sedimente, obwohl ja die Schmutzfrachten während der Direkteinleitungen akut im Oberflächenwasser vorkommen, ist im höchsten Maße fragwürdig. Außerdem ist seine Alibifunktion gefährlich, da die Auftraggeber die Aussage, dass keine besondere Auffälligkeit vorläge, nutzen, davon die Unbedenklichkeit ihres Tuns ableiten und Kritiker mundtot zu machen versuchen, wenn diese auf die Schändlichkeit der Schmutzwasser-Direkteinleitungen für Mensch und Umwelt hinweisen. (Dr. Gisela Gerdes auf Anfrage des Gegenwind)

Oberbürgermeister Eberhard Menzel spielte wieder die beleidigte Leberwurst. Er hätte es lieber, wenn all diese Probleme hinter verschlossenen Türen verhandelt würden, sprach von Skandalisierung (siehe auch nebenstehende Rede), von der Unsachlichkeit der Informationsblätter der KKA usw. Dabei ist wohl allen klar, dass ohne die Öffentlichkeitsarbeit der Kaiserlichen Kanalarbeiter kein Mensch bei den WEB oder in der Stadtverwaltung auch nur eine Gehirnzelle zur Lösung der Probleme betätigt hätte.
Auch Dr. Graul sprach wieder von dem „Bärendienst“, den die Kritiker der Stadt erweisen, weil solche Sachen dann ja auch in der auswärtigen Presse zu lesen sind.
Die blaue Umweltflagge wird wohl in diesem Jahr nicht am Südstrand wehen – dafür wird es eine rote Flagge geben. Diese soll anzeigen, dass gerade ungeklärte Abwässer am Banter Siel in die Jade geleitet werden und dass erst einmal das Baden verboten ist.
Problematisch dabei ist, dass diese Warnungen nur im Bereich des eingezäunten Strandbereichs vernehmbar/sichtbar sein werden. Der gesamte Bereich bis zum Banter Siel (der Einleitungsstelle) wird im Sommer von vielen Tausend Badenden benutzt – doch für deren Gesundheit fühlt man sich nicht zuständig. Dabei handelt es sich auch hier eindeutig um Badegewässer nach der niedersächsischen Badegewässerverordnung.
Die Bürgerinitiative in ihrem letzten Informationsblatt: „Die Kaiserlichen KanalarbeiterInnen“ fordern eine schnellstmögliche Beendigung dieser ekelhaften Einleitungen. Keine Verminderung, sondern Verhinderung ist unser Ziel!
Wir Bürger dieser Stadt tolerieren hier nicht mehr länger die menschenverachtende Handlungsweise und Argumentation der für diesen Skandal Verantwortlichen aus Politik und Verwaltung in Wilhelmshaven.“


 

 

menzel

OB Menzel

Im wahrsten Sinne des Wortes (O-Ton)
Nun ist ja, meine Damen und Herren, ein Thema in den letzten Monaten hoch gekocht worden, auch heute hat es wieder eine Gruppe gegeben, die versucht, Wilhelmshaven und den Ruf Wilhelmshavens als Südstrand in den, im wahrsten Sinne des Wortes, in den Schmutz zu ziehen, meine Damen und Herren. Das scheint langsam Tradition zu sein, dass diejenigen, die meinen, die Interessen der Stadt zu vertreten, in Wirklichkeit diejenigen sind, die die Interessen der Stadt im wahrsten Sinne des Wortes mit den Füßen treten, meine Damen und Herren. Denn wir brauchen, meine ich, um die Interessen unserer Stadt nach außen zu vertreten, niemanden, der skandalisiert und der versucht, dieses Thema dann in einem Maße unverhältnismäßig darzustellen, wie’s nicht ist, meine Damen und Herren. Wir haben in diesem Jahr Vorsorge getroffen, wenn der Fall eintritt, der ja im letzten Jahr an einem Tag in vielen Jahren dafür gesorgt hat, dass es zu leider unliebsamen Zusammentreffen kam, da, meine Damen und Herren, sind wir in diesem Jahr entsprechend gewarnt. Wir werden ein entsprechendes System installieren und wir werden dann, wenn es zu Einleitungen kommen muss, die zwangsläufig bei bestimmten Wetterlagen auftreten, dann dafür sorgen, dass Badende hier am Wilhelmshavener Südstrand gewarnt werden, dass sie darauf hingewiesen werden. Dieses System, meine Damen und Herren, ist installiert, und wir werden es entsprechend dann auch durchführen. Heißt also, meine Damen und Herren, es wird keinerlei Probleme geben, dass Menschen, die hier baden, dann mit diesen Dingen konfrontiert werden. Wir haben dafür Vorsorge getroffen. Und, meine Damen und Herren, wenn Forderungen erhoben werden, die unverhältnismäßig sind, die bedeuten, dass wir ein neues System der Abwasserbeseitigung in Wilhelmshaven haben müssen, dann ist dieses eben nicht machbar. Wir werden mit den Schritten, die wir aufgezeigt haben, die wir auch in den politischen Gremien beschlossen haben, dieses Thema nach und nach in den Griff bekommen.
Auszug aus der Rede von OB Menzel anlässlich der Eröffnung der Badesaison am 12.5.2007

 

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