Aus der Schule geplaudert
Jul 312007
 

Aus der Schule

 

Wow!

Na, dass ich das noch erleben darf! „Norbert Schmidt kritisiert gegliedertes Schulsystem“, lese ich in der WZ am 26.07.07. Er sagt es nicht direkt, aber zwischen den Zeilen klingt die Forderung nach einer gemeinsamen Beschulung aller Kinder durch. „Das gegliederte Schulsystem sei nicht durchlässig genug“, heißt es da, und: „Die CDU/FDP-Landesregierung wolle sich den Chancen der ‚Gemeinsamen Schule’ nicht stellen.“

Und auch Karin Evers-Meyer, ebenfalls SPD, fordert: „Alle Kinder, ob behindert oder nicht, müssten gleichberechtigt unter einem Dach unterrichtet werden.“ (WZ, 12.06.07) Und „die SPD erklärte, das Konzept der ‚Neuen Schule’ (Forderung der Landes-Grünen nach Einführung der gemeinsamen Schule bis zur Klasse 9 bis 2016) gehe in die richtige Richtung.“ (WZ, 13.06.07)
Da fallen mir die endlosen Diskussionen mit Sozialdemokraten vor 30, 35 Jahren ein, in der sie mir immer wieder detailliert „bewiesen“ haben, dass und warum die Forderung nach der Einheitsschule falsch ist und dass ich spinne. So ändern sich die Zeiten!
Und wie war das vor der letzten Landtagswahl, als die SPD noch hoffte, die Regierung weiterhin stellen zu können? Da war doch auch von einer Schulreform die Rede… Ach ja, da sollten statt der Orientierungsstufe Förderstufen an die allgemein bildenden Schulen angegliedert werden. Eigentlich nicht viel anders als das, was Busemann uns dann beschert hat. Wie gesagt, die Zeiten ändern sich.
Und der Sinneswandel der SPD in dieser Frage brauchte ja auch seine Zeit. Manchmal geht so etwas auch schneller. Und manchmal passieren komische Sachen.

Doppelter Salto rückwärts oder List?

Da spricht Werner Biehl (Bündnis 90/Die Grünen) in der Ratssitzung am 18.Juli über Schulen hier und anderswo und sagt: „In Finnland sind knapp 60 Prozent der Schulen kleiner als 50 Schüler, auf dem Lande aufgeteilt in 9 Jahrgänge. Die Klassen haben dort eine Stärke von 3 – 6 Kindern, Kombiklassen sind dort völlig normal und werden nicht diskutiert.“ Er geißelt die Tatsache, dass das Land Niedersachsen mit seinen finanziellen Mitteln und seinen von ihm zugewiesenen Lehrerstunden bestimmt, was pädagogisch sinnvoll sei, kritisiert, dass für Grundschulen die Zweizügigkeit als Mindestmaß für gute pädagogische Arbeit gesetzt wird – nennt zwingende Argumente gegen das Grundschulzentrum Rheinstraße. Und dann erklärt er, dass eben dieses Grundschulzentrum Rheinstraße notwendig sei und dass er dafür stimmt.

Hm… Doppelter Salto rückwärts? Oder ganz besondere List?

Vor seiner Erklärung für das Grundschulkonzept führte Biehl aus: „Die Eltern haben in den letzten Wochen mit den Füßen abgestimmt, welches Schulsystem sie für zukunftsfähig halten. Und es sind nicht die normalen Elemente des dreigliedrigen Schulsystems gewesen, die angesteuert wurden. Ganztagsschule, integratives Schulsystem, mehrjähriges Zusammenbleiben, soziale Entwicklung über die Adoleszenz hinaus, musische und kulturelle Schwerpunkte – das waren die Präferenzen.“ Hintergrund war die große Zahl von Anmeldungen für die IGS (269 aus Wilhelmshaven und 128 aus Friesland bei nur 180 Plätzen).
Biehl weiter: „Dafür brauchen wir Schulen, die diese Optionen entwickeln und ausgestalten können, wo Platz ist für ein Ganztagsprogramm, wo eine Küche installiert werden und eine Mensa vorgehalten werden kann. Wo Platz ist, dass die Kinder deutlich mehr als 4 Jahre zusammenleben können.“
Aha. „Jamaika“ hat das Grundschulkonzept (gegen den eindeutigen Willen des Stadtelternrates) durchgesetzt, um eine dreizügige Grundschule zu bekommen – und die Grünen als Teil von „Jamaika“ haben dabei überhaupt keine dreizügige Grundschule, sondern eine ein- bis zweizügige Gesamtschule von Klasse 1 bis 9 im Hinterkopf? Wirklich listig!

Und sonst? Sparsamkeit …

Bei all der schulpolitischen Aufregung in Wilhelmshaven in den letzten Wochen kann man fast vergessen, was es sonst noch so gab in Niedersachsens Schullandschaft. Da hat Bernd Busemann „mehr Lehrer für die Ganztagsschulen“ versprochen (WZ, 10.07.07), was irre gut klingt, aber lächerlich ist, nachdem inzwischen 546 niedersächsische Schulen einen Ganztagsbetrieb fahren, aber bislang keine einzige zusätzliche Lehrerstunde bekommen haben.
Außerdem will Busemann „Kinder vor Übergewicht schützen“, dafür aber nicht die fehlende 3. Wochenstunde Sport rausrücken, sondern „zusätzliche Angebote“ durch „enge Zusammenarbeit zwischen Schulen und Sportvereinen“, u.a. „von Sport- und Gesundheitsexperten begleitete Aktionstage an den Schulen“, ermöglichen. (WZ, 05.07.07)

… und ein Schock

Und es gab die zentralen Abschlussprüfungen. Mit einem riesigen Flop an den Haupt-, Real- und Gesamtschulen (10. Klasse), wo die zentralen Matheprüfungen so katastrophal ausgefallen sind, dass „50.000 Schüler in Niedersachsen bessere Zensuren“ bekommen mussten (WZ, 26.06.07): Alle Noten in der Matheprüfung an den Realschulen mussten um eine Stufe angehoben werden, weil die Prüfung, irgendwo im Kultusministerium ausgeheckt, deutlich über dem Leistungsniveau lag. Das ist für sich genommen schon witzig genug. Noch witziger jedoch war Busemanns Reaktion: Er nannte dieses Fiasko einen „heilsamen Schock“ für die Schüler!
Klar hatten die RealschülerInnen einen Schock, als in der Matheprüfung eine Aufgabe aus der gymnasialen Oberstufe drankam, aber warum „heilsam“? Das könnte doch wohl eher für den Kultusminister gelten – doch „heilsam“ ist ein Schock ja nur dann, wenn man etwas daraus lernt. Und damit rechne ich bei Busemann eher nicht.

Anette Nowak

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