Leserbriefe
Feb 062003
 

Leserbriefe:

Zum Artikel „Ist es denn die Möglichkeit!?“ Gegenwind 186
Liebe Gegenwindler,
ich finde, ihr habt in eurem Artikel zum Nothafen einen wichtigen Aspekt vergessen beziehungsweise zu nebensächlich behandelt: die Frage „Zukunftskonzept oder Alibi?“ Ihr habt ja schon einen Teil unseres Artikels zum Thema zitiert, lasst mich also noch einen weiteren Absatz aus unserem Aufsatz hier beisteuern: „Grundvoraussetzung ist der unverkennbare Wille der Verantwortlichen, sich mit einem wie auch immer gearteten Nothafen-Konzept nicht aus der Pflicht zu stehlen für radikales Durchgreifen hinsichtlich Schifffahrts- und Transportsicherheit sowie für gesellschaftspolitisches Umdenken zur Minimierung riskanter Transporte. Weder Umweltschützer noch Fischer noch Touristenorte an der Küste werden für ein Nothafen-Konzept zu gewinnen sein, solange nicht ernsthaft gegen marode Schiffe, verantwortungslose Reedereien, ausgebeutete und rechtlose Seeleute oder unsinnige Warenströme vorgegangen wird. Ein Nothafenkonzept, das lediglich dazu dient, die Schlaglöcher auf dem weiteren Weg rücksichtsloser Profitgier notdürftig zu flicken, hat keine Akzeptanz verdient.“
Schöne Grüße von der WATERKANT-Redaktion

Burkhard Ilschner


Der Fluch der bösen Tat
Liebe GegenwindleserInnen,
wie viele Mitmenschen treibt auch mich der angekündigte Irak-Krieg um! Besonders unter dem Aspekt des Völkerrechts, dem sich (siehe UNO, Internationaler Strafgerichtshof usw.) fortan alle unterwerfen müssen – mit Ausnahme der USA.
Damit könnte man leben, wenn die US-Führungszirkel eine Politik betreiben würden, die sich von dem als ‚Nationales Sicherheitsinteresse’ kaschierten imperialen ‚Great Game‘ einer winzigen Minderheit von ‚Global Playern‘ um Macht und Profit löst und sich einer Weltpolitik der Herrschaft des Rechts, der Gerechtigkeit und des friedlichen Ausgleichs der Interessen verschreibt.
Doch die maßgebenden Kräfte in den USA – ‚Big Oil’, der ‚Militär-industrielle Komplex’ und ‚Wall Street’ – haben daran offenbar kein Interesse; es würde sie ja neben ihrem Profit auch noch Einfluss und Prestige kosten…
Skrupellose Potentaten wie Saddam, Hitler oder Stalin tauchen nicht aus dem Nichts auf. Sie werden durch die Traumata ihrer Völker an die Macht gespült und bedienen deren irrationale Träume.
Ein großes kollektives Ziel vor Augen, übersieht die Masse deren Verbrechen – solange der Führer ihnen Erfolge vorgaukeln kann. Anders denkende Minderheiten oder Volksgruppen werden isoliert, terrorisiert und notfalls liquidiert.
Herr Saddam bedient die Träume der arabischen Massen auf ein wiedervereinigtes Kalifat zwischen Atlantik und Indischem Ozean, dessen Macht- und Entwicklungsbasis das Öl ist.
Um sich als legitimer Vollstrecker zu präsentieren, stellt er sich in die historische Ahnenreihe mit dem König Nebukadnezar II. und dem Sultan Saladin. Der erste führte das Babylonische Reich zur Blüte, zerstörte das mit Ägypten verbündete Jerusalem und führte die Juden in die babylonische Gefangenschaft. Der zweite hat die Kreuzritter besiegt und Jerusalem von ihnen zurückerobert. (Beiden Herrschern wird übrigens auch großes diplomatisches Geschick nachgesagt…)
Wie jedem sendungsbewussten Machtmenschen ist Herrn Saddam zweifellos jedes Erfolg versprechende Mittel recht, seine Ziele zu erreichen.
Nun könnte man den Schluss daraus ziehen: Also weg mit dem Kerl! – Aber lässt sich dadurch das Nahostproblem lösen? – Wohl kaum…
Der Westen war es, der nach Zusammenbruch des Osmanischen Reiches am Ende des 1. Weltkrieges den Nahen Osten neu „geordnet“ – d.h. Marionettenherrscher in künstlich geschaffenen Staatsgebilden inthronisiert und die Gründung Israels auf den Weg gebracht hat. Das Problem ist nun, dass die muslimische Welt durch diese ihr aufoktroyierte Ordnung traumatisiert wurde. Aus der ihnen aufgenötigten Ordnung versuchten sich die dort lebenden Menschen von Beginn an zu lösen. Die anhaltende Kette von Rückschlägen und Misserfolgen lasten sie allein dem Westen an, und sie werden dadurch immer fanatischer. Mittlerweile brodelt es in der gesamten muslimischen Welt.
Die gewaltsame Beseitigung des Diktators Saddam Hussein durch den ‚Großen Satan’ USA wird die ohnmächtige Wut dieser großen Religionsgemeinschaft eher noch steigern.
Die Bush-Feuerwehr versucht nun – beratungsresistent – den Brand mit Sprengstoff auszupusten. Das Risiko der Anfachung eines weltweiten Flächenbrandes nimmt man dabei grob fahrlässig in Kauf. Dabei wird damit nicht einmal die durchaus bestehende Gefahr der Verbreitung von Massenvernichtungsmitteln gebannt, die man bekanntlich in einem Koffer transportieren kann.
Um den Nahen Osten zu befrieden, muss in zähem Ringen ein historischer Kompromiss gefunden werden – etwa nach dem Muster des Westfälischen Friedens. Während des steinigen Weges dorthin muss das Internationale Rechtssystem bzw. Völkerrecht so gestärkt werden, dass die Menschen des arabischen Kulturkreises (und nicht nur diese) darauf bauen können, dass ihnen in nicht allzu ferner Zukunft Gerechtigkeit widerfährt. Der Aussicht auf ein friedliches Miteinander der Kulturen wäre sehr damit gedient, wenn man sich endlich ernsthaft um einen Kompromiss im Palästinakonflikt und in der Jerusalemfrage bemühen würde. Der Abschluss eines von gegenseitigem Respekt und Verständnis getragenen völkerrechtlich bindenden Vertrages würde den Drahtziehern von Kamikaze-Unternehmungen eher das Wasser abgraben, als ‚Kolalateralschäden’ bei ‚Chirurgischen Eingriffen’ – will heißen: Vernichtung von Menschenleben und Zertrümmerung von in jahrelanger, mühevoller Arbeit geschaffenen, lebensnotwendigen Werten im Bombenhagel.

Jochen Martin

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