Expo am Meer
Jun 282000
 

Kaum jemand hat sich hierher verirrt...

Die Expo am Meer: Ein riesiger Flop?!

(hk) Im letzten Gegenwind ließen wir die Hoffnung durchblicken, dass es mit der abgespeckten Expo am Meer ja vielleicht noch etwas werde könnte. Doch hier in Wilhelmshaven ist man wohl nicht einmal dazu in der Lage. Leid tun können einem nur die Leute, die mit viel Energie ihre zum größten Teil ja auch interessanten und sehenswerten Exponate vorstellen und den ganzen Tag auf den Besucheransturm warten müssen.

Die Organisation ist so schlecht, dass selbst die Ziehmutter der Expo, die Wilhelmshavener Zeitung, nicht umhin konnte, laut Kritik zu üben.
Die Ausschilderung der räumlich von einander getrennten Ausstellungsobjekte ist miserabel. Besucher (und nicht nur auswärtige) irrten um den Großen Hafen, fanden nicht die in Hochglanzbroschüren hochgelobten Exponate. Die in den Banter Kasernen untergebrachten Ausstellungen leiden unter Besuchermangel. „Gemütlich präsentiert sich das vollmundig ‚Expopark’ genannte Gelände der Banter Kaserne an diesen ersten Tagen dennoch nicht – mit Ausnahme des schönen Pavillons der Azoren, von Logrono und Vichy sowie der Halle mit den Modellschiffen und dem außerschulischen Lernort. Ein Höhepunkt ist die Tiefseeausstellung. Allerdings wurde hier an passender Beleuchtung gespart – die Fenster wirken wie Schießscharten.“ (WZ, 3.6.2000)
Auch für den Bereich der Banter Kaserne gilt, dass man gar nicht weiß, wo welche Information dargeboten wird – kaum Hinweisschilder, keine Orientierungstafeln. Erst wenn man direkt davor steht, weiß man, dass auch im östlichen Teil des Gebietes noch mehr oder weniger interessante Exponate angesiedelt sind.

Wie sieht es mit der Versorgung der Besucher aus?

expo 1Wieder aus der WZ: „Kritisiert wurde auch der Mangel an Imbiss-Ständen im Expo-Forum. In der Eröffnungsnacht waren dort Bier und Bratwurst ausverkauft.“ „Weder Mülleimer noch Sitzbänke, weder eine Telefonzelle noch ein Getränkeautomat sind vorhanden, und die Gastronomie in der ehemaligen Kantine verlockt ebenfalls nicht zum Bleiben. Viele Besucher stört das nicht, denn kaum jemand hat sich hierher verirrt, zumal viele den Eingang zum Gelände mangels Beschilderung schlicht übersehen haben.“ Die ehemalige Kantine scheint inzwischen geschlossen zu sein (ohne die Hinweisschilder abzubauen), dafür steht ein größerer Zeltling im zukünftigen Eingangsbereich.
Doch zum Glück gibt es ja noch die Marine an der Wiesbadenbrücke. Hier gibt es zwar nichts Neues zu sehen, doch hier warten wenigstens „das Bistro-Zelt mit Erbsensuppe und die Marine mit einem bunten Programm“ (WZ 3.6.2000) auf. Darauf versteht sich, wie man weiß, unsere Marine ja besonders gut.
In der Jahnhalle treffen die WZ-Reporter doch tatsächlich auf ganze zwei Besucher, die das alles auch schön finden und die Frage „Wo sind die Leute?“ stellen.

Eintrittskartenchaos

Wenn man eine Expo-Entrittskarte hat, kommt man allerdings nicht überall rein. Extra Eintritt kosten u.a. die Walausstellung, das Marinemuseum und das Seewasseraquarium. Doch ohne Expo-Eintrittskarte geht’s auch nicht. Z.B. für die Ausstellung der Schiffsmodelle im C&A-Gebäude gibt es keine Einzelkarten.

Erste Flops

Flops waren das Hit-Festival am Donnerstagabend auf der Open-Air-Bühne (die dort engagierten Gruppen wie Del Sol, Baastian Ragas, Andru Donalds, Passion Fruit und Liquido kennen nur eingeweihte Teenies) am Südstrand und die Aufführungen des Marinemusikkorps an gleicher Stelle. Die Marinemusiker brachten hier Händels „Feuerwerksmusik“, untermalt von einem Feuerwerk, zu Gehör. Das ist inzwischen so stupide wie die von Steppenwolfs „Born to be wild“ unterlegten Szenen motorradfahrender Menschen oder die von Rod Stewarts „Sailing“ begleiteten Segelboote im deutschen Fernsehen. Trotz kurzfristig auf Null gesenkter Eintrittspreise musste man schon einen ordentlichen Stiefel Bier getrunken haben, um auf die von der WZ gezählten „mehrere Tausend“ ZuhörerInnen zu kommen.
In „Guten Morgen Sonntag“ führte das Hitfestival dann auch zu einem bösen Kommentar. Dort hieß es unter anderem: „Die Wilhelmshavener Jugend hat gezeigt, dass sie an Mega-Hits in Live-Form kein Interesse hat. Bleibt für die angereisten Künstler noch die Gewissheit: Auch andere Städte haben schöne Bühnen. Vielleicht nicht so stimmungsvoll am Wasser, dafür aber mit ausreichend Publikum.“
Die Probleme sind den Expo-Machern bekannt, und einige werden sicherlich bald beseitigt sein. Auch wenn die offiziellen Stellen immer wieder vom großen Erfolg der ersten Wochen sprechen, haben sich die offensichtlichen Fehlplanungen schon weit herumgesprochen.

Ordentlich auf den Putz gehauen

Schon am ersten Expo-Wochenende ließ die Stadt verlauten, dass 200.000 Besucher an den verschiedenen Veranstaltungen teilgenommen hätten. Alle, die sich an diesem ersten Wochenende im Expo-Bereich getummelt haben, werden sicherlich die Hände überm Kopf zusammengeschlagen haben, waren es doch immer nur kleine Menschentrauben, die dort zu sehen waren.
Mit Eintrittskarte sollen es an diesem ersten Wochenende 8.000 Leute gewesen sein, wobei die Besucher der einzelnen Areale allerdings einfach zusammengezählt wurden. Ein weiteres Indiz für das Ausmaß des Debakels ist die Frequentierung des Makroshuttles vom Parkplatz Geniusbank zur Rheinstraße. Da sitzen man immer nur eine Handvoll Leute drin, die dann auch noch in der Prärie an der Ruine der Südzentrale rausgelassen werden und dort entweder auf den Mikroshuttle warten oder sich zu Fuß in Bewegung setzen, um dann irgendwo zu landen.
Am 9. Juni hieß es dann in der Wilhelmshavener Zeitung, dass insgesamt bereits 21.000 Karten verkauft wurden. Man sprach offiziell wieder von einem Erfolg: „Bislang konnten 21.000 Karten verkauft werden. Da weder die Ferien in NRW noch in Niedersachsen begonnen hätten, könne von einem gelungenen Start der Expo am Meer gesprochen werden.“ (Neue Rundschau) Ob die Rechnung mit den Schulferien in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen aufgehen wird, muss sich erst noch zeigen, denn bis jetzt waren es fast ausschließlich Schulklassen, die mal für gefüllte Hallen sorgten.

Wie viele Besucher braucht die EXPO?

expo 2Mit 750.000 Besuchern rechnen die Expo-Macher. Jürgen Gronewold, Leiter des Expo-Büros: „Ich bin sicher: die 750.000 Besucher werden wir mit Sicherheit erreichen. Und damit steht die „Expo am Meer“ auch finanziell solide dar. (…) Derzeit wickeln wir viele Kontingent-Bestellungen ab; viele Firmen buchen ganze Ticket-Pakete. (…) Übers Internet haben wir laufend Anfragen; 30.000 wurden im vergangenen Monat registriert.“ (Alles WZ, 8.April 2000)
Wenn 750.000 Besucher nötig sind, um ein finanziell solides Ergebnis zu erreichen, dann müssen Tag für Tag 5.000 Leute die Expo besuchen! Wie hieß es am 9. Juni in der Wilhelmshavener Zeitung: 21.000 Tickets verkauft! Das sind 2.000 Besucher pro Tag. (Foto: Partnerstadt Qingdao – Zeit und Raum zum ungestörten Meditieren)

Längere Geschäftsöffnungszeiten

Bei der Expo am Meer geht es natürlich in erster Linie ums Geldverdienen. Darum dürfen Wilhelmshavens Geschäfte während der Expo auch länger geöffnet haben. Doch auch das will nicht so richtig klappen. „Die verlängerten Öffnungszeiten allerdings würden bisher fast nur von Auswärtigen in Anspruch genommen. Die Wilhelmshavener haben offensichtlich noch nicht mitbekommen, dass die Innenstadt montags bis freitags bis 20 Uhr und sonnabends bis 18 Uhr zum Einkaufen offen steht.“ (Rüdiger Babatz vom City Interessen Verein laut WZ vom 21.6.).

Eigentlich schade!

Neben der etwas übergewichteten Fremdenverkehrs- und Produktenwerbung gibt es eine Menge interessante und gute Ausstellungen. Es wäre schade, wenn diese weiterhin ein solches Schattendasein wie im ersten Expo-Monat führen müssten. Der Grund für dieses Schattenleben liegt mit Sicherheit nicht bei den Ausstellern. Er ist eher darin zu finden, dass die Expo-Macher versucht haben, die abgespeckte Expo wieder aufzumotzen, den Ausstellungsbereich bis in die letzte südwestliche Ecke der Stadt auszudehnen, statt den Bereich von den Banter Kasernen bis zur Jahnhalle der Expo entsprechend zu gestalten. Die Figuren an den Laternenmasten und Zäunen reichen dazu nicht aus.
Leider sehen wir diesmal keinen Grund, Hoffnung auf eine positive Entwicklung der Expo zu verbreiten. Die Wilhelmshavener Projekt Gesellschaft hat deutlich zu verstehen gegeben, dass es grundsätzliche Änderungen nicht mehr geben kann und wird. Wir Wilhelmshavener können nichts weiter tun, als die Veranstaltungen zu besuchen und mit der Stadt zu hoffen, dass die Ferien nicht zu viel schönes Sonnenwetter bieten, damit die Urlauber an Ostfrieslands Küste und auf Ostfrieslands Inseln auch Lust auf einen Expo-Besuch bekommen und nicht nur in ihren Strandkörben liegen.

Erstaunlich ist, dass Radio Jade von all dem nichts merkt und erst dann über Missstände berichtet, wenn sie von offizieller Seite benannt wurden. Dabei haben die doch ein „Oceanis-Studio“ direkt am Expo-Forum. Die „Expo-am-Meer-Welle“, wie Radio Jade sich selbst betitelt, tut so, als wäre die Expo am Meer wirklich der große Erfolg. Da bietet unser Bürgerradio der Monopol-WZ echt Paroli: In der WZ kommen ja auch kritische Stimmen zu Wort – bei Radio Jade passiert so etwas nicht!

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