Unterschiede
So billig, wie die Stadt behauptet, ist das Wohnen hier nicht
(noa) „Dauerbrenner“ hieß in der Ausgabe 223 unser Artikel zum Thema Kosten der Unterkunft für Hartz IV-Betroffene. Wir berichteten damals über eine kurz zuvor gegründete Arbeitsgruppe, die es sich zum Ziel gesetzt hatte, herauszufinden, wie teuer Wohnraum in Wilhelmshaven tatsächlich ist.
war die Tatsache, dass beim Job-Center Wilhelmshaven Höchstgrenzen für die Kosten der Unterkunft festgelegt sind, die Hartz IV-EmpfängerInnen bewilligt bekommen. Nach diesen Höchstgrenzen hatte sich die Arbeitsloseninitiative Wilhelmshaven/Friesland (ALI) im Frühling 2006 artig beim Rat der Stadt erkundigt und einige Zeit später auch eine Antwort bekommen, die wir in unserer Ausgabe 217 dokumentiert haben. Demnach betragen die „angemessenen“ Kosten der Unterkunft für eine allein lebende Person 252 €, für zwei Personen 316 €, für drei Personen 372 €, für vier Personen 472 €, für fünf Personen 575 €, und für jede weitere Person kommen 65 € hinzu. Zwischenzeitlich gab es in diesem Preisgefüge Änderungen um wenige € nach oben oder unten, so dass die Zahlen vielleicht jetzt nicht mehr genau stimmen. Aber wenn wir heute die momentan gültigen Zahlen einholen würden, könnte es gut angehen, dass sie beim Erscheinen dieser Ausgabe schon nicht mehr stimmen. Und eigentlich ist die genaue Höhe auch völlig egal, weil sie auf jeden Fall zu knapp bemessen ist.
Wer unsere Berichterstattung über Hartz IV einigermaßen regelmäßig verfolgt, weiß, dass die Mietobergrenzen, die die Stadt Wilhelmshaven als Partnerin der Arbeitsagentur im Job-Center festgelegt hat, keiner gerichtlichen Überprüfung standhalten. In mehreren Einzelfällen hat das Sozialgericht Oldenburg dem Job-Center auferlegt, Unterkunftskosten in Höhe der in der Wohngeldtabelle genannten Werte zu erstatten. In anderen Fällen musste das Job-Center die tatsächlichen Unterkunftskosten tragen. Im November 2006 befasste sich auch das Bundessozialgericht mit der Frage der Angemessenheit der Miethöhe und gestattete es den Städten und Kreisen, in denen es keinen gesetzlichen Mietspiegel gibt, eigene Ermittlungen über Miethöhen anzustellen, und den Job-Centern, die Ergebnisse dieser Ermittlungen bei der Bewilligung von Alg II als Maßstab zu nehmen.
Das BSG-Urteil – oder das, was vor seiner Veröffentlichung in Schriftform daraus in der Presse wiedergegeben wurde – bestätigte scheinbar die Position der Stadt Wilhelmshaven und damit des hiesigen Job-Centers, dass die oben genannten Miethöhen reichen müssten. Während der Wartezeit auf die Schriftfassung des BSG-Urteils wurde aber von verschiedenen Sozialgerichten schon deutlich gesagt, dass ein „Mietspiegel Marke Eigenbau“ doch gewissen Kriterien genügen muss – denen die Erhebungsmethoden der Stadt Wilhelmshaven aber mitnichten genügen.
Und neuerdings gibt es eine Reihe von Sozialgerichtsentscheidungen, die in Fällen, in denen kein gesetzlicher Mitspiegel als Beleg für die bewilligten KdU vorliegt, die Werte aus der Wohngeldtabelle plus 10 % als angemessen beurteilt haben.
von diesen Aufs und Abs der Auseinandersetzung um die Angemessenheit der Unterkunftskosten arbeitete währenddessen die Arbeitsgruppe, die die ALI ins Leben gerufen hatte. Und sie wandte ein ähnliches Verfahren an wie die Stadt Wilhelmshaven. Die hatte in dem o.g. Antwortschreiben ihr Verfahren so erläutert: „In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Oldenburg findet seit Jahren eine regelmäßige Auswertung von Wohnungsanzeigen der Tagespresse sowie Abfragen bei den örtlichen Wohnungsbaugesellschaften statt. (…)“
Die ALI-Arbeitsgruppe sammelte vom 25. November 2006 bis zum 24. März 2007 alle Zeitungen, die Wohnungsangebote veröffentlichen, also neben der Tagespresse (WZ und NWZ) auch die „Guten Morgen Sonntag“ und die „Neue Rundschau“, und erfasste sämtliche Wohnungsangebote. Zur Auswertung gelangten dann nur Wohnungsgrößen bis 90 m2, da Familien oder Wohngemeinschaften wie auch Bedarfsgemeinschaften nach dem SGB II mit einer bis vier Personen den überwiegenden Anteil der Gesamtbevölkerung darstellen.
Interessanterweise kam die Arbeitsgruppe zu anderen Ergebnissen als die Stadt Wilhelmshaven. Bei den 263 Wohnungen für eine Person, die im Untersuchungszeitraum angeboten waren, war die Kaltmiete fast immer angegeben, doch die Nebenkosten waren nur in 26 Fällen genannt. Bei den 191 Wohnungen für zwei Personen war auch fast immer die Kaltmiete genannt, doch nur in 18 Fällen Waren die Nebenkosten beziffert. Ebenso unzureichend waren die Angaben in den Angeboten für größere Wohnungen. „Mit der Analyse der Wohnungsanzeigen aus allen Presseorganen Wilhelmshavens ließen sich folglich keine Aussagen über die tatsächlichen Mietkosten gewinnen, weil die Anzeigen wesentliche Informationen über die Mietkosten nicht enthielten“, heißt es im Ergebnispapier der Arbeitsgruppe. Und weiter: „Hilfreich waren da die Anfragen bei den Maklern und 3 Wohnungsbaugesellschaften, die Angaben zur Kaltmiete und den Nebenkosten machten.“ Ja, und dann haben die Mitglieder der Arbeitsgruppe fleißig gerechnet sind zu folgenden Ergebnissen gekommen:
Eine 50 m2-Wohnung kostet in Wilhelmshaven durchschnittlich 282,63 €, für 60 m2 zahlt man 348,11 €, 75 m2 kosten 431,67 €, und für 90 m2 sind 522,09 € fällig (es sind hier jeweils die Kaltmieten einschließlich Nebenkosten genannt).
Das sind Durchschnittswerte, und Durchschnittswerte und tatsächliche Mieten sind nicht unbedingt dasselbe. In dieser Untersuchung kommt ein weiterer Unsicherheitsfaktor hinzu: „Kritisch ist zu den angegebenen Kosten für die Kaltmiete anzumerken, dass einige Institutionen Angaben machten, die die Miete von … bis … bezifferten, z.B. bei 4-Personen-Haushalten gibt es die Kaltmietenangabe 580,00 € bis 610,00 €. Diese beiden Werte wurden addiert und durch zwei geteilt, so dass 595,00 € in die Rechnung eingingen. Das kann zu Ungenauigkeiten führen, wenn die Anzahl der teuren Wohnungen die der preiswerteren deutlich übersteigt. Dann läge der Durchschnittspreis unter dem tatsächlich Mietniveau. Der umgekehrte Fall ist ebenso möglich.“
Abschließend stellt die ALI-Arbeitsgruppe fest, dass sie die Angaben der Makler und der Wohnungsbaugesellschaften für einen besseren Spiegel des Wilhelmshavener Wohnungsmarktes hält als die Einzelanzeigen, die wegen der fehlenden Angaben zu den Nebenkosten keine verlässlichen Angaben zu den Gesamtmieten erlauben. Das klingt schlüssig.
Und außerdem klingt schlüssig, was Werner Ahrens zu den städtischen Zahlen gerne sagt: Sie sind „von den Wolken abgelesen“.
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