CCS Risikotechnologie
Mrz 162011
 

Immer her damit!

Wir nehmen alles, was andere nicht bei sich haben wollen: Kohlekraftwerke – Atomumschlag – CO2-Deponie!

(jm) Der nordwestdeutsche Raum, das ihm vorgelagerte Küstenmeer sowie der Deutsche Festlandsockel in der Nordsee sind reich gesegnet mit Salzdomen und mit Salzsole gesättigten Gesteinsschichtungen (salinen Aquiferen) im Untergrund.

Während man in Wilhelmshaven im Begriff steht, neben den 35 bestehenden weitere sechs zylindrische Löcher (Kavernen) aus dem Pilzkopf des Salzdomes unter unseren Füßen herauszuspülen, soll im Raum Etzel die Anzahl der Kavernen von 42 auf 144 erhöht werden.

Doch damit nicht genug, „genießen“ wir auch noch den Vorteil der salinen Gesteinsschichten, in die man zukünftig gerne die Kohlendioxid-Abscheidungen aus den Abgasen der Kohlekraftwerke pumpen möchte. Die Bundesregierung bereitet ein dafür erforderliches Gesetz vor, gegen das sich viele Landkreise und Gemeinden von Ostfriesland über Schleswig Holstein bis Mecklenburg vehement zur Wehr setzen. Wilhelmshaven ist mal wieder nicht mit dabei.

Dabei pfeifen es die Spatzen bereits von den Dächern, dass in den salzsolehaltigen Gesteinen unterhalb der Stadt Wilhelmshaven eine der ersten Speicherstätten für ausgewaschenes Kohlendioxid entstehen könnte: „Wie jüngst aus Berliner Regierungskreisen verlautete, laufe aber alles auf Wilhelmshaven, das nordrhein-westfälische Hürth und das brandenburgische Jänischwalde hinaus.“ (Weser Kurier, 09.04.09)

Dafür werden auch schon Vorbereitungen getroffen – hier bei uns in Wilhelmshaven:

  • An das E.ON-Kraftwerk wird z. Zt. eine CO2-Abscheidungsanlage angefügt, die vorläufig noch der Erprobung dienen soll. „Electrabel, E.ON Kraftwerke und Hitachi Power Europe (HPE) arbeiten bei einem Forschungsprojekt zur CO2-Abscheidung zusammen. Ziel ist der Bau und der Betrieb einer Testanlage, um das Verhalten verschiedener Lösungsmittel zur CO2-Abscheidung zu untersuchen.“ (Electrabel-Pressemitteilung vom 17. April 2008)
  • Die E.ON Gas Storage GmbH (EGS) hat beim niedersächsischen Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) beantragt, in 17 niedersächsischen Landkreisen und Städten geologische Untersuchungen durchführen zu dürfen. Der „Antrag auf Erteilung einer Aufsuchungserlaubnis“ erstreckt sich über 17 Kreise bzw. kreisfreie Städte in Niedersachsen und Bremen. Der Antrag ist den betroffenen Gemeinden mit der Bitte um Stellungnahme zugestellt worden – darunter auch Wilhelmshaven und Friesland.

Tabelle_CO2_Endlager_in-Deutschland

Neben vielen anderen – darunter die ostfriesischen Landräte inkl. dem Emder Oberbürgermeister – ist auch unser Kreisnachbar gegen dieses Ansinnen: „Mit einem strikten ‚Nein’ antwortet der Landkreis Friesland auf das Ansinnen des Energiekonzerns Eon, Erkundungsbohrungen für die Suche nach möglichen unterirdischen Kohlendioxid-Speicherstätten in Friesland durchzuführen.“ (WZ, 25.09.09)

Dagegen haben die Stadtverwaltung bzw. die der Verwaltungsausschuss die sogenannte ‚Aufsuchungserlaubnis’ mal eben so durchgewinkt. Dazu das damalige Ausschussmitglied Werner Biehl (Die Grünen): „Die Problematik war im Verwaltungsausschuss und der Verwaltung nicht zu vermitteln.“ (WZ, 12.08.09) Dies löste beim Landkreis Friesland harsche Kritik aus, „…weil die Stadt dem CCS-Suchverfahren zugestimmt hat und keine Anstalten macht, über eine Kraft-Wärme-Kopplung auch nur nachzudenken“. (WZ, 25.09.09)

 

Nicht auszuschließen sei, dass

  • Gebäude, Brücken und Deiche durch die Aufwölbung des Bodens beschädigt werden und Trinkwasseradern versalzen,
  • durch den Überdruck im Untergrund Erdbeben ausgelöst werden,
  • Undichtigkeiten an den Bohrlöchern zu CO2- ‚Blow-outs’ führen.

Solche Befürchtungen sind, wie jetzt durch ein vom BUND-Deutschland in Auftrag gegebenes Gutachten erhärtet wird, durchaus nicht von der Hand zu weisen.

Der Gutachter kommt zu dem Ergebnis, dass niemand ausschließen kann, dass verpresstes CO2 aus der Erde entweicht. Es handelt sich demnach bei diesem Vorhaben um ein ‚Learning-by-Doing’ auf Grundlage eines gegenwärtig (unzureichenden) Kenntnisstandes.

Zudem führen folgende Fakten dieses Vorhaben ad absurdum:

  • Beim durch die Kohleverbrennung freigesetztem CO2 handelt es sich um ein durch – noch bis zu 40 Jahre – fortdauernde Laufzeiten von Kohlekraftwerken generiertes Mengenproblem, für die die Kapazitäten der zukünftig noch als geeignet erscheinenden auffindbaren Lagerstätten bei Weitem nicht ausreichen dürften.
  • Bei Anwendung der ‚Carbon Capture and Storage’ (CCS) -Technologie muss mehr Kohle für die Energiegewinnung verbrannt werden, was zu einer 30%igen Steigerung der im Untergrund zu verpressenden CO2-Fracht führen würde. Ganz abgesehen davon müssten zusätzliche Kraftwerke gebaut werden, um den durch Einbau von CO2-Abscheidungsvorrichtungen generierten Abfall des Wirkungsgrades und damit der Stromerzeugungskapazität auszugleichen.

Und letztlich

  • binden die Investitionen in weitere Kohlekraftwerke finanzielle Mittel, die dem zur Zukunftssicherung dringend erforderlichen Auf- bzw. Ausbau regenerativer Energiekapazitäten entzogen würden,
  • verzögern die Betriebsaufnahmen neuer Kohlekraftwerke – durch ihre unflexible Anpassung an Spannungsschwankungen im Stromnetz – langfristig den notwendigen forcierten Ausbau regenerativer Energieformen und deren Einspeisung in die Stromnetze,
  • verzögern neue Kohlekraftwerke den schnellstmöglichen Abbau der CO2-Emissionsfrachten und müssen für die Begründung der CO2-Einlagerungen unter unseren Füßen herhalten. (aus Gegenwind im Internet – Ausgabe 255)

Dass die Wilhelmshavener Strippenzieher offenbar nicht nur Atomtransporte durch unsere Stadt fatalistisch hinnehmen, sondern auch nicht gegen das Aufpumpen unseres Untergrundes mit CO2 aufmucken, offenbart sich darüber hinaus durch die unkommentierte Aussage von Frank Albers – Leiter des Kraftwerkprojekts von GDF SUEZ (ex Electrabel): Dieser stellte die Vorteile Wilhelmshavens „…mit Blick auf eine mögliche CO-Speicherung…“ bei einem „opulenten Frühstück“ des ‚Club zu Wilhelmshaven’ heraus. (WZ, 25.11.10)

Zur Legitimation der CO2-Verpressung muss die Bundesregierung bis zum Juni dieses Jahres noch ein Gesetz verabschieden lassen. Doch zuvor muss sie noch einen Kompromiss mit den Bundesländern ausfeilschen. Zwar fordern die Länder Schleswig-Holstein und Niedersachsen ein VETO-Recht gegen die die CO2-Verpressung. Aber im Grunde genommen ist das üblicherweise Verhandlungssache – und als Kompromiss wird sicherlich irgendein Hintertürchen in das Gesetz eingebaut werden. Einen Vorschlag hat Bundesumweltminister Norbert Röttgen schon auf den Tisch gelegt: „Schleswig-Holstein und Niedersachsen, die keine unterirdischen CO2-Lagerstätten wollen, könnten ein Landesgesetz erlassen und alle Anträge bis 2015 zurückstellen. Weil der Erprobungszeitraum bis Ende des Jahres 2016 begrenzt ist und ein Genehmigungsverfahren innerhalb eines Jahres wohl nur schwer durchzubringen ist, könnte hier aufgeschoben gleich aufgehoben sein.“(TAZ, 20.02.11) Doch das ist wohl mehr als Beruhigungspille für die aufmüpfigen Landräte gedacht. Ein VETO-Recht der Länder ist in dem Kompromissvorschlag nicht enthalten. Und für Wilhelmshaven könnte man ja eine Ausnahme machen – bei solch apathischen Stadtoberen…

CO2-Lager ist leck
Berichte über Gasaustritt aus kanadischer CCS-Deponie
Die bisher größte Deponie für Kohlendioxid (CCS Carbon capture and storage) scheint leck zu sein. Das Lager befindet sich in Saskatchewan. Das CO2 stammt aus einer Anlage zur Kohlevergasung in den USA, der Great Plains Synfuels Plant. Dort wird Braunkohle zu Methan verarbeitet, das ins Erdgasnetz eingespeist wird. Die Landwirte Cameron und Jane Kerr wohnen beim CCS-Versuchsfeld[1] in das seit 10 Jahren CO2 in den Boden gepumpt wird. Sie berichten, dass ihnen zum ersten Mal im Jahr 2005 ein ungewöhnlich hohes Algenwachstum aufgefallen sei. Danach fanden sie immer wieder tote Katzen, Ziegen und Hasen, außerdem seien Stellen aufgetreten, an denen austretendes Grundwasser durch enthaltene Gasblasen sprudelte. Die Consulting-Firma Petro-Find Geochem ließ die Vorfälle untersuchen. Nach den Ergebnissen weist der Boden eine ungewöhnlich hohe CO2-Konzentration auf und das Isotopenmuster weist Übereinstimmung mit Proben aus der Deponie auf. Das Energieministerium von Saskatchewan kündigte an, man werde die Fälle untersuchen, das CCS-Projekt aber nicht stoppen. Der Betreiber Dakota Gasification Company bezeichnet die Technik als sauber, da etwa die Hälfte des bei der Methanisierung entstehenden CO2 im Erdölfeld Weyburn unter die Erde gepumpt wird.(aus Telepolis, 18.01.11)

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