26380 Schilda
Mehr guter Wille als Sachverstand in der Stadtverwaltung
(noa) Wilhelmshaven, das wissen wir längst, hat eine Wiederbesetzungssperre für freiwerdende Stellen. Stellenabbau passiert nicht, wo es Sinn macht, sondern wo jemand kündigt oder in Rente geht. Nach diesem Prinzip könnten theoretisch ganze Ämter schließen müssen, während andere gar keine Reduzierung hätten.
Im Verlauf des Jahres 1995 gingen drei städtische Bedienstete in den Ruhestand, die als Pförtner nebenher den Fahrstuhl im Rathaus bedient und BesucherInnen Auskünfte erteilt hatten. Eine gute Gelegenheit zu einer Modernisierungsmaßnahme! Wozu so eine antiquierte Einrichtung wie die eines Fahrstuhls mit Liftboy?
Weil so eine Maßnahme gut durchdacht werden muß, überbrückte man die Zeit bis zum Beginn der Umrüstung mit ABM-Kräften. Aber dann im Januar war es soweit: Der Fahrstuhl wurde auf Selbstbedienung umgestellt. So wurde außen ein Rufknopf angebracht, da der Lift ja nicht immer gerade in dem Stockwerk ist, wo jemand ihn besteigen will. Man dachte sogar an behinderte RathausbesucherInnen: Die Bedienungsknöpfe wurden tiefer gelegt, und eine Konsole für blinde BenutzerInnen wurde eingebaut.
Als die Umrüstung abgeschlossen war, erwies sie sich jedoch als Schildbürgerstreich. Es stellte sich heraus, daß die Planer es zwar gut gemeint, es jedoch offensichtlich versäumt hatten, die einschlägigen Richtlinien zu studieren. Da hätten sie nämlich nachlesen können, wie ein behindertengerechter Fahrstuhl auszusehen hat.
Und nun ist es so, daß ein Rollstuhlfahrer, der mindestens mittelgroß ist, die Bedienungsknöpfe erreichen kann – immer vorausgesetzt, er kommt überhaupt in die Fahrstuhlkabine hinein. Das werden aber nur die ganz sportlichen Behinderten schaffen, da die Tür sehr schwer ist. Vielleicht mit Absicht? Hat man da vielleicht daran gedacht, daß Kinder, verführt durch die nun erreichbaren Knöpfe, allein den Fahrstuhl benutzen wollen könnten, und wollte man sie vor der Gefahr schützen, sich die Finger an der viel zu schnell schließenden Innentür einzuklemmen?
Kinder sind ja bekanntlich begeisterte AufzugbenutzerInnen. Wer hat das nicht schon mal erlebt: Kinder, die stundenlang rauf- und runterfahren, weil das so schön kribbelt im Bauch? Die Blinden haben dieses Vergnügen
jetzt auch. Sie können den Fahrstuhl selbst bedienen. Nur – sie erfahren mangels eines akustischen Signals niemals, ob sie im richtigen
Stockwerk angekommen sind.
Norbert Weinberg, Vertrauensmann der Schwerbehinderten bei der Stadt Wilhelmshaven, hat in einem Schreiben an den Oberstadtdirektor mit Durchschriften an den Behindertenbeirat und den Sozialausschuß die Mängel aufgezeigt und um Abhilfe gebeten. Mangels Geld und aufgrund baurechtlicher Probleme wird das allerdings dauern. Das Geld kann in den nächsten Monaten zusammenkommen: Die Behinderten, die Eingliederungshilfe beantragen wollen, kommen ja
erst gar nicht in das zuständige (nicht tiefer gelegte) Büro.
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