Es brennt
Nov 191990
 

Olympia reif

Hoffnung nur noch in höchsten Sphären

(noa) Immer wieder bringt unser Heimatblatt es fertig, auch die schlimmsten Katastrophenmeldungen als Jubelnachrichten zu verpacken. Nach unseres Kanzlers Vorbild wird verbissen Optimismus verbreitet – Papier ist geduldig, und ob stimmt, was in der WZ steht, ist offenbar egal.

Wer außer einigen ganz gut Eingeweihten war schon alarmiert, als es am 1. Oktober auf der ersten Seite hieß: „Olympia sucht Partner“? Dass es bei Olympia mittlerweile brennt, wurde in derselben Ausgabe auf Seite 5 in einem Schwall beschönigender Worte verpackt und ging unter. Alle weiteren Artikel und Meldungen seither sind nach demselben Prinzip aufgemacht.
Vorläufig letztes Beispiel (Stichtag: Redaktionsschluß dieser GEGENWIND-Ausgabe) dieser Desinformation war der Artikel „Neuer AEG-Chef bekennt sich zu Dürrs Olympia Äußerungen“ am 17.11.90. Da wird berichtet, daß der CDU-Bundestagskandidat Erich Maaß mit dem künftigen AEG-Chef Stoeckl gesprochen und von ihm erfahren habe, daß dieser „sich der Kontinuität Dürrs und des Daimler-Benz-Chefs Reuter verpflichtet sehe.“
Und hier liegt der Hase im Pfeffer. Diese beiden „Kontinuitäten“ sind einander entgegengesetzt. Während Dürr, bis zum 31.12. noch AEG-Vorstandsvorsitzender, den Olympianern versprochen hat, den Produktionsstandort Roffhausen zu halten, sind von Reuter ganz andere Töne zu vernehmen.
„Der chronische Verlustbringer Olympia in Wilhelmshaven (…), der gegen die Giganten der Bürokommunikationsbranche keine Chance hat, wird, wenn irgend möglich, verkauft oder dichtgemacht. Am Rückzug aus der Bürokommunikation wird Reuter nicht mehr rütteln“, berichtete das „Manager Magazin“ in seiner November-Ausgabe.
Daß „verkauft“ und „dichtgemacht“ dasselbe bedeuten würde, ist jedem, der die Situation der Schreibmaschinenbranche einigermaßen kennt, klar. Eine Fortsetzung der Produktion in Roffhausen im Falle eines Verkaufs der Olympia-Werke erscheint dem Betriebsrat „nicht realistisch“, denn wer auch immer sie übernähme, würde einen Betrieb kaufen, der heute mehr Rentner als noch Beschäftigte hat.
„Wir halten es für realistischer, daß man nur einen Teilbereich, z.B. den Vertrieb, verkaufen kann“, so der Betriebsratsvorsitzende Holger Ansmann. Diese Befürchtung geistert ja schon lange durch die Fabrikhallen in Roffhausen: Die Olympia als reiner Verkaufsladen für Schreibmaschinen made in Taiwan, Malaysia oder sonstwo. Es ist gut vorstellbar, daß es asiatische Hersteller gibt, die daran interessiert sind, die Vertriebskanäle und den Markennamen „Olympia“ zu übernehmen. Die wären aber mit Sicherheit nicht an der Fabrik interessiert.
Von den derzeit noch 2934 Beschäftigten (Stand: 31.10.90) sind ca. 1050 direkt im Fertigungsbereich tätig, doch bei einem Verkauf wären alle Arbeitsplätze am Standort Roffhausen gefährdet. Bei einer Schließung der Fertigung könnte die Infrastruktur nicht länger aufrechterhalten werden; Entwicklung und Betriebsmittelkonstruktion, sonstige Dienste bis hin zu den Pförtnern würden überflüssig.
Wenn Erich Maaß nun also in der WZ berichten läßt, „dass Stoeckl sich frühzeitig mit der Olympia-Problematik befassen werde“ und daß es dabei „sowohl um ‚interne‘ als auch um ‚externe‘ Lösungen (mit einem Partner)“ gehe, dann können wir WilhelmshavenerInnen und FriesländerInnen darauf nur antworten, daß wir die „interne“ Lösung brauchen, denn wir haben hier schon ohne die „externe“ Lösung eine Arbeitslosenquote von 16 %!
Und eine interne Lösung heißt: Die noch bestehenden Arbeitsplätze bei Olympia müssen gesichert werden, indem der Betrieb neue Aufgaben innerhalb des Daimler-Benz-Konzerns übertragen bekommt – eine Forderung, die der Betriebsrat wie auch die IG Metall schon lange stellen. Es bestehen auch schon ganz konkrete Vorstellungen, welche neue Arbeit das sein kann: „Die Airbus-Produktion platzt aus allen Nähten“, erklärt Holger Ansmann. „Statt woanders neu zu investieren, sollen besser die Möglichkeiten hier genutzt werden. Die Investitionen, die in den letzten Jahren hier getätigt wurden, sind für uns gewissermaßen ein Faustpfand. Wir haben hier ein neues Werk mit guten Fertigungstechnologien. Und wir haben hier gut ausgebildete und motivierte Arbeitskräfte.“
Neben diesen Argumenten sprechen weitere Standortvorteile für Wilhelmshaven. Die Zeitung ‚Wirtschaftswoche‘ veröffentlicht regelmäßig Vergleiche der Bedingungen für Investoren in den unterschiedlichen Städten. Da wird aufgestellt, wie es mit ausgebildeten Arbeitskräften und Verkehrsanbindung aussieht, aber auch verglichen, wo die Stadtverwaltungen und die Arbeitsämter am unbürokratischsten sind. In diesen Vergleichen schneidet Wilhelmshaven aus der Sicht der Unternehmer immer gut ab. Das macht sich aber nicht in Form von Investitionen bemerkbar. Bei den Unternehmern scheinen andere Überlegungen vorrangig zu sein“, äußerte sich Hartrnut Tammen-Henke, 1. Bevollmächtigter der IG Metall, gegenüber dem GEGENWIND.
Welche anderen Überlegungen dies sind, darüber läßt sich spekulieren. Gemeinhin investieren Unternehmer da, wo sie sich am meisten Profit versprechen. Und wenn es gesamtwirtschaftlich gesehen auch noch so unsinnig erscheint, irgendwo eine neue Fabrik zu bauen, während woanders eine Fabrik verrottet, so werden sie es doch tun, wenn sie an dem neuen Standort mehr Vorteile in Form von Subventionen, Steuergeschenken, verbilligtem Strom und Wasser usw. bekommen.
„Dagegen können wir nur mit der Solidarität der ganzen Region angehen“, schätzt Holger Ansmann die Lage ein. „Es wird sich zeigen, ob es uns gemeinsam gelingt, einen Konzern mit 300.000 Beschäftigten und 76 Milliarden DM Umsatz in die Knie zu zwingen und zu veranlassen, seine Verantwortung für eine strukturschwache Region wahrzunehmen.“

Das Allerletzte in Sachen Olympia
Am 22. 11. meldete der NDR II, dass der Verkauf der Olympia-Werke beschlossene Sache sei. In der WZ am 23.11. war zu lesen, der NDR habe die Schließung des Werkes angekündigt und damit die Belegschaft verunsichert. Darüber hinaus will die WZ wissen, daß Reuter gegenüber SPD-MdB Herbert Ehrenberg „eine Art Bestandsgarantie“ abgegeben habe.
In den Abendnachrichten der „welle nord“ am selben Tag wurde dem widersprochen: Man habe bei Daimler Benz telefonisch nachgefragt und von einem Konzernsprecher den Bescheid erhalten, daß es keine Bestandsgarantie geben könne; Mercedes sei zwar ein soziales Unternehmen, aber nicht einmal für Sindelfingen würde man eine solche Bestandsgarantie abgeben. Holger Ansmann erklärte daraufhin gegenüber dem Sender, daß der Betriebsrat weiterhin die Forderung nach Verlagerung von Teilen der Airbus-Produktion nach Roffhausen erhebt.

 

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