NPD-Demo 4
Apr 012004
 

Der traurige Aufmarsch

Um ihren Demonstrationszug durch Wilhelmshavens Süd- und Innenstadt durchführen zu können, mussten die NPDler erst einmal auf Einhaltung der von der Stadt verfügten Auflagen untersucht werden. So wurde die Zahl der NPD-Fahnen auf eine pro 25 Teilnehmer begrenzt. Die NPD wich auf die Fahne des Landes Niedersachsen aus – für jemanden, der Fahnen für bedeutsam hält, war damit sicherlich der Tatbestand der Verunglimpfung von staatlichen Symbolen erfüllt. Weitere Auflagen waren z.B. das Verbot von dunklen Springerstiefeln, Uniformierung usw. Es sollte jede Erinnerung an Aufmärsche im Dritten Reich verhindert werden.

So gereinigt setzte sich der Zug der 70 – 80 Leute vom Valoisplatz in Richtung Weserstraße in Bewegung.
npd_aufmarsch_3Ein imposantes Bild: Vorne Polizei, rechts und links Polizei, hinten Polizei – so schwoll der 30 Meter lange NPD-Zug auf mehrere hundert Meter an. Von vorn betrachtet, hätten Unbedarfte das Defilée für einen Festumzug der Polizei halten können: dekorativ tänzelnde Polizeipferde an der Spitze, nachfolgend die diszipliniert formierte Kolonne von Einsatzfahrzeugen und rundherum – statt Funkenmariechen – elegant trabende Sondereinsatzkräfte im schwarzen Kostüm. Doch mittendrin konnten dann ein paar Nazis ausgemacht werden, und schon nach wenigen Metern ging es mit den inhaltlich nicht erwähnenswerten Parolen, verstärkt und aus 16 Lautsprechern dröhnend, los.
Nur eine Handvoll Pressevertreter konnte den Abmarsch miterleben. Die Polizei hatte dafür gesorgt, dass die ca. 1.000 Gegendemonstranten sich das Spektakel aus einer gehörigen Entfernung ansehen bzw. eingekesselt im Friedrich-Wilhelm-Park ausharren mussten.
Doch nach wenigen Metern wurden die NPDler bereits von aus den Fenstern hängenden Transparenten begrüßt: „Jetzt sind schon Kinder eure Gegner.“
Der Polizei war es zwar gelungen, die Gegendemonstranten fern zu halten, doch konnte sie natürlich nicht die Wohnhäuser an der Demo-Route leer räumen. So bildete sich schon nach wenigen Metern ein Gegen-Demonstrationszug auf den Bürgersteigen, und da liefen mehr Deutsche und Ausländer als im Demozug Rechtsradikale. So wurde der Zug beinahe den ganzen Weg über aus hunderten Kehlen von „Nazis raus“-Rufen begleitet. An jeder Querstraße standen wütende Bürgerinnen und Bürger, die liebend gerne dem Nazi-Spuk ein Ende bereitet hätten. Doch die Polizei war überall – und wo es brenzlig wurde, waren in Sekundenschnelle noch ein paar Dutzend Polizisten zusätzlich zur Stelle.
Und immer noch blökte der NPD-Frontmann ohne Punkt und Komma seine Parolen in den Wind.
Irgendwann tauchte plötzlich ein neues Transparent vor dem Zug auf: „Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen. Keine Toleranz für Nazis!“ Einige Leute der VVN-Hannover (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten) hatten sich an die Spitze des Zuges gesetzt, der Polizei erklärt, dass sie hier und jetzt eine spontane Demonstration durchführen werden – und sie bekamen ein „Dann macht mal“ beschieden.
An der Grenz-/Peterstraße fand dann eine Zwischenkundgebung statt. Hier wurde, abgeschottet von der Öffentlichkeit, dann erstmals richtiges Nazi-Deutsch verbreitet. Die Gegendemonstranten und „die Leute, die hier an der Straße stehen“ wurden als gesellschaftliche Exkremente bezeichnet – die Polizei hätte da sicherlich einschreiten können,  aber unter ihren dicken Helmen und mit Knopf im Ohr hat man die Ausfälle der Redner des NPD-Landesvorstands wohl gar nicht mitbekommen. Ansonsten hat’s eh keiner gehört. Der NPD-Jungschar allerdings gefiel die herbe Wortwahl ihrer Führer. Zumindest klatschten sie brav.
Als es dann von der Peter- in die Virchowstraße ging, wurde es richtig eng. Immer mehr Demonstranten fanden eine Lücke in den Absperrungen der Polizei, die Beamten wurden leicht hektisch, schwarz gekleidete Festnahmetrupps bauten sich auf – doch alles nur Drohgebärden.
Die Abschlusskundgebung fand dann am ZOB statt. Die Polizei hatte wieder dafür gesorgt, dass möglichst wenig Leute den Ausführungen der Redner folgen konnten. Hier gab es dann die ersten zustimmenden Äußerungen auf populistische Forderungen (wir brauchen keine neuen Asylantenheime – wir brauchen Kindergärten). Vielen empörten BürgerInnen war es jedoch gelungen, an den Polizeiketten vorbei auf die „Rambla“ zu schlüpfen und die dumpfen Parolen unter lauten Sprechchören und Trillerpfeifen verhallen zu lassen.
Das elende NPD-Häuflein wurde dann von der Polizei zurück zum Valoisplatz geleitet, und vom Fähnleinführer mit der Lederkappe wurden noch mal eben die Verhältnisse geklärt: „Ihr tragt schwarze Jacken und wir tragen schwarze Jacken – nur unsere sind sauber! Wir kommen wieder! Und dann werden viele von euch auch saubere Jacken tragen. Wilhelmshaven! Wir kommen wieder!“
Zu guter Letzt wurden die vom vielen Laufen schon ganz ermatteten Pimpfe vom Fähnleinführer vergattert, sich im Halbkreis aufzustellen und die Nationalhymne zu singen. Selbstverständlich alle 3 Strophen der Fallerslebenschen Hymne – von der Maas bis an die Memel! Das ist zwar eigentlich, als politisches Lied, verboten, die Polizei hat es jedoch vermutlich als die Pflege von Kulturgut eingestuft und schritt nicht ein. Die NPD-Schar konnte entweder den Text nicht oder hatte einfach keine Lust mehr auf Gesang – so plärrten nur die Lautsprecher und die anwesenden Mitglieder des Landesvorstandes die Hymne runter.
Außerhalb des Halbkreises der Dummheit wurde es merklich still – am liebsten hätte jeder der noch Anwesenden von Presse, Kirche und Staat den Stecker am Verstärker rausgezogen. „Ich glaub, ich muss kotzen“, sagte der berichtende Gegenwindler und ging. (hk/iz)

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