NPD unterschätzt die Antifa
“Geheimes” NPD-Treffen stieß auf gut organisierten Widerstand
(red) Eigentlich wollte die NPD Niedersachsen am 9.5.2010 ihren Landesparteitag in Bad Gandersheim durchführen. Stattdessen versammelte sich die braune Horde in Wilhelmshaven. Ihr Plan, das Treffen am vermeintlich geheimen Standort ungestört veranstalten zu können, ging jedoch gründlich in die Hose.
Treffpunkt der Nazis war die ehemalige Gaststätte “Deutsche Bucht” in der Ulmenstraße, deren Eigentümer “Pico” Wach in der “Deutschen Partei” aktiv ist. Das gut informierte und organisierte Wilhelmshavener Netzwerk gegen Rechts war schnell vor Ort. Ab mittags trafen mehrere Dutzend Menschen vor der Lokalität ein und bekundeten friedlich, aber lautstark ihren Unmut gegen das Nazitreffen. Erst dadurch erfuhr auch die Polizei von dem Treffen und zog im Laufe des Nachmittags eine in die Hundertschaften reichende Präsenz heran.
Da sich die Nazis in einer geschlossenen privaten Räumlichkeit bzw. deren Innenhof versammelten (der aufsteigende Qualm deutete eher auf Grillparteitag hin), durften sie dies ohne Genehmigung tun. Die Antifaschist/innen auf der Straße hingegen wurden von der Polizei darauf hingewiesen, dass ihre Versammlung nicht genehmigt sei. Später hieß es jedoch “Absprachegemäß … wurde Ihnen angeboten, Ihre Demonstration auf der Kreuzung Ulmen-/ Ecke Schulstraße abzuhalten.” Damit durfte man die Aktion als genehmigt betrachten; es wirkte jedoch, mit Verlaub, etwas albern, dass sich die Antifa nun 20 Meter weiter wegbewegen sollte. Sie verließ jedoch ohne Murren den Bürgersteig vor dem Lokal und formierte sich auf der Straße hinter einem “Nazis raus”-Transparent. “Trainingslager der Polizei” unkte ein Teilnehmer, als die Polizei den übersichtlich aufgestellten Pulk mit einigem körperlichen und verbalen Gerangel bis zur Schulstraße zurückdrängte. (siehe Foto)
Nach und nach kamen weitere AntifaschistInnen aus der ganzen Region hinzu, wie auch weitere Polizeifahrzeuge. Auch Ratsvertreter und Aktive von Grünen und CDU sagten sich irgendwann vom Muttertagsbraten los und zeigten Präsenz. Einerseits erfreulich, dass dieser spontan organisierte Protest so breit mitgetragen wurde, andererseits eher peinlich, dass einer dieser Lokalpolitiker vorschlug, ein Pressefoto der anwesenden Parteivertreter zu machen, sobald diese eingetroffen seien. Es ist ja gut, dass sie dort Gesicht zeigten – aber bitte für die Sache und nicht für ihre persönliche Parteiwerbung! In einigen Medien wurden dann auch diese “Nachzügler” zitiert. Tatsächlich gehörten zu den ersten, die vor Ort waren, per Telefonkette andere informierten und die bis zum Abmarsch der NPD blieben, Aktive der Partei die LINKE und auch der MLPD bzw. deren Jugendorganisation “Rebell”, ohne dass sie davon besonderes Aufheben machten.
Nach Polizeiangaben waren es 80 NPDler, die gegen 19 Uhr unter schwerem Polizeischutz das Lokal verließen und zu ihren Autos auf dem angrenzenden Sparkassen-Parkplatz marschierten. Mit von der Partei waren der Bundesvorsitzende Udo Voigt und die “Prominenz” des niedersächsischen Landesverbandes sowie eine braune Kapelle aus der Uckermark. Jedes abfahrende Nazi-Auto wurde von einem Polizeifahrzeug begleitet.
Auch wenn der Nachmittag nach außen hin friedlich verlief, gab es am Rande Unschönes. Eine junge Frau wurde von einem außerhalb der Absperrung herumlaufenden Nazi beleidigt und ins Gesicht geschlagen. Doch nicht der Täter, sondern zwei Männer, die zu ihrem Schutz herbeiliefen, wurden von der Polizei ergriffen. Die Strafanzeige der Geschädigten läuft wohl ins Leere, der Täter brüstete sich damit, seine Freunde würden zu seinen Gunsten aussagen. Später wurde ein Demonstrant, der einem im Auto wegfahrenden Nazi ein Schimpfwort an den Hals warf, von einem Polizisten zur Ordnung gerufen: “Der Straftatbestand ist erfüllt, wenn der Mann sich von Ihnen beleidigt fühlt.” Auch sonst gab es fortlaufende Androhungen von Platzverweisen für die schimpfenden, aber nie handgreiflichen AntifaschistInnen. Da fasst man sich schon an den Kopf, wie unterschiedlich der Tatbestand der Beleidigung – und im umgekehrten Fall der Körperverletzung – hier gewertet wurde.
Misslungener “Coup”
Für die Antifa kristallisierte sich schnell heraus, dass Bad Gandersheim als Treffpunkt nur vorgeschoben war. Der NPD-Landesvorsitzende Adolf Dammann hatte anlässlich des verfügten Verbots erklärt: “Man wird sehen, was passiert, wenn wir vor einem verschlossenen Kurhaus stehen.” Gleichzeitig hatte er einen “Plan B” angedeutet. Um 8 Uhr morgens hatte die Polizei sämtliche Zufahrtswege zum Gandersheimer Treffpunkt abgesperrt. Dem Vernehmen nach sollen sich die Nazis jedoch ohne Umweg über Gandersheim direkt nach Wilhelmshaven (Plan B) in Bewegung gesetzt haben.
Derweil versammelten sich vor dem Gandersheimer Rathaus etwa 1.000 Menschen zum Protest gegen die NPD. Schon im Vorfeld des angekündigten Parteitags hatte sich dort ein breit aufgestelltes antifaschistisches Bündnis organisiert. Letztlich bewirkte jedoch einer der beiden Eigentümer der geplanten Versammlungsstätte, dass seinem Kompagnon die Vermietung des Raumes an die Nazis untersagt wurde – er selbst hatte davon nichts gewusst und war damit auch nicht einverstanden. Offiziell angemeldet hatte die NPD den Parteitag nicht, erst über den Mietvertrag wurde ihr Vorhaben bekannt. Trotz der erfolgreichen Abwendung des Parteitags in Bad Gandersheim versammelten sich die Menschen dort zu der Sonntagsdemo. Im Nachhinein feierte sich die NPD auf ihrer Website dafür, dass ihnen die “Beschäftigungstherapie für Kommunisten und Gutmenschen” gelungen war. Geschadet haben sie damit aber nicht den Demonstranten, die – ob mit oder ohne anwesende Nazis – ein öffentliches Bekenntnis gegen Rechts auf die Beine stellen wollten. Geschadet haben sie der Polizei (und den Steuerzahlern, zu denen auch ihre eigene Klientel gehört), die am Muttertag Hundertschaften in Bewegung setzen musste, erst in Gandersheim, dann in Wilhelmshaven. Die Polizei fand diese “Vortäuschung einer Versammlung” bestimmt nicht lustig.
So viele Demonstranten wie in Bad Gandersheim waren es in Wilhelmshaven nicht – aber für die spontan organisierte Demonstration am Muttertag erfreulich viele. In beiden Fällen ist es der NPD jedenfalls nicht gelungen, sich zu treffen, ohne dass die Öffentlichkeit es rechtzeitig erfuhr.
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