Gegenwind-Gespräch: Rolf Rütters
Apr 012004
 

Wem das Herz voll ist...

Der Gegenwind sprach mit Rolf Rütters, dem ehemaligen CDU-Kommunalpolitiker

Ein Gespräch über sein politisches Wirken, über seine Siege und Niederlagen, über seine Widersacher, über sein Engagement für „seine“ Voslapper Siedler, über den „Club zu Wilhelmshaven“ und andere Vereine und seine jetzige Tätigkeit als Pensionär

(ef/noa) „Diesmal nehme ich nichts zurück“, versprach uns hoch und heilig Rolf Rütters, der Ende der 80er/Anfang der 90er Jahre wohl zu den bekanntesten Kommunalpolitikern der CDU in Wilhelmshaven zählte. Mit seinem Versprechen, nichts zurückzunehmen, bezog er auf eine Erfahrung, die der GEGENWIND mit ihm vor vielen Jahren gemacht hatte.
Rütters„hh“ und „noa“ hatten ein tolles Interview mit ihm geführt, es ihm vor Abdruck fairerweise geschickt – und ein von ihm überarbeitetes, total neues „Interview“ zurückbekommen, das „besser in ein CDU-Flugblatt oder in die WZ“ gepasst hätte als in den GEGENWIND, wie wir damals schrieben (sh. „Kalte Füße!“ in unserer Ausgabe 89 vom November 1989). Wir „bestraften“ ihn damals mit dieser Karikatur:

Jetzt, da er seit einigen Jahren der CDU sein Hinterteil gezeigt hat, bestätigte er unsere damalige Vermutung: „Eine Blitzkonferenz mit einer höheren Parteiinstanz“ hatte dazu geführt, dass er so ungefähr alles zurücknahm, was er zuvor gesagt hatte. Jetzt konnte er uns auch, ohne auf Partei und eigene politische Karriere mehr Rücksicht nehmen zu müssen, so einiges sagen, was er damals nicht hätte sagen dürfen.

Gegenwind: Sie machen jetzt in Immobilien. Das ist die einzige Gelegenheit, Sie mal wieder in der Zeitung zu sehen – im Unterschied zu früher..
Rütters: Früher war das jede Woche, ne? Da war ich mit jedem Scheiß im Blatt, ob Kaninchen, Tauben oder Hühner, und meine damalige Popularität verhalf mir zu einem neuen Job. Oft höre ich: „Wir sind zwar SPD-Wähler, aber nur Sie dürfen unser Haus verkaufen.“ Weil ich damals so kerzengerade rausgegangen bin. Ich hätte ja dabeibleiben können, z.B. im Verwaltungsrat der Sparkasse… das sind ja die höchsten kommunalpolitischen Weihen, die man überhaupt bekommen kann.

Wieso „höchste kommunalpolitische Weihen“?
Ja. Ich weiß nicht, wie viel man heute bekommt, aber damals – ich bin ja bis 1991 dringewesen – kriegten Sie 200 DM für jede Sitzung, einmal im Monat oder auch mehr, und dann gibt es eine schöne Reise jedes Jahr und ein attraktives Weihnachtsgeschenk – solche Posten sind schon interessant. Alle geiern auf Aufsichtsratsposten in der GEW, bei der Sparkasse, jetzt bei der Hafenwirtschaftsvereinigung. Ja, und ich habe damals gesagt: „Liebe Freunde, ich habe das zweitbeste Ergebnis bei der Kommunalwahl gehabt“ – die Zeitung schrieb: „Menzel vorn und dann schon Rolf Rütters“, und ich war da nur etwa 500 von weg…

… Sie bekamen sogar mehr Stimmen als ihr politischer Gegner Adam…
Das ist richtig. Und die Wahlkreise waren ja neu zugeschnitten worden, Rüstersiel war ja dazugekommen. Es war nicht nur Voslapp, wo man sagen konnte, dass ich ja ein altes Voslapper Gewächs bin… Das war ja das ganze Theater mit der OB-Kandidatur, als sie mich das erste Mal angeschissen haben. Als Maaß gesagt hat: Die Partei hat kein Vertrauen mehr zu dir. Angeblich, weil ich im Osten eingesetzt war. Damals hat mir die Dienststelle jede Freiheit gelassen, damit ich den Wahlkampf führen konnte, aber als ausgebildeter Sprengmeister und Feuerwerker bin ich natürlich hingegangen, wo da so viel Munition rumlag.
Und dann war die berühmte Fraktionssitzung, wo es 7:7 stand, und da hat mein Fraktionskollege Müller zu mir gesagt, ich solle die Kandidatur niederlegen, um Schaden von der CDU zu halten. In der Pause bin ich mit Maaß rausgegangen und habe ihm gesagt: „Erich, wenn Müller das noch mal sagt, dann ist für mich Schluss.“ Und nach der Pause sagte Müller wieder: „Rolf, ich bitte dich, die Kandidatur niederzulegen, halte Schaden von der CDU.“ Da bin ich aufgestanden und habe gesagt: „Meine Damen und Herren, ich sehe, ich bekomme hier keine Mehrheit. Gut, lassen wir das sein. Wiedersehen.“

Das war 1990?
Ja, 1990. Und 1991 war ja die Kommunalwahl, bei der ich gleich hinter Menzel lag. Für die CDU war es schlecht, aber für mich persönlich war es gut. Ja, und dann habe ich gesagt: Ich habe hier die meisten Stimmen, und jetzt sage ich, wo es längs geht. Da löste ich erst einmal Biester im Verwaltungsrat der Sparkasse ab. Es gab ziemlich viel Theater in der CDU. Und da wurde ich gerade pensioniert und überlegte, was ich jetzt machen sollte. Bevor ich mich zur Kandidatur für den Landtag entschloss, habe ich erst mal viele Leute gefragt, die mir alle zugeraten haben. Ja, dann habe ich meinen Hut in den Ring geworfen. Erich Maaß hat damals zu mir gesagt: „Kandidiere nicht bei den Friesen, lass die Inse-Marie Ortgies zufrieden.“ Dann musste ich im Wahlbereich 100 kandidieren. Hier im Norden hätte ich Biester weggefegt wie ein Orkan, aber so musste ich gegen das ganze Establishment von der CDU antreten. Dass das klappen würde, hätte ich nie geglaubt. Mit einer Stimme Mehrheit!
Ich bin sicher: Wenn Erich Maaß mir damals die Stange gehalten hätte, dann hätten wir andere politische Verhältnisse bekommen, oder zumindest bessere für die CDU. Das war eine Riesen-Sauerei! Ich habe da gerade den 13. Christkindl-Markt eröffnet morgens, am 11. Dezember 1993…

Das war doch auch Ihre Erfindung?
Ja klar, das und alles, was in Voslapp lief. Man nannte mich damals den „heimlichen Bürgermeister von Voslapp“, das ist ja so, wenn man sich wirklich kümmert. Da steht der Mast schief, da ist der Graben, die Frau ist im Krankenhaus – ich habe das ja alles ernst genommen, und das hat mir auch Spaß gemacht!
Ja, Erich Maaß konnte am 11. Dezember angeblich nicht nach Hannover; Axel Homann und Jochen Ender waren als Delegierte dort. Wilhelmshaven hatte auf der CDU-Landesliste immer einen schlechten Platz, und ich dachte, wenn sie fair sind, bekomme ich Platz 29.
Ja, und da wurde das Platz 55. Maaß spielte mir gegenüber den Entrüsteten und sagte, die hätten uns angeschissen, und er würde das beim Landesvorsitzenden zur Sprache bringen. Er selber war stellvertretender Landesvorsitzender, und wenn er sich wirklich für einen guten Listenplatz für mich eingesetzt hätte und angeschmiert worden wäre, dann hätte er von diesem Posten zurücktreten müssen. Dann wäre er für mich glaubwürdig gewesen. Ich fand hinterher heraus, dass seine Gründe, weswegen er nicht nach Hannover konnte, nicht stimmten. Ich denke, er ist nicht hingefahren, damit er danach so tun konnte, als hätte man ihn betrogen!
Die CDU bekam bei dieser Wahl ein sehr schlechtes Ergebnis: 25 Prozent gegenüber 36 Prozent davor. An diesem Abend habe ich mit meiner Frau den besten Rotwein getrunken, den wir im Keller hatten. Und damit war die Politik für mich erledigt.

Denken Sie, Sie hätten bei der SPD mehr erreicht?
Wenn ich von Anfang an ein anderes Blatt gespielt hätte, wäre ich besser dran gewesen. Mein Bruder hat damals einen Tanz mit mir gemacht. „Rolf“, hat er gesagt, „hast du vergessen, aus welchem Stall wir kommen? Wie konntest du nur zur CDU gehen?“ Er war in der SPD, aber die Verteidigungspolitik der SPD und ihre Einstellung zur Bundeswehr haben mir nicht gefallen. Und ich wollte nicht rumheucheln. Für die CDU hätte ich gut arbeiten können, aber die wollten mich ja offenbar nicht haben. Davon hat die CDU Wilhelmshaven sich bis heute nicht erholt. Sie hat weit über 200 Mitglieder verloren. Mit mir zusammen sind Leute ausgetreten, die über 40 Jahre lang in der CDU gewesen waren. Das waren meine Freunde. Ich hatte mindestens 100 Leute für die CDU geholt, aber die über 200, die mit mir gingen, das war ein Aderlass. Und es gab einen „Neubeginn“, der keiner war.
Ich habe damals dann meine Briefe geschrieben und meinen Austritt aus der CDU und meinen Rücktritt von sämtlichen Posten und Pöstchen erklärt. Ich wollte von dieser ganzen Heuchelbande niemanden mehr sehen.

Und was machen Sie jetzt?
Zunächst mal bekam ich ein paar Angebote, die ich ausschlug, aber dann stieg ich bei einem Immobilienmakler ein und wechselte nach einiger Zeit zu Herz-Immobilien. Ich habe im Siedlerbund weitergemacht als Festleiter. Das habe ich 1998 beendet. Ich dachte mir, das Fest zu „60 Jahre Siedlung Vorlapp“ ziehe ich noch groß durch mit Feuerwerk und allem Drum und Dran.

Sie waren bis vor kurzem auch Präsident des „Club zu Wilhelmshaven“. Welche Aufgabe hat sich dieser Club gestellt?
Er versteht sich als Bindeglied zwischen Verwaltung und Politik. Wir fassen auch Themen an, von denen andere die Finger lassen. So hatten wir mal eine gute Veranstaltung über Scientology. Der Club ist eine Männerdomäne. Frauen werden nicht aufgenommen.

Warum?
Das wollen wir halt so. Wir machen dann Herrenabend, da können sich alle mal richtig besaufen.
Das „opulente Frühstück“, das in der Presse so kritisiert wurde, hat niemandem geschadet, und der Eindruck, die Stadt Wilhelmshaven hätte das bezahlt, ist falsch. Wir haben jeder 27 Euro 50 für die paar Häppchen bezahlt.
Den Präsidentenposten habe ich jetzt abgegeben an Wolfgang Frank, Ich bin jetzt Vizepräsident.

Haben Sie sonst noch Funktionen?
Ich bin noch Vorsitzender der Brieftaubeneinsatzstelle Nord. Ich habe 1975/76 Brieftauben gezüchtet. Da wollten wir damals unbedingt ein Grundstück haben. Die Brieftaubenvereinigung Wilhelmshaven/Friesland habe ich mal 13 Jahre lang geleitet, da habe ich 27 Brieftaubenvereine von Varel bis zur Küste unter einem Hut gehabt. Und hier ist die Einsatzstelle Nord, das sind drei Vereine.
Und dann werde ich morgen noch zum stellvertretenden Vorsitzenden der Feuerwerkergilde Wilhelmshaven gewählt. Die habe ich vor 25 Jahren, als ich auf einem Lehrgang war, ins Leben gerufen. Es ist ja schlimm, man kriegt junge Leute nicht dazu, sich irgendwo zu engagieren, und da müssen die alten Säcke ran. Da kommt nichts nach! Das wird Ihnen auch so gehen: Wenn Sie das mal nicht mehr machen, werden Sie auch Schwierigkeiten haben, so engagierte Leute zu finden, die auch gut schreiben können und den GEGENWIND aufrechterhalten.

Das wird man sehen!
Und Engagement ist wichtig. Mein Engagement hat sich für mich ausgezahlt. In der kommunalpolitischen Arbeit bin ich ja nicht dümmer geworden. Man macht Erfahrungen und lernt dazu. Und es hat mir den Weg geebnet, nach meiner Pensionierung als Immobilienmakler zu arbeiten, hat sich also auch wirtschaftlich bezahlt gemacht.

Vielen Dank für das Gespräch.

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