Ratssplitter
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vom 16. Februar 2011

am Besen: Imke Zwoch

 Kaum ein Kind, das sich einmal die Finger verbrannt hat, wird ein zweites Mal mit dem Händchen auf die heiße Herdplatte patschen. Bei vielen unserer Ratsleute ist das anders. Lesen Sie selbst.

Blockaden

Erst sollte die leer stehende Grundschule Neuende verkauft werden, im Oktober 2009 forderte eine Ratsmehrheit, das älteste Schulgebäude der Stadt (von 1875) soll in städtischer Hand verbleiben und für öffentliche Zwecke genutzt werden. Denn man befürchtet, ein Käufer könnte das Gebäude abreißen, um das Grundstück neu zu bebauen. Die Verwaltung ist jetzt aber zu dem Ergebnis gekommen, dass es keine Nutzungsmöglichkeit gibt (z. B. Stadtarchiv), die sich dort verwirklichen ließe – Statik und so weiter. Deshalb sollte der Rat beschließen, die Schule wieder zum Verkauf auszuschreiben – allerdings unter der Maßgabe, dass der Erwerber das Gebäude erhalten muss.

Ratsherr Tjaden (BASU) beantragte, die Entscheidung zu vertagen, womit er knapp (21:22 Stimmen) scheiterte. Daraufhin legte Tjaden einen erweiterte Beschlusstext vor: Sofern das Gebäude verkauft wird, soll eine spätere Nutzung für städtische Zwecke ausgeschlossen werden. Einige Ratskollegen verstanden das überhaupt nicht oder taten zumindest so.

Nehmen wir mal das Küstenmuseum: Vor gut zehn Jahren wurde das Gebäude von privater Hand übernommen und saniert und wird seitdem für 20.000 Euro monatlich an die Stadt vermietet. Inzwischen sind also über 2 Mio. Euro an Miete geflossen, und man fragt sich, wo da finanziell der Witz liegt aus Sicht der Stadt. Mittlerweile gibt es Überlegungen, das es doch günstiger sein könnte, das Gebäude zu kaufen. Auch bei der Grundschule Rheinstraße gab es von vornherein Zweifel, ob die Rechnung der Verwaltung hinhaut, dass es günstiger sei, die Immobilie zu verkaufen und dann vom Eigentümer zurückzumieten. Solche “public private partnerships” sind im Rat höchst umstritten. Und es muss ja nicht sein, dass sich solch ein PPP-Modell rücklings einschleicht. Wenn die Verwaltung jetzt behauptet, eine städtische Nutzung käme keinesfalls in Frage, dann muss sie nach der Veräußerung auch dafür einstehen.

Die Bürgerinitiative für den Erhalt des Schulgebäudes vermutet, dass die Verwaltung den Ratsbeschluss von 2009 blockieren will. “Keiner unserer Vorschläge wurde eingehend geprüft, kein Konzept oder Finanzierungsplan erstellt, in den Haushaltsberatungen kam das Thema einfach nicht vor”, schreiben die BürgerInnen in einem Papier, das an die Ratsmitglieder verteilt wurde. “Im Gegenteil: In dieser Zeit wurden wieder von privater Hand Räume für städtische Leistungen angemietet und es sind noch mehr geplant. Der Bedarf der Stadt ist anscheinend da … Ob man nun einen Kredit für die Renovierung aufnimmt oder Mieten zahlt, Geld kostet es immer, aber bei einer Renovierung gehört das Objekt nach wie vor zum Vermögen der Stadt,” Die BI fordert den Rat auf, dem Verkauf eine Absage zu erteilen und “von der Verwaltung vehement eine umfassende Planung zu fordern. Denn nicht die Verwaltung sollte die Politik in Wilhelmshaven bestimmen, sondern sie als Stadtrat oder Stadträtin.”. Vergebens: Am Ende stimmte eine knappe Mehrheit für die Ausschreibung zum Verkauf – ohne Tjadens Ergänzung.

Dankbare Firmen stopfen Haushaltslöcher

Der Rat beschloss (einstimmig), folgende Zuwendungen anzunehmen: 1000 Euro von der Firma Nietiedt (die gerade im Heppenser Groden einen neuen Firmensitz errichtet) für die Qualifizierung von JugendleiterInnen; von der GDF Suez (die gerade im Rüstersieler Groden ein Kohlekraftwerk baut) 10.877 Euro für die Anschaffung eines Spielgerätes für die Grundschule Rheinstraße sowie 3000 Euro für ein Projekt an der GS Nogatstraße; und für die Altenhilfe 4000 Euro von der Sparkasse und 17.200 Euro von der Werner-Brune-Stiftung.

Kultur ist wichtig, aber teuer

Nicht alle waren glücklich über den Wirtschaftsplan, den die Touristik und Freizeit GmbH (WTF) für 2011 vorgelegt hat. Darin ist ein Verlust von gut 3,9 Mio. Euro ausgewiesen. Einnahmen von knapp 1,4 Mio. stehen Aufwendungen von 5,3 Mio. gegenüber, wobei die Personalkosten mit 2,2 Mio. am meisten zu Buche schlagen. Ratsherr Hellwig (CDU) vermisste Transparenz und einen Maßnahmenplan gegen die Verluste. Die müssen nämlich aus dem Stadtsäckel ausgeglichen werden. (Das ist ja immer wieder ulkig, wenn bei den formal privaten Tochtergesellschaften der Stadt letztlich doch wieder die BürgerInnen zur Kasse gebeten werden. Es kann nichts darüber hinwegtäuschen, dass Kultur – ganz wichtig für die Lebensqualität – immer ein Zuschussgeschäft ist). Tjaden störte sich daran, dass über dem Papier immer noch “Entwurf” stand. Der Plan wurde bei 3 Gegenstimmen aus der BASU verabschiedet.

Das wurde auch Zeit

Seit 55 Jahren besteht das Tanklager der Nord-West-Oelleitung auf dem Heppenser Groden. Der Rat beschloss einstimmig, das jetzt auch mal baurechtlich einzutüten. Auch vor dem Hintergrund, dass ringsum gewerbliche Bebauungspläne aufgestellt wurden und das alles auch emissionrechtlich zueinander passen muss. Die Planungskosten trägt die NWO.

Späte Einsicht

Auf unserem letzten Titelbild haben wir – sinngemäß – die Planungen für die Bebauung des Nordufers am Banter See vorgestellt, deren Aufstellung der Rat jetzt einstimmig beschloss. 2004 hatte man noch Visionen von einem Technologiepark auf der ehemaligen Marineanlage Bant. Alte Gebäude wurden abgerissen, Altlasten saniert und (2008) das etwa acht Hektar große Gelände von der Stadt erworben. An der Emsstraße 20 entstand ein Neubau als Technologiezentrum, das bis heute ein Zentrum ohne was drumrum ist. Der rein gewerblich ausgerichtete B-Plan soll jetzt aufgehoben und durch einen neuen für Gewerbe (Dienstleistungen) und Wohnen ersetzt werden. Norbert Schmidt (SPD, Vorsitzender des Bauausschusses) erhofft sich von Angeboten für das Wohnen am Wasser Neubürger. Er versteht die Kritiker (“die brauchen wir”), die sich Gedanken machen über die schlechte Wasserqualität des Banter Sees und die Emissionen der Betriebe an der Emsstraße, “aber wir dürfen nicht soviel Zeit vertüdeln”. Er überlegte, ob man Druck auf die BIMA ausüben sollte (die Bundesanstalt für Immobilien als Eigentümerin der Wiesbadenbrücke, deren Umnutzung für Wohnen und Gewerbe nicht vorangeht). Hellwig meinte, “wir werden dann sehen, welche Probleme die Emissionen machen”. (Hm – man legt erst los und stellt dann ggf. fest, dass es mit der Wohnnutzung Probleme geben könnte?) FDP-Sprecher von Teichman hofft, über attraktives Wohnen am Wasser “einflussreiche, gut situierte Menschen” herzubekommen. Holger Barkowsky (SPD) hatte da seine Zweifel, weil erfahrungsgemäß von 30 Grundstücken nur eines an auswärtige Käufer geht. Tjaden fehlte die planerische Gesamtschau. Werner Biehl (Grüne) mutmaßte, die BIMA würde immer nur so viele Immobilien verkaufen, dass ihre Mitarbeiter nicht arbeitslos werden. Er fragte, ob mit der Neuausweisung von Wohnbauflächen, bei gleichzeitig 3800 leer stehenden Wohnungen, auch Wohnquartiere abgerissen werden, im Sinne einer innerstädtischen Verdichtung? SPD-Sprecher Neumann forderte, Neubürger “mit äußerster Priorität” zu behandeln.

Wir fassen zusammen: Angesichts weiter sinkender Einwohnerzahlen und Leerstände könnte die Stadt sich gesund schrumpfen, oder aber wir träumen weiter von der Stadt der 100.000 …

Keine Einsicht

Nachdem man nun gerade ein Gewerbegebiet (citynah) aufgegeben hatte, das 7 Jahre brach lag, genauso wie die Gewerbefläche auf der Schleuseninsel (am Ende der Welt) und auch der Hafengroden (am Ende der Autobahn) nicht gerade vom Andrang der Investoren erdrückt wird, beschloss man, zur Abwechslung mal mitten im Grünen am Stadtrand (und einer Autobahnauffahrt) ein Gewerbegebiet auszuweisen – zwischen “Antonslust” und der Burganlage Kniphausen. Biehl fand die Planung “absurd”. Auch von Teichman war dagegen. Er beeilte sich zu ergänzen, natürlich sei die FDP grundsätzlich für Gewerbeansiedlungen – aber an dieser Stelle sei das eine “nicht notwendige Landschaftszerstörung”. Gleich nebenan liegt das interkommunale Gewerbegebiet “JadeWeserPark”, dem die Stadt, wenn auch etwas murrend, beigetreten ist (Näheres s. Gegenwind 224 unter http://www.gegenwind-whv.de/a22408.htm; Beitrag der Stadt 2011: 34.100 Euro, 2010: 88.100 Euro; Randbemerkung: Wieso findet man unter www.jadeweserpark.de – “Zulieferer und Partner” eigentlich keinen Link zur Stadt Wilhelmshaven?) Von Teichman stellte spitzfindig fest, dass in der Vorlage zum B-Plan Antonslust ein Textbaustein fehlte, der sonst immer als Ziel der Planung genannt wird:

Sicherung einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt, und einer dem Wohl der Allgemeinheit dienenden sozialgerechten Bodennutzung, der Sicherung einer menschenwürdigen Umwelt sowie dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen auch in Verantwortung für den allgemeinen Klimaschutz.

Hellwig widersprach: “Wir können nicht genug Flächenvorrat haben.” JadeWeserPark hin oder her – “Friesland nimmt auch keine Rücksicht”. Soviel zum Thema interkommunale Zusammenarbeit. OB Menzel meinte, man müsse “eine Angebotslücke schließen”. Neumann wusste, “überall an Autobahnauffahrten” seien Gewerbegebiete, räumte aber ein, im Moment gäbe es “überhaupt noch keinen Run” auf hier angebotene Gewerbeflächen. Tjaden konkretisierte, von 120 ha Flächenangebot im Stadtgebiet sei 2010 nur ein kleines Stück vermarktet worden. Er wunderte sich, dass an der Antonslust unter anderem ein Umspannwerk zur Abführung des Stroms aus dem GDF-Suez-Kraftwerk entstehen soll. Denn eigentlich hat GDF schon eine entsprechende Genehmigung für das bestehende Umspannwerk an der Maade.

Bernhard Rech (CDU) glänzte wie so oft unterhalb von Stammtischniveau: “Herr Tjaden will unseren Kindern die Arbeitsplätze nehmen.” Schon Napoleon, Wilhelm “und andere Führer” hätten festgestellt, welche Chancen die Lage Wilhelmshavens am tiefen Fahrwasser bietet.

Heinz Weerda (CDU) argumentierte, die Burg Kniphausen sei ohnehin schon durch drei Straßen eingeengt. Auch für Hellwig zählt, die Fläche sei ja kein Naturschutzgebiet. (Ein Blick ins Baugesetzbuch würde helfen – das ist nicht allein ausschlaggebend für die Verpflichtung, die Belange von Natur und Landschaft zu berücksichtigen.) Noch mal Rech: “Von der grünen Wiese können wir nicht leben”. (Was unsere Landwirte dazu meinen, lesen Sie hier: Schafweide mit Bahnanschluss)

Biehl interessierte: “Was legt GDF Suez dafür hin?” (1,5 Mio. Euro, wie sich im Nachgang rausstellte – ein schönes Sümmchen für das leere Stadtsäckel).

Die Aufstellung des Bebauungsplanes wurde bei 11 Gegenstimmen und einer Enthaltung beschlossen.

Spielverderber

Seit über einem Jahr kreißt der Unterausschuss “Umstrukturierung / Neuordnung des Gesamtkonzerns Stadt” und hat bisher allenfalls eine Maus geboren. Eigentlich sollte er für den Haushalt 2011 ein Konzept vorlegen, bis auf die Zusammenlegung von WEB und SGW kam aber nichts heraus. Und, wie Siegfried Neuman als Vorsitzender des Ausschusses erinnerte, eine Aufstellung über den städtischen Fuhrpark als Grundlage für die Einsparung von Dienstfahrzeugen. In der nächsten Sitzung sollte es um eine Bestandsaufnahme städtischer Dienstleistungen gehen.

CDU-Sprecher Günter Reuter schimpfte, mit Fuhrpark etc. habe man sich “verzettelt”. Die Überlegungen zur Gründung einer Anstalt öffentlichen Rechts (AÖR) seien nach zwei Jahren Vorarbeit mehrheitlich abgelehnt worden.

BASU und FDP haben bereits die Flinte ins Korn geworfen (von Teichman: “Die AÖR allein bringt‘s nicht“), jetzt will auch die CDU im Ausschuss nicht mehr mitspielen und in der nächsten Ratsitzung beantragen, den Ausschuss aufzulösen. Neumann kritisierte das als “Flucht aus der Verantwortung”. Hellwig widersprach: Neumann habe es nicht hingekriegt, den Ausschuss zu steuern, und habe sich da jetzt “bisschen was zusammengestottert”. Dafür kassierte Hellwig einen Anpfiff vom Ratsvorsitzenden.

Werner Biehl räumte ein, es habe seitens der BASU gute Ideen für die Umstrukturierung gegeben, die aber an den Finanzgesetzen gescheitert seien. Mit Blick auf die Erfolglosigkeit der bestehenden Gremien stellte er die Frage in den Raum: “Wer wäre dann im Gremium der AÖR und würde die Entscheidungen treffen?” Diese Grundsatzfrage zur Kompetenz tropfte so an der Wand des Ratssaals ab, ohne einen Sturm der Entrüstung hervorzurufen.

Stadtrat Jens Stoffers klagte, die Verwaltung habe viel Arbeit in die Vorbereitung der AÖR investiert, aber ohne einen klaren Beschluss käme alles zum Stillstand. Von Teichman stichelte, der Personalrat sei der eigentliche “Hintertreiber”, der die AÖR verhindert habe.

Alles offen

In der Einwohnerfrage wollte ein Bürger wissen, weshalb ein neues Umspannwerk, 8 km entfernt vom Kraftwerk, an der Antonslust entstehen soll. Auch der Rat der Stadt sei offensichtlich nicht über die Hintergründe informiert. Stadtrat Kottek antwortete, die Netzbetreiber e.on Netz und Tennet seien verantwortlich für den Transport des Stroms. Der Standort an der Antonslust stehe noch gar nicht fest und sei nur einer von zwei möglichen Standorten. Jedenfalls sei ein Umspannwerk nur in einem ausgewiesenen Industriegebiet zulässig. Wirklich schlauer war man danach nicht.

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