Ausschuß für besondere Angelegenheiten
Mrz 271996
 

Außer Spesen nix gewesen?

Ein Resümee zum „Ausschuß für besondere Angelegenheiten“: Ein sonderbarer Ausschuß allemal

(iz) Die Idee schien ja ‚anfangs ganz gut: Die Klärung der Verwirrungen und Verstrickungen rund um den Verkauf der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Jade nicht der Wilhelmshavener oder anderen Zeitungen oder den Verstrickten zu überlassen, sondern dem Rat der Stadt. Der gründete Ende letzten Jahres flugs einen „Ausschuß für besondere Angelegenheiten“, der sich aus Vertreterinnen aller Ratsfraktionen zusammensetzte.

Bei allem Wohlwollen: es war doch nur ein Hobbytribunal, das sich da versammelte. Auch wenn einige Ratsmitglieder Juristen sind und der städtische Rechtspfleger, Herr Stoffers, beratend zur Seite stand – ein Sonderausschuß des Rates besitzt weder fachliche Qualifikationen noch ausreichende Rechtsmittel für die Rechtsfindung. Zudem blieb unklar, welche der zur Aussage geladenen Gäste nun Zeugen oder „Angeklagte“ waren. Letztere konnten sich deshalb frohgemut dem Thing stellen, konnten frei von der Seele weg dementieren oder Gedächtnislücken vortragen, ohne daß das Damoklesschwert des Meineides gedroht hätte, ohne daß jemand die Aussagen ernsthaft und gefährlich hätte hinterfragen, gegenüberstellen und auseinandernehmen können.
Es gab durchaus gute Versuche, Fangfragen zu stellen. Doch die Befragten hatten ihre Rollen so gut einstudiert, daß sich keiner in den Fußangeln verfing, die vor allem Ratsherr Focke Hofmann eifrig knüpfte. Und keiner räumte nur einmal ein, einen Fehler begangen zu haben, obwohl das doch nur allzu menschlich ist. So wie z.B. Bauunternehmer Bernhard Rech in der WZ einräumte, daß er Geschäfte mit rechtsradikalen Immobilienhändlern macht – deswegen ist er ja kein von Grund auf schlechter Mensch. Er ist zumindest ehrlich, und das macht ihn schon wieder sympathischer als diejenigen Stadtoberhäupter, die behaupten, sie wüßten noch nicht einmal, wie diese stadtbekannten Immobilienhändler aussehen.
Kämmerer Wolfgang Frank, Zentralfigur in den Verhandlungen um die „Jade“, spielte den verhinderten, verkannten und deshalb gekränkten Retter der Region, agierte teils aggressiv, teils cool und so oberlehrerhaft, daß man sich fragte, wer da eigentlich wen vorzuführen hat: der Richter den Beschuldigten oder, wie hier, umgekehrt.
Und alle konnten sich daraufberufen, daß sie zur Nichtaussage legitimiert sind. Herr Frank z.B., weil sein Disziplinarverfahren noch schwebte, das ganz geheim ist. Dabei hatte er sich selbst angezeigt, um seine Unschuld zu beweisen. Selbst- und Strafanzeigen nahmen bald epidemische Ausmaße an. Der Ausschuß befaßte sich neben der Trögeler-Affäre bald mit weiteren besonderen Angelegenheiten, so mit dem Artikel in der Süddeutschen Zeitung (SZ), in dem der „Dreckige Sumpf‘ Wilhelmshaven, trockengelegt durch Jahre des Vergessens, über Nacht wieder vernäßt worden war. Der Oberbürgermeister und der Oberstadtdirektorverklagten die SZ auf eine Gegendarstellung. Zu deren Abdruck ist die Zeitung presserechtlich verpflichtet, ohne daß der Wahrheitsgehalt des Artikels damit tatsächlich hinterfragt würde. Dies wäre erst bei einer Strafanzeige der Fall. Zu diesem Mittel griff der WZ-Verleger Adrian, weil er in dem Artikel als „Republikanerfreund“ bezeichnet wurde. Pech gehabt: er verlor den Prozeß. Daraufhin stellte er, wie auch OB Menzel, Strafanzeige gegen die Autoren Günter Handlögten und Henning Venske. Schließlich zeigten sich die Grünen-Mitglieder Gerd Kläne und Marianne Fröhling an, weil sie bezichtigt wurden, Hauptinformanten der Autoren gewesen zu sein.
So hatte der Ausschuß und die sich darum rankenden Auseinandersetzungen zumindest für Juristen einen praktischen Nährwert in Form von Honoraren. Doch für die Stadt und ihre Bürgerinnen? Ein Umlandmagazin bezeichnete Wilhelmshaven kürzlich satirisch als das größte Freilichtkabarett der Bundesrepublik (was Pressesprecher Konken so erboste, daß er schon wieder das Pressegesetz hochhielt). Der Ausschuß für besondere Angelegenheiten wäre die überdachte Fassung des Spektakels, denn er besaß wirklich einen hohen Unterhaltungswert, der bis zum Schluß einige interessierte Bürger bei der Stange hielt. Köstlich zum Beispiel die Einlage von Rechtsanwalt Bolko Seifert, der als Anwalt von Trögeler sicher Interessantes zu berichten gehabt hätte. Mit fast einstündiger Verspätung lieferte er einen Drei-Minuten-Auftritt, in dem er den Ausschuß wissen ließ, daß er seinem Ex-Mandanten gegenüber an die Schweigepflicht gebunden ist und nun rein gar nichts dem Ausschuß mitteilen dürfte. Das hätte er natürlich auch am Telefon schon verraten können oder, wenn ihm an der Sache echt gelegen wäre, hätte er sich durch seinen Mandanten von der Schweigepflicht entbinden lassen können. Noch komischer war, daß ihn der Ausschußvorsitzende für diesen Schildbürgerstreich nicht rügte, sondern ihm für die „Erfüllung seiner Bürgerpflichten“ dankte.
Kabarett mitfreiem Eintritt? Mitnichten. Jeder Ausschuß kostet die Steuerzahler dieser Stadt Sitzungsspesen satt. Und die hätten hier eigentlich aus den Wahlkampfkassen der Parteien bezahlt werden müssen. Denn am Ende hatte der Ausschuß nicht das erhoffte, aber ein anderes Ergebnis, um nicht zu sagen, nur einen Zweck: alle Mitglieder der SPD und der Verwaltung, die in der Geschichte vorkommen, sind reiner denn je zuvor. Der Ausschuß fand nämlich zur falschen Zeit statt. Oder, je nach Sichtweise, zur richtigen. So kurz vor der Kommunalwahl nutzten die Parteien die Gelegenheit, sich öffentlich noch mal richtig gegenseitig zu zerfleischen. Auch das ist ein Ergebnis des Ausschusses, das OB Menzel in der vorletzten Sitzung trefflich zusammenfaßte: es wurde deutlich, welch unerträgliche Umgangsweise die Mitglieder verschiedener Parteien miteinander pflegen.
Da wurden sich Schwerbehinderungen als Beleidigung an den Kopf geworfen, da wurde sich lustig gemacht über jene, die immer wieder viele Fragen stellten. Und keiner blieb verschont. Ratsherr Focke Hofmann war eigentlich fein raus, er kam ja bis dato in keiner der Affären vor – sei es, weil er sich zurückhalten wollte, um erst bei positiver Entwicklung auf den fahrenden Zug aufzuspringen, sei es, weil tatsächlich mal alles an ihm vorbeigegangen ist.
Da kam in der letzten Sitzung noch ein Zeuge aufs Tablett, der gesehen haben will, wie Hofmann im – für konspirative Sitzungen allseits beliebten – Hotel am Stadtpark mit einem stadtbekannten Rechtsradikalen aus einem Raum kam. Hofmann griff daraufhin den OB an, weil der diesem Zeugen zwecks Bestätigung der Aussage hinterhertelefoniert hatte, ohne Hofmann selbst zu informieren. Menzel schob wieder Hofmann den Schwarzen Peter zu, weil der durch seinen Angriff im Ausschuß den Vorfall erst öffentlich gemacht hätte. Die bibelfeste Ratsfrau Ursula Aljets hatte den Ausschuß anfangs mit Bibelzitaten aufgelockert. Diesmal vergaß sie zu sagen: „Und wer von Euch frei von Sünde ist, der werfe den ersten Stein…“
Trotzalledem: Unser OB kann wieder richtig lächeln. Steht er doch an der Spitze der Rehabilitierten. Es ist unerheblich, daß der Ausschuß überhaupt nicht der Wahrheitsfindung gedient hat: Keine Behauptung, ob sie nun den OB, den Kämmerer oder wen auch immer betrifft, ist durch den Ausschuß bestätigt, aber auch nicht widerlegt worden. Wichtig ist, wie die Ergebnisse in der WZ verkauft werden. Und in den Abschlußberichten. Wohlgemerkt: Berichten, Mehrzahl. Denn der Ausschuß kriegt nicht mal einen einheitlichen Bericht zustande, sondern jede Fraktion bzw. Gruppe bastelt den ihren. Oder hatte ihn schon fertig gebastelt in der Schublade. Während die CDU sich außerstande sah, in den wenigen Tagen bis zur Ratssitzung, auf der die Ergebnisse vorgetragen werden sollen, die dicken Wortprotokolle zu analysieren und zusammenzufassen, drängte die SPD/FDP-Gruppe auf Eile.
Die letzte interfraktionelle Redaktionssitzung war wohl ein einziges Mißverständnis. Die SPD/FDP-Gruppe legte dem Rat einen gemeinsamen Abschlußbericht vor, der von den anderen Gruppen gar nicht als gemeinsamer gesehen wurde. Sie werden die Sache in der nächsten Ratssitzung nochmals aufrollen. So legt jede Gruppierung ihre eigene, wahlkampftaugliche „Wahrheit“ vor. Wen wundert’s: die politische Waschanlage hat nur ausgewählte Beteiligte erfaßt. Interessierte BürgerInnen, die die Arbeit des Ausschusses verfolgt haben, fragen sich ohnehin, ob sie in denselben Ausschußsitzungen gesessen haben wie die Verfasser des Abschlußberichtes.
Jetzt müßten sie eigentlich nur noch die Fenster des Rathauses zumauern, um die Dinge auf den Punkt zu bringen: Das spart nicht nur Heizkosten, sondern macht auch dem dümmsten Bürger deutlich, daß er nur Zuschauer eines Theaterstücks und von dem ausgeschlossen ist, was hinter den Kulissen passiert.

 

Folgendes Papier legte die SPD/FDP-Gruppe dem Rat der Stadt am 20.3.96 vor:
Entwurf eines Abschlußberichtes ‚Ausschuß für besondere Angelegenheiten’
Der Auftrag des Rates lautete: ‚Klärung von Vorwürfen gegen Mitglieder des Rates sowie der Verwaltung der Stadt Wilhelmshaven im Rahmen der Vertragsverhandlungen zum Verkauf von Anteilen der Jade Wohnungsbaugesellschaft von Mai 1995 bis zum Abbruch der Verhandlungen und der Vorgänge, die zu dem am 20.10.1995 in der Beilage der Süddeutschen Zeitung veröffentlichten Artikel geführt haben.‘

Zu den Vorgängen um die Süddeutsche Zeitung

ergibt sich für die SPD/FDP-Mitglieder des Ausschusses folgende Bewertung: Die Ausschußarbeit hat ergeben, daß die in dem Magazin gemachten Vorwürfe gegen Oberbürgermeister Eberhard Menzel, Wilfried Adam, MdL, und die Mitglieder der Verwaltung der Stadt Wilhelmshaven jedes Anhaltes entbehren.

1. Es hat seitens des Oberbürgermeisters keine Kontakte zur rechtsradikalen Szene gegeben.
2. Menzel und Adam haben nicht an der im Magazin beschriebenen Fahrt nach Herzlake teilgenommen und waren auch niemals in Herzlake.
3. Die in dem Bericht zur ehemaligen Deponie an der Kirchreihe gemachten Aussagen sind im Ausschuß für besondere Angelegenheiten und im Bau- und Umweltausschuß durch die Verwaltung und die unabhängigen Gutachter eindeutig widerlegt worden.
4. Die von den Ratsmitgliedern Kläne und Fröhling zum Thema ‚Kontakte des Oberbürgermeisters zur rechtsradikalen Szene‘ und ‚Stadion Friedenstraße‘ weitergegebenen Äußerungen haben sich durch Zeugenaussagen (Frau Meyer, der Herren Baar, Wille und Willmann) als falsch erwiesen.
Schlußfolgerung: Wir schließen uns den von dem Herrn Ratskollegen Hofmann am 2.2.1996 .. . gemachten Äußerungen an: ‚Also, ich möchte .. :für den Ausschuß feststellen, daß diese Aussage von Herrn Baar Herrn Kläne bekannt war, vor seiner entsprechenden, ich will nicht sagen Vernehmung, aber seines Auftrittes hier in diesem Ausschuß. Und das … ist für mich nicht nur besonders bemerkenswert, sondern … für ein Mitglied des Rates müßte es in diesem Sinne auch ein Nachspiel geben‘ … ‚ ich fühle mich … vorgeführt in dem Sinne, daß … ein Ausschußmitglied, … Informationen hat, diese offensichtlich aus politischen Gründen vorenthält, und nachdem also die Beweisführung herausbringt, daß an dieser ursprünglichen Feststellung in der Süddeutschen Zeitung nichts dran ist, dann die Flucht nach vorne antritt.‘
… Die weitere Aufklärung dieser Angelegenheit ‚Süddeutsche Zeitung‘ wird durch die Gerichte erfolgen müssen.

Zu den Vorgängen um den Verkauf von Anteilen der Jade-Wohnbaugesellschaft

Es war Aufgabe der Verwaltung, den … Prüfauftrag ‚Verkauf von städtischen Anteilen an Gesellschaften‘ umzusetzen. Zu diesem Prüfauftrag ist nach den Ergebnissen des Sonderausschusses anzumerken, 1. daß er von der Verwaltung nicht genügend spezifiziert worden war und in der Dezernentenkonferenz offenbar keine Planung zur Umsetzung existierte,
2. daß der Austausch von aktuellen Informationen und die Festlegung einer Verhandlungsstrategie innerhalb der Verwaltungsspitze nur unzureichend war,
3. daß . . . Gespräche in der Sommerzeit in zu öffentlicher Atmosphäre stattgefunden haben, und daß damit in der Öffentlichkeit der Eindruck
von ‚fehlender Distanz‘ zwischen den Verhandlungsführern erweckt wurde,
4. daß die VA-Information als erste Information auseichend war. Damit war jede Fraktion über die Grundzüge des geplanten Geschäftes informiert. Keine Fraktion hat bis Anfang September einen Abbruch der Verhandlungen gefordert. Im nachhinein halten wir bei Geschäften in derartigen Größenordnungen eine interfraktionelle Informationsbegleitung allerdings für empfehlenswert.
5. daß … der von der Verwaltung gesetzte Zeitplan nicht hätte eingehalten werden können. Deshalb ist es unverständlich, weshalb der Rat der Stadt unter Zeitdruck gesetzt wurde,
6. daß die Befragungen im Ausschuß ergeben haben, daß gegen die Person des Investors geschäftlich nichts Nachteiliges während der Verhandlungen festgestellt wurde. Zu den Vorwürfen des CDU-Fraktionsvorsitzenden wegen der angeblichen Konkurse wird sich der Ausschuß nicht äußern, da diese Äußerungen anscheinend gerichtsanhängig sind
7. daß für die“ SPD/FDP-Mitglieder des Ausschusses nicht ausreichend aufgeklärt werden konnte, von wem die Initiative zur beabsichtigten Absetzung des Vorstandsvorsitzenden der Sparkasse ausging. Für die Ausschußmitglieder gab es keinerlei Anlaß, über die Absetzung des Vorstandsvorsitzenden nachzudenken, da er in der gesamten Angelegenheit in keiner Weise negativ involviert war
8. daß das Einbeziehen von Außenstehenden aus Politik und Wirtschaft, um bei einem derartigen Geschäft auch eine ‚atmosphärische‘ Ebene zu schaffen, für hinnehmbar gehalten wird, allerdings darf nicht der Eindruck einer zu engen emotionalen Bindung der begleitenden Personen entstehen
9. daß … keiner der Beteiligten persönliche Vorteile erlangt hat. Es ist allerdings kritisch zu sehen, wie Dienstreisen durchgeführt werden und wir halten es auch für bedenklich, wenn ein Mitglied des Aufsichtsrates einer städtischen Gesellschaft für diese notariell tätig wird.
Bei den „Trögeler-Verhandlungen“ ist man über die 1. Phase – Kontaktgespräche, Sondierungsgespräche, Vorabsprachen – nicht hinausgekommen. Dem Verwaltungsausschuß hat kein ‚Papier‘ vorgelegen. Der Oberstadtdirektor hat den Verwaltungsausschuß informiert, daß die Verwaltungsspitze die Verhandlungen abbricht. Mit der Darstellung seiner Gründe fand er die Zustimmung des Ausschusses.
Schlußfolgerung
1. Wir erwarten von der Spitze der Verwaltung, daß sie auch in Zukunft jede Möglichkeit nutzt, um die finanzielle Situation der Stadt zu verbessern. Dies erfordert, Kontakte herzustellen und zu vertiefen; Klärung in Gesprächen, auch unter Mithilfe anderer Bürger und Ratsmitglieder, was zu erreichen ist, herbeizuführen. Der Zeitrahmen zur Beschlußfindung ist ausreichend festzulegen.
2. Der Rat sollte erwägen, Randbedingungen wie im Fall Jade (Entscheidungsvorbehalt bei Mieterhöhungen und Verkäufen, keine Belastung Wilhelmshavener Immobilien) von vorn herein zu formulieren und der Verwaltung vorzugeben.“

 

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