Richtigstellung:
Doch entehrt
In der letzten Ausgabe widmeten wir uns der Tatsache, dass Hitler in der Zeit des Dritten Reiches von zahlreichen Kommunen – darunter auch Wilhelmshaven – zum Ehrenbürger ernannt wurde und dieser Status vielerorts formal noch besteht. Bei der Recherche hatte die Autorin keinen Hinweis darauf gefunden, dass in Wilhelmshaven diese Ehrenbürgerschaft zwischenzeitlich aufgehoben worden wäre.
Informationsgrundlage waren diverse lokalgeschichtliche Bücher sowie Gespräche mit verschiedenen politisch bzw. historisch interessierten und in der Regel gut informierten Personen.
Tatsächlich aber hat der Rat der Stadt Wilhelmshaven mit einstimmigem Beschluss vom 15. Februar 1984 in öffentlicher Sitzung die Verleihung der Ehrenbürgerschaft an Hitler „wegen verbrecherischen Verhaltens und damit wegen Unwürdigkeit“ für unwirksam erklärt. Darauf wies uns nach Veröffentlichung des Artikels der städtische Pressesprecher Arnold Preuß hin und ergänzte historische Details: „Der Ehrenbürgerbrief ist erstmals am 18. Dezember 1933 im Rumpf des Modells des Kreuzers Köln an Hitler übergeben worden. Der Beschluss des Magistrates dazu wurde am 11. April 1933 gefasst. Eine formelle Danksagung durch Hitler zog sich mehrere Monate hin, am 22. November 1934 gab der damalige Oberbürgermeister Renken eine Notiz an die Presse, in der die Danksagung vermeldet wurde. Mit Datum vom 29. Juni 1937 verlieh die vereinigte Stadt Wilhelmshaven Hitler erneut das Ehrenbürgerrecht. Überreicht wurde die Urkunde in einer Kassette beim Besuch Hitlers in Wilhelmshaven am 1. April 1939.“ Es gab also gleich eine doppelte Ehrenbürgerschaft; der vorgenannte Ratsbeschluss zur Aberkennung bezieht sich auf beide Verleihungen.
Hatte denn der Gegenwind – vor der Zeit der jetzigen Redaktion – nicht darüber berichtet? Ohne zeitlichen Anhaltspunkt gestaltete sich die Suche in alten, nicht digitalisierten Ausgaben schwierig. Erst anhand der von Preuß genannten Jahreszahl 1984 wurden wir fündig in der Nr. 47 vom August 1983: Der damalige SPD-Ehrenvorsitzende Cramer hatte angeregt, Hitlers Ehrenbürgerwürde „demonstrativ zu streichen“. Während sich Grüne, Liberale und auch der damalige OB Hans Janssen Cramers Argumentation anschlossen, hielt Oberstadtdirektor Gerhard Eickmeier formaljuristisch dagegen: Durch die Verbrechen Hitlers seien „alle Ehren und bürgerlichen Rechte automatisch erloschen“. Und: „Wir haben die entsprechende Seite aus dem Goldenen Buch der Stadt herausgerissen.“ Das grenzte ja schon an Geschichtsklitterung: Im Sinne einer Aufarbeitung wäre es sinnvoller gewesen, die Seite an Ort und Stelle zu belassen und durch entsprechende Hinweise bzw. den späteren Ratsbeschluss zu ergänzen.
Im Gegenwind Nr. 50 vom Januar 1984 wurde gemeldet, dass die SPD-Fraktion im Rat einen Vorstoß zur Aberkennung der Ehrenbürgerschaft unternehmen würde, „sobald ein geeigneter Anlaß gefunden“ sei. Über den einen Monat darauf erfolgten Ratsbeschluss gibt es im Gegenwind keinen Bericht, dafür aber in der WZ (16.2.1984): „Kapitel Hitler wurde politisch abgeschlossen“, betitelte Max Schmid damals seinen knappen Einspalter. Demnach gab es dann trotz des Vorgeplänkels ein einstimmiges Votum für die Aberkennung der Ehrenbürgerschaft. OB Janssen betonte den Symbolcharakter des Beschlusses, unabhängig davon, ob der Status formaljuristisch ohnehin erloschen sei. „Die Eile, mit der sich diejenigen, die damals an der Jade politische Verantwortung trugen, mit den braunen Machthabern arrangierten, wurde am Mittwoch in Erinnerung gerufen.“ Die „Bürgerschaft“ bzw. deren Sprecher Dr. Wolf Herold fand allerdings einen „faden Beigeschmack in dieser plakativen Geste. Er schlug vor, jüdische Mitbürger aus der damaligen Zeit nach Wilhelmshaven einzuladen oder auch Wilhelmshavener ehren, die ihnen damals halfen.
Durch die Richtigstellung und Ergänzung ist aus unserer Ehrenbürgergeschichte ein Zweiteiler geworden. Auch ein Irrtum hat sein Gutes: Nun wissen auch die, die es damals überlesen oder vergessen haben, die zu jung oder (wie die Autorin) nicht hier wohnhaft waren, dass Hitler in unserer Stadt kein Ehrenbürger mehr ist – und zukünftig ist diese Information nun auch digital verbrieft und schnell zu recherchieren. Und hoffentlich ein weiterer Anstoß für viele Kommunen, in denen Hitler definitiv – wenn nicht formal, aber doch symbolisch – immer noch Ehrenbürger ist. (iz)
Sorry, the comment form is closed at this time.