Gegenwind-Gespräch: Personalrat der Stadt
Mrz 271996
 

Stellenabbau durch Verwaltungsreform?

Der Gegenwind sprach mit ÖTV-Personalräten der Stadt über die Verwaltungsreform

(noa) Wir berichteten im letzten GEGENWIND über die Verwaltungsreform bei der Stadt Wilhelmshaven, die in der Ratssitzung im Dezember ohne Gegenstimmen beschlossen. worden ist, daß Veränderungen in unserer Stadtverwaltung notwendig sind, bezweifeln weder die Beschäftigten noch die BürgerInnen.

In den vergangenen 13 Jahren sind über 400 Arbeitsplätze abgebaut worden. Da diesem Abbau eine Wiederbesetzungssperre zugrunde liegt, ist er nicht planvoll, sondern nach dem Zufallsprinzip erfolgt – wo jemand gekündigt hat, in den Ruhestand eingetreten ist oder verstorben ist, ist der Arbeitsplatz einfach unbesetzt geblieben. Dadurch hat sich eine erhebliche soziale Schieflage ergeben. Die Abteilungen sind nicht gleichmäßig betroffen, sondern der Abbau hat hauptsächlich in Ämtern mit hoher Altersstruktur, mit hoher körperlicher Belastung und mit hohem Frauenanteil stattgefunden. Gleichzeitig haben die verbliebenen Beschäftigten einen Aufgabenzuwachs erlebt, sei es durch neue Verordnungen, sei es z.B. im Sozialbereich durch die Zunahme der Arbeitslosigkeit. Mehrarbeit für die MitarbeiterInnen, längere Wartezeiten für die Menschen, die die Verwaltung in Anspruch nehmen, das hat zu großer Unzufriedenheit geführt. Im Sozialamt achtet jetzt schon ein Wachmann darauf, daß „nichts passiert“.
Wie die Mitarbeiterbefragung der Beratungsfirma KGSt consult, die dem Einstieg in die Reform vorgeschaltet war, ergab, krankt die Stadtverwaltung außerdem an einer Veraltung der technischen Einrichtungen und an Defiziten in der Personalführung und im Bereich der Aus- und Weiterbildung. Und dass die Räumlichkeiten der Verwaltung z.T. erheblich sanierungsbedürftig sind, ist anlässlich des Schimmelpilzes im Sozialamt schon vor einiger Zeit bekannt geworden.
All dies ist der desolaten finanziellen Lage Wilhelmshavens geschuldet. Die Reform steht unter dem Zeichen der leeren Kassen. Sie soll auf jeden Fall Einspareffekte bringen. Da liegt die Frage nahe, ob das Wort „Verwaltungsreform“ nur ein anderes Wort für Rationalisierung ist.
Was unter diesen Bedingungen am Ende bei der Umstrukturierung herauskommen kann, wie der Reformprozeß anläuft und wie die Beschäftigten vor weiteren Einschnitten geschützt werden können, darüber sprachen wir mit den Personalratsmitgliedern Dieter Kanth, Bernd Kühler, Karl-Heinz Quast und Dieter Gutschmidt.

Gegenwind: Wie gestaltet sich die Beteiligung des Personalrates an der Verwaltungsreform?
Kanth: Wir beteiligen uns, wenn wir wissen, wie die Zielsetzung aussieht und wie die Beteiligung der Beschäftigten organisiert wird. Im Moment sitzen wir noch nicht drin in dem Boot, sondern informieren uns. Angesichts dessen, was hier in den letzten 13 bis 14 Jahren passiert ist, sind wir eher skeptisch.

Reformen haben eine lange Tradition im Öffentlichen Dienst

Gegenwind: Ist das Wort „Verwaltungsreform“ nur ein Synonym für „Sparpolitik“?
Kanth: So sieht es aus. Erst im Februar hat der Rat beschlossen, weitere 88 Stellen abzubauen – auch dieser Abbau durch Wiederbesetzungssperre wird nach dem Rasenmäherprinzip stattfinden. Reformen haben in der öffentlichen Verwaltung eine lange Tradition. Es hat ja schon seit den 70er Jahren mehrere Reformversuche im Öffentlichen Dienst gegeben, aber wir müssen feststellen, daß die Hoffnungen und Erwartungen, die in diese Reformen gesetzt worden sind, im umgekehrt proportionalen Verhältnis zu den Ergebnissen standen. Beharrlichkeitstendenzen und Trägheitsprinzip in der Verwaltungshierarchie haben bis jetzt jede Reform verhindert, und da ist es verständlich, daß die Beschäftigten eher skeptisch sind. Was hoffen ließe, wäre eine neue, gut ausgebildete, unverbrauchte und für notwendige Neuerungen aufgeschlossene Generation.

Gegenwind: Damit sieht es aber schlecht aus – ohne Neueinstellungen.
Kanth: Eben. Wo soll die neue Generation herkommen, wenn aufgrund von Einstellungsstop kaum Auszubildende übernommen werden? Bei der Reform kommt es eben nicht auf technokratische Strukturen, sondern auf Mitarbeiter, auf Menschen kommt es an. Es sieht aber so aus, als ob diese Reform nur auf schnelle Kostenreduzierung und noch schnellere Rationalisierungseffekte baut. Gerade jetzt im Jahr der Kommunalwahl dürfte es für viele Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung nur um die Frage gehen, wie man sparen kann, ohne sich zu unpopulären Einschnitten, z.B . durch Aufgabenabbau, Schließung von Einrichtungen oder Gebührenerhöhungen bekennen zu müssen. Und eine Reform, die unter diesem Vorzeichen steht, hat es schwer, Skeptiker für die notwendigen Neuerungen zu begeistern. Man darf nicht übersehen, daß Rationalisierungen oft auch eine Frage von Investitionen sind, daß Reformen zusätzliches Personal erfordern, und vor allem, daß Erfolge nur mit den Beschäftigten und nicht gegen sie möglich sind.

Gegenwind: Die Beschäftigten sind aber doch eingebunden. Sie nehmen doch an den Arbeitsgruppen teil.
Kanth: Zum Teil sitzen nur Beschäftigte und Personalräte in den Arbeitsgruppen, nicht aber die Leute, die dann hinterher die Entscheidungen fällen.

Gegenwind: Aber ist das denn nicht gut so? Wenn die, die es betrifft, in der Arbeitsgruppe sind und erarbeiten, wie man es am sinnvollsten anpackt, dann entsteht doch der Schwung.
Kanth: Es muß auch die Ebene der Entscheidungsträger vertreten sein.
Kühler: Ich habe in Arbeitsgruppen, an denen ich teilgenommen habe, schon Begeisterung erlebt. Der Berater von der KGSt, der moderiert die Sitzungen ja nur. Und die Mitarbeiter tragen zusammen, was für Probleme sie sehen und was geändert werden müßte. Und bei der ganzen Verdichtung, die wir in den letzten Jahren hatten, können wir da selbstbewußt auftreten. Wir brauchen uns nicht zu verstecken und uns prügeln zu lassen als öffentlicher Dienst, der angeblich nichts tut. Aber die Amtsleiter saßen dabei und sagten gar nichts. Die Kollegen in den Arbeitsgruppen wissen, daß Modernisierung notwendig ist, und sie wollen sie auch. Aber wenn es z.B. um neue Computer geht – alle wissen, daß kein Geld da ist. Das kann dann doch nur über Personaleinsparungen gehen. Und die CDU sagt ja, daß weiterer Personalabbau kommen muß.
Quast: Das ist der Einstieg ins Mobbing. Da wird das schwächste Glied in der Kette ausgeguckt.

Die Kehrseite der Reform

Gegenwind: Damit sind wir bei der dezentralen Ressourcenverantwortung. Ist das denn schon so, daß unter dem Zeichen der Reform in den Ämtern nachgeschaut wird, wen man am ehesten loswerden kann?
Kanth: Das hat eigentlich gar nichts mit der Reform zu tun, das geschieht unter dem Zeichen des Stellenabbaus. Es ist ja so, daß die Bereiche jetzt immer kleiner werden, und wegen der Budgetierung versucht jeder Bereich sich jetzt so rationell wie möglich darzustellen, und alles, was bisher so einigermaßen mitgelaufen ist, wird jetzt präsentiert: Das kann abgeworfen werden und das und das. Die leistungseingeschränkten Mitarbeiter kann man jetzt nicht mehr mit durchziehen, die werden dem Personalamt gemeldet.

Gegenwind: Passiert das schon?
Kanth: Das passiert schon. Ältere oder schwerbehinderte Mitarbeiter, da versucht man, die in andere Bereiche umzusetzen. Da kommt einer zu uns und sagt: Ich habe gehört, ich soll für eine Woche zur Aushilfe in einen anderen Bereich.
Aber um einmal auf die KGSt zurückzukommen: Der Herr Spandöck, der kommt ab und zu mal für einen Tag, und danach ist er wieder weg. Und dann läuft hier im Hause alles wie immer weiter. Der Berater kann ja nur einen Impuls geben, und dann müßte es hier weitergehen. Da haben wir zu Anfang gesagt, wenn nun die Verwaltungsreform von oben verordnet wird, dann soll in den einzelnen Abteilungen eine Darstellung gegeben werden, was das eigentlich heißt, damit die Mitarbeiter aller Ebenen überhaupt wissen, wie eine Reform aussieht. In einigen Abteilungen ist das gelaufen, und alle Beschäftigten sind beteiligt worden. Aber neulich habe ich gehört, daß in einem Amt eine Präsentation gelaufen ist, und der dortige Amtsleiter hat das so gelöst, daß er gar nicht alle eingeladen hat. Da saßen nur die Sachgebietsleiter. Das haben wir im Umweltamt erlebt. Da gibt es einen Referatsleiter, der läßt die Reform nur über die Hierarchie laufen. Und das ist unsere Befürchtung: Daß auch hier wieder Informationen geteilt werden, denn damit kann man ja auch Macht ausüben.

Nur zufriedene Mitarbeiter arbeiten gut

Gegenwind: Nach dem, was Sie eben gesagt haben, wäre das doch egal. Wenn die Budgetierung dazu führt, daß die Leute sich gegenseitig in die Pfanne hauen, dann kommt es doch nicht darauf an, wieviel sie über die Reformziele wissen.
stadtverwaltungsmusikantenQuast: Aber das kann ja nicht unsere Aufgabe sein, so einen Prozeß mitzutragen. Und da sind wir im Konflikt mit der Verwaltung. Es ist bekannt, daß nur zufriedene Beschäftigte gut arbeiten. Es muß im Interesse der Verwaltungsspitze sein, zufriedene Mitarbeiter zu haben, und nicht, so etwas auch noch zu forcieren.
Ich glaube, die Reform ist ganz schwer anzuschieben. Das ist auch ein Problem der Menschen. Wenn man diese Stadtverwaltung kennt, weiß man, daß es schwächere und stärkere Führungspersönlichkeiten gibt. Und wenn die Starken nicht mitziehen, dann hat die ganze Verwaltungsreform keinen Zweck. Dann ist sie nur eine Bemäntelung für Stellenabbau und Abbau von Leistungen.

Gegenwind: Heißt das, so wie die Menschen nun mal sind, geht die Reform nicht, oder heißt das, mit diesen Menschen hier geht die Reform nicht, oder heißt das, in dieser finanziellen Lage geht die Reform nicht?
Gutschmidt: Vielleicht geht sie mit diesen speziellen Menschen hier nicht. Vielleicht mit einer kommenden Generation. Es kommt sowohl auf die Führung als auch auf die Akzeptanz von unten an, und wenn ich höre, daß schon von vornherein Leute aus dem Informationsfluß ausgegrenzt werden, obwohl in den Seminaren der KGSt gesagt wird, diese Reform funktioniert nur von unten, dann ist sie zum Scheitern verurteilt.
Die öffentlichen Verwaltungen gehen unter dem Diktat der leeren Kassen den gleichen Weg wie die Konzerne. Und da denke ich automatisch an die Nieten in Nadelstreifen. Die Manager der Konzerne sind mit ihren Konzepten auch gescheitert (denken Sie an Mercedes), und wenn ich höre, daß eine Stadtverwaltung wie ein Konzern organisiert werden soll, daß die Ämter nicht mehr Ämter, sondern Firmen heißen sollen usw., dann bin ich skeptisch.

Gegenwind: Sind es also die Begriffe der Privatwirtschaft – Firmen, Produkte usw. -, die Sie mißtrauisch machen?
Gutschmidt: Nicht nur mich, sondern überhaupt die Beschäftigten – die mit Berufserfahrung.

Gegenwind: Da könnte man ja auch sagen, mehr Erfahrung hat auch was mit höherem Alter zu tun. Sind die älteren Kollegen vielleicht nicht unbedingt schlauer, aber sturer?
Kühler: Das hat nichts mit dem Alter zu tun. Solche Erfahrungen haben auch Jüngere. Ich möchte ein Beispiel nennen. Als hier angedacht war, den Stadtwerken eine neue Betriebsform zu geben, haben alle mitgemacht und mitdiskutiert. Alle sollten mitentscheiden, welche Arbeitsmittel notwendig oder wünschenswert wären, und es sollte gemeinsam entschieden werden, was nun angeschafft wird. Und als man von der Umwandlung der Stadtwerke wieder abgekommen ist, hat man den ganzen Mitarbeitern, die sich so engagiert eingebracht hatten, nicht einmal gesagt, aus welchen Erwägungen heraus. Die haben sich dann gefragt, wofür sie sich überhaupt den Kopf zerbrochen und sich auseinandergesetzt hatten.

Auch oben muß sich etwas bewegen

Gegenwind: Das war schon vor der Reform?
Kanth: Ja, vor zwei Jahren.
Kühler: Die Mitarbeiter würden die Reform mittragen, wenn so etwas nicht so ausgehen würde, wenn sie sehen würden, es hat Sinn, sich zu engagieren, da bewegt sich etwas.
Kanth: Worauf es ankommt, ist, daß auch die Amtsleiterebene etwas abgibt. Die müsste delegieren, die müßte Entscheidungsbefugnisse abgeben, die müßte Informationsdefizite bei den Mitarbeitern abbauen – aber darüber baut sie sich gegenwärtig auf. Die gegenwärtige Praxis ist, daß die Information von oben nach unten immer kleiner wird. Es gibt Bereiche, in denen sich allmählich etwas ändert, wo auf Dienstbesprechungen Informationen weitergegeben werden. Aber das ist halt nicht überall der Fall. Ich habe jetzt den Fall des Referatsleiters im Umweltbereich im Auge, der auch für den Bauordnungsbereich zuständig ist – der achtet ganz stark darauf, dass an dem Informationspool nicht geknackt wird. Und aus solchen Bereichen kommen dann die Kollegen und fragen: Was soll denn die Reform, wenn wir weiterhin nichts erfahren?
Nicht nur die Kollegen unten müssen ihr Denken ändern, sondern auch die höhere Ebene.

Gegenwind: Was unternimmt denn nun der Personalrat, um die Reform ohne Einschnitte für die Beschäftigten zu gestalten?
Kanth: Wir streben eine Rahmenvereinbarung zwischen Verwaltung, Politik und Personalrat an, in der geregelt wird, daß betriebsbedingte Entlassungen und Privatisierungen und weitere Ausgliederungen ausgeschlossen werden, Lohn- und Arbeitsplatzsicherung garantiert wird, Aus- und Fortbildungsmaßnahmen festgeschrieben und die Übernahme von Auszubildenden zugesagt wird, und schließlich, daß es eine basisorientierte Mitarbeiterbeteiligung an der Reform geben wird.

Gegenwind: Stehen Sie schon in Verhandlungen?
Kanth: Ja, diese Verhandlungen laufen.

Gegenwind: Viel Erfolg dabei, und vielen Dank für das Gespräch.

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