Das rote Handtuch geworfen
Auf- und Abstieg des SPD-Fraktionsvorsitzenden Udo Bergner
(red) Wie immer, wenn etwas Entscheidendes in der SPD geschieht, erfahren es die Genossinnen und Genossen nicht etwa durch ihre Vorstände, sondern durch die Ortspresse. So auch am 2. März d.J., als im Heimatblatt zu lesen war, daß der Vorsitzende der SPD-Ratsfraktion, Udo Bergner, auf eine Kandidatur für den am 15. September neu zu wählenden Rat „freiwillig“ verzichten wolle.
Was dann außer dieser Nachricht in zwei Artikeln in der WZ stand, war eine einzige Eloge auf ihn, wie sie nur auserwählte SPDler von ihr erwarten dürfen. Dieses Loblied ließ so manchen Genossen erstaunen. Hatten sie doch ein ganz anderes Bild von ihrem Fraktionschef. So nannte man ihn im vertrautem Kreise schon mal den „Napoleon der Fraktion“ (nicht nur wegen seiner Länge).
Napoleon? Der landete bekanntlich nach Feldzügen, die ihn bis nach Rußland führten, wo er dann die Hucke voll bekam, letztlich in der Verbannung auf der Mittelmeerinsel Elba. Der Korse hatte wenig Freunde; Bergner auch nicht. Dafür hatte der kleine Franzosenkaiser einen ihm ergebenen Hofstaat; den hatte Bergner auch. Denn einige Genossen erkauften sich (wie bei Kaisers) sein Wohlwollen, indem sie seinen „Befehlen“ und „Machtworten“ blind folgten. Devotes Kopfnicken war stete Pflichtübung. Schwer hatten es nur die wenigen, die eine eigene Denke hatten. War doch jeder Widerspruch nahezu eine Majestätsbeleidigung.
Die Parteisoldaten in den Ortsvereinen hatten wenig Gelegenheit, Bergner persönlich kennenzulernen. Bei Parteiversammlungen und Arbeitskreissitzungen tauchte er fast nie auf. Selbst als der Unterbezirk in zwei Seminaren die ersten zaghaften Versuche unternahm, die SPD der Kaiserstadt zu reformieren, glänzte er durch Abwesenheit. War es Scheu vor dem gemeinen Parteivolk oder Arroganz? Parteipolitik war ohnehin nicht seine Welt. Dem musisch Veranlagten genügte es vollauf, sein Fraktionsorchester zu dirigieren und aufspielen zu lassen. Nur Spezis durften schon mal gelegentlich als Solisten auftreten.
Als Bergner Ende 1982 zum Fraktionsvorsitzenden gewählt wurde, saß die SPD bekanntlich im Keller. Die 81er Kommunalwahl hatte man verloren. „Die SPD rutschte von 51,8 um 12 auf39,8 Prozent herab“, so war es am 28.September 1981 auf Seite 1 der WZ zu lesen. „Mitschuld“ – so sagten die Genossen damals entschuldigend – hatten die aufmüpfigen Jungsozialisten unter dem damaligen Juso-Vorsitzenden Wolfgang Kuschel, die öffentlich (im „Rotdorn“) gegen die Parteikungeleien motzten und eine bessere Kommunalpolitik forderten. Daß die Jusos damals aus der Mutterpartei austraten, statt weiter konsequent gegen die Verwaltungsspitze mit Eickmeier und gegen die damaligen Partei oberen Krell, Schüler und Prochnow (die drei blauen Jungs) Stellung zu beziehen, ist aus heutiger Sicht ein politisch nicht wieder gut zu machender Fehler gewesen. Innerhalb kurzer Zeit schaffte es Bergner, aus einer zweigeteilten, innerlich arg zerstrittenen Fraktion wieder eine einigermaßen arbeitsfähige Ratsgruppe zu stricken. Befreit von den lästigen Jusos (insgesamt 28 hatten damals geschlossen ihr Parteibuch zurückgegeben) gelang es ihm auch, die SPD-Führung der Jadestadt gut in den Griff zu bekommen. Es fiel ihm nicht schwer, ihr die „Flötentöne“ beizubringen, waren die damaligen Unterbezirksvorsitzenden Vogel und Junkiewitz samt ihren Vorständen eher Parteiverwalter statt -gestalter.
In den folgenden zwölf Jahren hat Bergner in seiner Funktion als Fraktionsvorsitzender einiges für unsere Stadt getan. Für die SPD als Partei dagegen wenig.
Doch bereits im Vorfeld der Kommunalwahl 1991 begann sein Stern langsam zu verblassen. Es bedurfte damals vieler Hinterzimmergespräche, um ihn auf der Kandidatenliste doch noch einmal günstig zu plazieren. Bei der Kommunalwahl 1986 hatten 3123 Wahlbürger (1981 hatte der einfache Ratsherr Bergner 701 Stimmen bekommen) seinen Namen angekreuzt. Trotz günstigem Listenplatz waren es bei der Kommunalwahl am 6. Oktober 1991 dann nur noch 1287.
Durch die immer noch auf dem Spielplan des Rates stehende Trögeler-Posse, wo Bergner einen besonderen Part im derben Spiel übernommen hatte, hat er, so äußerten sich nach Bekanntwerden des Ausstiegs des 53jährigen Sozialdemokraten nicht wenige Parteifreunde, seine Chancen auf Null gebracht. Und nur sein Entschluß, bereits im Vorfeld der Kandidatensuche öffentlich zu erklären, dass er sich aus der Kommunalpolitik verabschieden will, dürfte den allgemeinen Genossenzorn etwas mildern.
Was nun SPD?
Wer soll die Fraktion im neuen Rat führen? Einen neuen Ratsvorturner zu finden wäre, leichter, wenn die SPD die anstehende Kommunalwahl verlieren würde. Dann hätte man genügend Zeit, sich einen auszugucken. Behält die Partei mit einem Partner (ob Grüne oder Statt) doch eine Mehrheit, dann sieht es so gut nicht aus. Zwar hatte Bergner während seiner „Regierungszeit“ einige Ratsmitglieder um sich geschart, die er auf wichtige Positionen oder in wichtige Funktionen hievte. Die dankten es ihm zwar durch Bravverhalten, doch Führungsqualitäten können weder Bergners Lieblingsgenossin Kirsten Trenne, noch die „alten Räte“ Neumann, Schulz, Hilse oder Sandelmann vorweisen: Oder etwa die Jüngeren wie Lutz Hellmann (der große Schweiger) oder gar der Südstrandpirat Rath?
Die Partei muß alle Hoffnungen auf die neu in den Rat einziehenden Genossinnen und Genossen setzen, es sei denn, das „Fähnlein der acht Aufrechten“ {Frank soll gegenüber Trögeler erklärt haben, daß nur acht SPD-Ratsmitglieder gegen den Verkauf der Jade stimmen würden) würde das Heft in die Hände nehmen.
Von diesen dürfte allerdings nur Norbert Schmidt aufgrund seines Spitzenplatzes im Wahlbereich V ziemlich sicher sein, wieder in den Rat einzuziehen. Doch sogar bei ihm könnte es bei der Kreisdelegiertenkonferenz im April noch Überraschungen geben: Und der Wahlparteitag steht ihm auch noch ins Haus.
Walter Heide wurde bereits ins Abseits gestellt. Der „Südstrandwind“ hat jetzt auch Helga Weinstock-Renken weggepustet. Und ob Holger Barkowsky seinen Platz im Ratssaal behält, hängt ab vom Gesamterfolg der SPD und den WählerInnen in Fedderwardergroden, die seine Arbeit für den Bürger dlurch ihr Kreuz honorieren müßten. Wie es um die restlichen Nein-Sager bestellt ist, kann nur vermutet werden.
Diese kleine Gruppe könnte es zusammen mit den Ratsneulingen schaffen wieder eine SPD-Ratsfraktion zu backen ,die ihre Aufgabe vor allem darin sieht, die Beschlüsse und Zielsetzungen. der Partei die Tat umzusetzen und nicht – wie derzeit – als selbstherrliche Sondereinheit der Partei zu fungieren.
Redaktion
Sorry, the comment form is closed at this time.