Auch Biohennen belasten die Umwelt
Bürger/innen und BUND kritisieren Planung für Legebetrieb in Fedderwarden
(iz) Am Ortseingang von Fedderwarden soll ein Legehennenstall mit knapp 15.000 Tieren entstehen. Obwohl der Landwirt diesen nach ökologischen Richtlinien bewirtschaften will, sind die Anwohner/innen nicht begeistert. Auch die Kreisgruppe des Bund für Umwelt und Naturschutz betrachtet das Vorhaben mit gemischten Gefühlen.
„Eigentlich müssten wir ja begeistert sein über die Ansiedlung eines landwirtschaftlichen Betriebs nach Biostandard“, sagt Peter Hopp grübelnd. Der Vorsitzende der Kreisgruppe Wilhelmshaven des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) begrüßt im Grundsatz jede Alternative zur industriellen Massentierhaltung. „Alles ist besser, als Hunderttausende Hennen ohne Tageslicht in Käfigen einzupferchen.“ Bekanntlich will ein Landwirt am Ortsrand von Fedderwarden eine Anlage für knapp 15.000 Legehennen nach ökologischen Richtlinien betreiben. Mit romantischen Vorstellungen von einer fröhlich im Gras pickenden Hühnerschar, die der entsprechende Aufdruck auf dem Eierkarton beim Käufer wecken mag, hat das Vorhaben wenig zu tun.
Käfighaltung im Abwind
Nach EU-Standard hat Huhn im neuen „ausgestalteten“ Käfig 750 (ausgestalteter Käfig“ – Vorschrift ab 2012; alter Käfig: 550 cm²) -900 ( „Kleingruppenhaltung“) cm² Platz (früher 550 cm²), hinzu kommen ein Einstreubereich und ein Gruppennest von je 900 cm² für je 10 Hennen. Bei Bodenhaltung (mit bis zu 6000 Hennen pro Einheit) hat ein Huhn 1100 cm² (ein knappes DIN A3-Blatt), ein Drittel der Stallfläche muss eingestreut sein. Bei der Freilandhaltung hat jede Henne zusätzlich 4 m² Auslauffläche. Bei Biohaltung schließlich ist die Zahl auf 3000 Hennen pro Einheit begrenzt.
Immerhin hat das Verbot von Legebatterien (diese EU-Vorschrift wurde in Deutschland vorzeitig umgesetzt, die Übergangsregelungen für alte Käfige liefen Anfang 2010 aus) bewirkt, dass aktuell in Deutschland erstmals mehr Hühner in Boden- bzw. Freilandhaltung leben als in Käfigen. Statt des Umbaus auf die „ausgestalteten Käfige“ oder „Volieren“ haben viele Betriebe gleich auf die Produktion der von Handel und Verbraucher nachgefragten Boden- und Freilandeier umgestellt. 2008 lebten noch 60% der 32 Mio deutschen Legehennen in Käfigen. Ende 2009 wurden 13,3 Millionen Legehennen in Bodenhaltung gezählt, die Zahl der Käfighennen sank dagegen auf 7,6 Millionen.
Der heimische Bedarf an Eiern, vor allem mit Biosiegel, wird aus deutschen Landen nicht gedeckt. Insofern nutzt der Landwirt aus Fedderwarden eine Marktlücke. Die EG-Öko-Verordnung, an der sich der Betrieb orientiert, liegt allerdings unter den Vorgaben der klassischen Bioverbände. Bei Bioland wird z. B. kein Fischmehl oder Soja verfüttert, im Mittelpunkt steht der geschlossene Betriebskreislauf, so dürfen deutlich weniger Tiere pro ha Nutzfläche gehalten werden, auf der der Mist verwertet wird, über 50% des Futters muss vom eigenen Betrieb oder von einer regionalen Kooperation stammen.
Für Hennen O.K. – für Anwohner K.O.?
In der Fedderwarder Anlage teilen sich 14.994 Hennen einen Stall von knapp 2.200 m² plus sechs Ausläufe mit jeweils 10.000 m². Damit sind die EU-Vorgaben für Biohennen formal erfüllt. Aus Sicht des Natur- und Umweltschutzes sind bei der Bewertung jedoch außer den Bedürfnissen der Hennen auch die Auswirkungen auf die Landschaft, auf die frei lebende Tier- und Pflanzenwelt, Wasser, Luft und Boden und nicht zuletzt die benachbart lebenden Menschen zu berücksichtigen. Letztere sind bei der Planung deutlich zu kurz gekommen. Erst durch den BUND erfuhren die Fedderwarder Bürger/innen, dass direkt am Ortseingang ein Hühnerhof beachtlicher Dimension entstehen soll. Etwa 500 der 1500 Einwohner/innen des Vororts unterschrieben eine Petition an die Stadt, mit der sich die Betroffenen gegen die Planung wehrten. Mittlerweile sind zwei Klagen von Bürgern anhängig.
Genehmigungspflichtig laut Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) sind erst Ställe ab 15.000 Legehennen. (Deshalb enthalten die Planunterlagen auch die krumme Anzahl von 14994 Hennen – viel Spaß beim Nachzählen!). Die Öffentlichkeit muss erst ab 40.000 Hühnern beteiligt werden. Es war hier also nur ein Antrag auf Baugenehmigung zu stellen. Nach BImSchG muss die Stadt als Genehmigungsbehörde die BürgerInnen in solchen Fällen nicht beteiligen – aber sie kann und darf sie beteiligen, wenn ihr an einem Interessensausgleich gelegen ist.
Interessenskonflikte sind lösbar
Die Baugenehmigung wurde dem Landwirt inzwischen erteilt. „Die Stadt hat die Möglichkeiten zugunsten der Anwohner und des Naturschutzes nicht ausreichend geprüft“, kritisiert der BUND. Vielfach wird das Bild vermittelt, dass Genehmigungsbehörden und Gemeinden dem Stallbau-Boom machtlos gegenüberstehen. Falsch: „Auch wenn es sich bei der Zulassung der Anlagen um so genannte ‚gebundene Entscheidungen‘ handelt, muss und darf die Zulassung nur erteilt werden, wenn die Schutzansprüche der Nachbarn und der umliegenden Natur und Landschaft gewährleistet werden. Den Landkreisen und den Gemeinden stehen im Rahmen der Raumordnung und Bauleitplanung einige wirkungsvolle Instrumente zur Verfügung, um Stallbauten auf geeignete Standorte zu lenken und die Geruchsbelastungen und den Schadstoffausstoß wirksam zu begrenzen“, erklärt BUND-Landesgeschäftsführer Stefan Ott.
Wer aufs Land zieht, muss natürlich mit ländlichen Gerüchen und Geräuschen rechnen. Doch hier geht’s um mehr als einen Misthaufen mit einem krähenden Hahn drauf. Wenn die Stadt ihr ehemals ländlich geprägtes Umland mit Wohnbaugebieten überzieht und dann gleich nebenan einen eher gewerblichen als bäuerlichen Betriebsausbau genehmigt, sind Konflikte programmiert.
Größte Sorge der Fedderwarder sind auch nicht die zu erwartenden Geruchsbelästigungen, sondern Emissionen wie Feinstaub, Ammoniak und Stickstoff, die Mensch und Natur im Umfeld des Legebetriebs belasten. Damit befasste sich auch die förmliche Stellungnahme des BUND zum Vorhaben. Fachliche Unterstützung erhielt die Kreisgruppe dabei von Knut Haverkamp, der den BUND-Landesverband als Sachverständiger für Immissionsschutz und Stallbauten berät. Unter anderem fordert er eine regelmäßige Abfuhr des Hühnerkots, der nicht ausgerechnet gegenüber einem Wohngebiet gelagert werden sollte. Das freigesetzte Ammoniak stinkt nicht nur zum Himmel, sondern belastet auch angrenzende Gehölze und Gewässer. Durch eine Schutzbepflanzung könnten die bodennah aufsteigenden Gase ein Stück weit abgefangen werden. Ausreichende Bepflanzungen sollte es auch auf der Auslauffläche der Hühner geben. Ohne Deckungsmöglichkeiten würden die scheuen Tiere (ursprünglich Waldbewohner) den Auslauf gar nicht nutzen. Zum Schutz der angrenzenden Gewässer schlägt Haverkamp vor, aus dem Bodenaushub für das Stallgebäude einenWall aufzuschichten, der den oberflächlichen Abfluss auffängt. Sinnvoll wäre eine Ringdrainage, die das Wasser am Rand des Hühnerhofes auffängt und einer Klärung zuführt.
Gute Eier zu fairen Preisen
Höhere Auflagen für Tierhaltung und Umweltschutz sind eine Kostenfrage für den Betreiber, der sich den Kampfpreisen der Konkurrenz z. B. aus den Niederlanden oder Polen stellen muss. Wer bäuerliche Landwirtschaft will statt Agrarfabriken, sollte bereit sein, mehr Geld für Lebensmittel auszugeben und andere Prioritäten setzen. Ein Freiland-Ei nach EU-Standard kostet derzeit um die 17 ct, ein „Bioland-Ei“ liegt bei 30 ct. Dumpingpreise gehen immer zu Lasten der Nutztiere, der Produktqualität, der Landwirte, der Arbeitsplätze, der Natur und damit auch der Allgemeinheit. Es muss ja nicht, wie in dem alten Volkslied, „in der Woche Hirsebrei“ (Ein Huhn, ein Huhn, das hat nicht viel zu tun. Nur sonntags gibt’s ein Frühstücksei – in der Woche gibt es Hirsebrei …“) sein – aber wie wäre es, weniger Eier zu essen (Jede/r Deutsche isst etwa 210 Eier pro Jahr – „pur“ oder als Bestandteil von Nahrungsprodukten), dafür zu einem fairen Preis für faire Erzeugung?
Der Rückgang der Käfighaltung beweist, wie stark die Macht der Verbraucher ist. Die Entwicklung steht auch im Interesse der Landwirte, die von der tier- und umweltfreundlichen Erzeugung anständiger Lebensmittel anständig leben wollen.
Vom Standort her ist der Fedderwarder Mega-Hühnerhof ein Griff ins Klo und auch sonst nicht das Nonplusultra einer tier- und umweltgerechten Landwirtschaft, aber immerhin ein Schritt in die richtige Richtung.
Kontraproduktiv sind leider die deutsche und die EU-Agrarpolitik, die allen erkennbaren Problemen zum Trotz weiterhin die Industrialisierung der Landwirtschaft fördert. Der BUND hat gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft das Netzwerk „Bauernhöfe statt Agrarfabriken“ gegründet, dem sich mittlerweile viele weitere Organisationen angeschlossen haben.
www.bund.net http://www.bauernhoefe-statt-agrarfabriken.de/
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