Landesbühne
Apr 292011
 

Ein starkes Stück: Waits trifft Woyzeck

Logo Landesbuehne-nord(iz) Nach der eindrucksvollen Inszenierung von Peter Weiss’ “Die Ermittlung” hat die Landesbühne ein zweites Mal großes Format bewiesen. Die Umsetzung von Büchners “Woyzeck” – nach dem Konzept von Robert Wilson – ist ohne Abstriche ein Knaller.

Dabei ist die Vorlage ziemlich anspruchsvoll: Büchner hat nur Fragmente hinterlassen, Wilson serviert nicht gerade leichte Kost, und Musik und Texte von Tom Waits sind auch nicht für jede/n verdaulich und erbaulich. Das alles für ein überwiegend älteres Publikum aufzubereiten, ist echte Kunst.

Doch gerade die brüchigen Zutaten lassen den Theaterleuten viel Freiraum für persönliche Interpretationen. In seiner Einführung (“Gebrauchsanweisung“) erzählte Dramaturg Peter Hilton Fliegel, was das Stück mit ihm gemacht hat. Es sei “ein Glücksfall, dass Büchner das Stück nicht zu Ende geschrieben hat”. Die Umsetzung eröffne “Türen in Bereiche unseres Innenlebens” und zeige “die persönliche Sicht von uns auf das Stück“, die völlig anders sein könne als die des Publikums.

Woyzeck sei “ein Suchender, der nicht gelernt hat, die Frage nach dem WARUM zu stellen”, der emotional völlig intakt sei, seine Gefühle aber nicht ausdrücken kann.

Szenenfoto "Woyzeck". Bildrechte: Landesbühne

Szenenfoto „Woyzeck“. Bildrechte: Landesbühne

Der Woyzeck von Wilson & Waits ist kein Musical, denn “die Songs erzählen nicht die Handlung, sondern das, was in den Menschen vorgeht”. Als Tom-Waits-Fan war man etwas angespannt, ja ängstlich, ob und wie die Mitwirkenden es hinkriegen, die sperrigen Songs von Waits (und Kathleen Brennan) zu interpretieren: Großartig! Als klar war: sie können es, hieß es: entspannt zurücklehnen und genießen. Die Darstellung, die Musik (nicht nur der Gesang – klasse Liveband!), das Bühnenbild (diesmal nicht ”schräg””, dafür sehr individuell und kreativ), die Kostüme (wo haben die nur diesen Mantel des Tambourmajors besorgt? Flohmarkt Amsterdam?), es stimmte einfach alles.

Unser Sonderpreis für “Waits perfekt“ geht an Lisenka Kirkcaldy und Cino Djavid. Da war jeder Ton ein Genuss. Djavid spielte den Karl, der hier von der Neben- in eine Hauptrolle befördert wurde: ein kindlich-naiver Charakter, der das Geschehen aus dem Off betrachtet und vor allem mimisch und gestisch kommentiert. Während Djavid die Songs singt, als hätte er nie im Leben was anderes getan, gibt er gleichzeitig den Puppenspieler für einen riesigen Stoffteddy, den er fast fortwährend mit sich herumschleift und ihm dabei (als sein alter ego?) ein Eigenleben verleiht. Grandios. Bei dem Djavid muss man immer aufpassen, dass der nicht aus dem Hintergrund die eigentlichen Hauptrollen an die Wand spielt …

Bleibt die Frage: Was will uns das Stück eigentlich sagen? Klingt komisch, aber es ist beinahe egal, weil die “form” so ansprechend ist, dass die “function” zur Nebensache geraten kann, auch wenn es um alles andere als pure Unterhaltung geht. Für Fliegel ist es “ein Stück über die Hoffnung”, für andere eine (eher hoffnungslose) Liebesgeschichte, für die nächsten schält sich das soziale Desaster des einfachen Soldaten heraus, der gern ein guter Mensch sein will und dabei unter die Räder kommt. Jede/r kann und soll eben die persönliche Sicht auf das Stück haben. Und dafür sollte man es keinesfalls verpassen.

Weitere Aufführungen: Sa. 07.05.2011 / 20 Uhr; Sa. 21.05.2011 / 20 Uhr; Mo. 06.06.2011 / 20 Uhr

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