Alles Theater
Okt 132010
 

Alles Theater: Antonius und andere Liebhaber

2 Premieren der Landesbühne

(iz) Machtgeil und triebgesteuert – so lässt sich das Triumvirat beschreiben, das kurz vor Christi Geburt halb Europa beherrscht: Markus Antonius, Oktavius Cäsar (Ziehsohn von Julius C.) und Lepidus. Sie tun gut daran, einander nicht von 12 bis Mittag zu trauen, erst recht, wenn eine schöne ägyptische Königin wie Cleopatra ins Spiel kommt. Für ein Schäferstündchen mit ihr vergisst Antonius schon mal seine staatsmännischen Pflichten. Das macht Cäsar zu Recht stinkig; wenn es ihm strategisch in den Kram passt, haut er aber auch Lepidus in die Pfanne. Am Ende segelt Toni, getrieben von maßloser seemännischer Selbstüberschätzung in einer Schlacht gegen die ehemals Verbündeten an Cleo’s Rockzipfel in den Untergang.

Soweit, leicht verkürzt erzählt, die Geschichte von Antonius und Cleopatra, die William Shakespeare um 1600 zu Papier und Gerhard Hess jetzt auf die Landesbühne brachte. Satte drei Stunden (inkl. Pause) sind hartes Brot für Akteure und Publikum. Aber hat man sich erstmal in den wunderbar vorgetragenen Shakespeare’schen Sprachduktus reingehört, wird der schnell zum Genuss und der schnelle, spannungsgeladene Szenenwechsel zum Ende der ersten Hälfte machte Lust auf mehr. Im zweiten Teil wird dann allerdings sehr ausführlich gestorben, und man ist doch froh, wenn der letzte Schwertstoß und der ultimative Schlangenbiss endlich ihre Wirkung getan haben. Versüßt wird die zeit- und raumgreifende Inszenierung durch das Bühnenbild von Diana Pähler, ein göttlicher Sternenhimmel aus tausendundeiner Nacht über einem Feld aus Ruinen römischer Machtsymbole, deren einstiger Glanz sich noch erahnen lässt, auf dem die Protagonisten respektlos Lust und Leid, Liebe und Hass austoben.
Dietrich Trapp, bis vor einem Jahr Leiter des Jungen Theaters, ließ sich von Hess für die Hauptrolle des Antonius noch mal nach Wilhelmshaven locken. Er spielt so intensiv, wie er sich mit der Story auseinandergesetzt hat, gleichwohl bleibt er als sympathischer Typ, der er nun mal ist, immer ein bisschen zu gutmütig für einen Imperator. Bei Cleopatra (Verena Karg) fragt man sich, was die Männer an dieser überkandidelten Zicke eigentlich so sinnlich fanden, aber das ist auch eine Frage der Regie. Am überzeugendsten agieren Christian Simon als Octavius Cäsar und Sebastian Moske als Enobarbus, rechte Hand von Antonius und gleichzeitig „Narrator“, Kommentator zwischen Handlung und Publikum. Insgesamt ist „Antonius und Cleopatra“ eine runde Sache, wenn man sich darauf einlässt, und der etwas müde Premierenapplaus war wohl der allgemeinen Erschöpfung geschuldet und der Ungeduld auf die Premierenfeier mit Bauchtanz und verführerischem Buffet von der „Artischocke“.

Weitere Termine im Stadttheater Wilhelmshaven: Mittwoch, 13.10. / Dienstag, 2.11. / Montag, 29.11. / Samstag, 11. 12. jeweils um 20 Uhr

Der Liebhaber

Auch um Liebe und Triebe, aber deutlich intimer geht es auf der Studiobühne zu. Bereits in den 1960er Jahren schrieb der britische Nobelpreisträger Harold Pinter das Stück Der Liebhaber, aber das Thema, wie man/frau die langjährige Ehe oder Partnerschaft spannend erhält, bleibt wohl immer aktuell. Auch hier schuf Diana Pähler mit ihrem Bühnenbild den gelungenen Rahmen: Auf der einen Seite der wohlgeordnete Käfig des gutbürgerlichen Ehelebens zwischen breakfast und dinner, auf der anderen Seite, in deutlicher Schieflage, über die auch das unschuldige Weiß der Bettwäsche nicht hinwegtäuscht, das Schlafzimmer – beide Räume konstruktiv untrennbar ineinander verschränkt. Dazwischen bewegen sich, zunächst noch etwas distanziert, später deutlich warmgespielt Axel Julius Fündeling (Richard) und Sara Spennemann (Sarah). Seit 10 Jahren verheiratet, gutbürgerliches, dörfliches Leben, aus dem Harold zu seinem SchlipsundKragen-Job in London pendelt, während Sarah den Haushalt schmeißt. Oder? Oder empfängt sie nachmittags ihren Liebhaber, während er auf dem Heimweg noch bei einer Prostituierten sein sexuelles Glück sucht? Und beide wissen gegenseitig davon?
Was die „Seitensprünge“ der beiden viel einfacher und prickelnder macht: Sie übernehmen selbst die Rollen ihrer jeweiligen Liebhaber. Doch dieses jahrelang erprobte und eingefahrene Spiel fängt an, kompliziert zu werden, als Harold gewissermaßen auf seine eigene Rolle eifersüchtig wird …
Regisseur Olaf Strieb führt die Zuschauer auf eine Reise durch Untiefen und Abgründe ehelicher bzw. langjähriger Paarbeziehungen, die auch nach dem unerwartet optimistischen Ende ihre Spuren hinterlässt.

Weitere Aufführungen: Sa., 16.10. / Sa., 13.11. / Mi., 1. 12. / Sa., 18. 12. jeweils um 20.00 Uhr im Studio, Rheinstr. 91

 

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