Stadtrat
Nov 201996
 

Menzel bleibt – Hofmann kommt

Eindrücke von der konstituierenden Sitzung des neugewählten Stadtparlaments

(hk) Daß die ‚Regierungsbildung‘ nach der Kommunalwahl nicht ganz einfach sein würde, war allen klar. Auch der Gegenwind konnte in der letzten Ausgabe nur ‚wer mit wem‘-Spekulationen anstellen. Daß sich diese Spekulationen im Nachhinein als richtig erweisen würden, war klar. Natürlich wird sich in Wilhelmshaven nichts ändern – außer, daß der narzißtische neue Bürgermeister Focke Hofmann dem Eberhard so manche Schirmherrschaft entreißen wird.

Die erste Ratssitzung

Das Rathaus gleicht einer Festung: Überall stehen die schwarzen Sheriffs vom Sicherheitsdienst HIS, auf der Treppe zum Ratssaal hat sich die gesamte Prominenz der politischen Polizei eingefunden. Es entsteht der Eindruck, daß Helmut Kohl und der Papst jeden Moment eintreffen werden. Doch die Armee wurde nur aufgefahren, um die in den Rat gewählten Republikaner vor den Wilhelmshavener Antifaschisten zu schützen. Aber die AntiFa glänzte durch Abwesenheit – und die versammelten Sicherheitskräfte konnten mit freundlichem Lächeln und immer wichtigem Gesichtsausdruck, däumchendrehend ihre Sprechfunkgeräte bedienen.

Der erste Hammer

Die Reps, mit zwei Vertretern in den Rat gewählt, haben Anspruch auf einen Sitz im Finanzausschuß und auf Teilnahme an allen Ausschüssen. Doch, welch Glückes Geschick, der Rep-Ratsherr Münch erklärt vor der Ratssitzung seinen Austritt aus der Gruppe der Republikaner und gehört damit dem Rat nur noch als parteiloses Einzelmitglied an. Das heißt, daß die Reps bei der Ausschußbesetzung kein Sterbenswörtchen mitreden dürfen. Noch am selben Abend wird Münch allerdings wieder Republikaner.

Der Handschlag

Der noch amtierende Ratsvorsitzende Eberhard Menzel schwört als letzte Amtshandlung die Ratsmitglieder auf Verschwiegenheit ein, er liest ihnen vor, daß sie keine Geheimnisse verraten dürfen usw. Anschließend müssen alle Ratsmitglieder im Gänsemarsch am Oberbürgermeister vorbeilaufen und per Handschlag den Bund besiegeln.

Der OB wird gewählt

Nun heißt es für Eberhard Menzel, das Zepter des Ratsvorsitzenden an das älteste Ratsmitglied abzugeben. Walter Schulz erklimmt den Thron und erklärt dem Rat, wie eine geheime Wahl abzulaufen hat: „Sie müssen ihr Kreuz hinter dem Namen des Kandidaten machen, für den Sie stimmen. Sie brauchen den Wahlzettel nicht zu unterschreiben.“ Eberhard Menzel wird mit der ihm zur Verfügung stehenden 1-Stimmen-Mehrheit zum Oberbürgermeister gewählt und darf wieder auf seinem geliebten Stuhl Platz nehmen.

Beigeordnete

Es geht an die Wahl der Beigeordneten. Das ist praktisch die ‚Regierung‘ der Stadt. Angesichts der leeren Stadtkasse wird die Zahl der Beigeordneten von 9 auf 11 erhöht. Da gibt es eine Gegenstimme von der Opposition; doch Wilfried Adam verkündet, daß es der ureigenste Wunsch des Ministerpräsidenten sei, daß Wilhelmshaven 11 Beigeordnete hat. Die Stimm-Maschinerie läuft an: Vorschlag angenommen.

Eine neue Satzung

Focke Hofmann als Repräsentant der parteimüden Bürger will natürlich mehr Bürgernähe. Deswegen beginnen zukünftige Ratssitzungen erst um 17 Uhr. Gleichzeitig soll dem Bürger die Möglichkeit gegeben werden, mit dem Rat zu diskutieren. Diese Fragestunde nach der Ratssitzung war für die CDU/Grünen-Gruppe Anlaß für einen Änderungsantrag: Die Bürger sollen vor einer Ratsentscheidung mit den Politikern reden können – und nicht hinterher, wenn alles entschieden ist. Eigentlich logisch. Doch auch hier griff wieder die Stimm-Maschine: Mit den Stimmen der UWB wurde dieser Antrag abgelehnt. Was tut man nicht alles, um seinen Bart vor Kaninchenzüchter- und anderen Vereinen zwirbeln zu können.

Der Bürgermeister wird gewählt

Hofmann gegen Gottschalk. Vor der Ratssitzung kursierte im Zuschauerraum das Gerücht, daß mehrere SPD-Fraktionsmitglieder Hofmann ihre Stimme nicht geben würden – doch dieses Gerücht wurde als unglaubwürdig zurückgewiesen: Wer sollte denn in der SPD-Fraktion den Mut haben, seine Meinung zu sagen? Und so kam es genau andersherum. Focke Hofmann bekam noch eine Stimme mehr als der Oberbürgermeister!

Die Ausschüsse

Ausschüsse werden ‚gegriffen‘ – den ersten Ausschuß greift sich die stärkste Partei, den zweiten die zweitstärkste usw. Dieses Greifen nach Ausschüssen bzw. deren Vorsitzen, war auch der Grund für die Grünen, sich mit der CDU zu einer Gruppe zusammenzutun – als Gruppe kann man besser und mehr greifen. Nun hat dieses Verfahren den Nachteil, daß es nicht unbedingt die fachlich versiertesten Leute sind, die den Vorsitz über einen Ausschuß bekommen. Ein gutes Beispiel dafür ist der Kulturausschuß: Vorsitzender Ingo Liermann. Liermann, sicherlich ein Peter Hofmann- und Justus Frantz-Fan, der schon zweimal das Phantom der Oper gesehen hat.
Diese Streiflichter aus der ersten Ratssitzung beleuchten, daß in Wilhelmshaven wohl alles so bleiben wird, wie es war.
Es gibt im Rat keine politische Kraft, die bereit oder in der Lage wäre, eine Zukunftspolitik für Wilhelmshaven zu realisieren. Wir werden auch in Zukunft mit den Ideen der Rats- und Verwaltungsleute leben müssen, die sich für ein gutes Mittagessen vor jeden Karren der Hafenmafia und anderer Lobbyisten spannen lassen.

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