Wilhelmshavener Projekt-Gesellschaft
Okt 302002
 

Ein Gramm Handeln ersetzt eine Tonne Theorie

Was wird aus der Wilhelmshavener Projekt-Gesellschaft? Wir sprachen mit der Geschäftsführerin Aida Kleinschmidt

(iz/hk) „Ein Gramm Handeln ersetzt eine Tonne Theorie.“ Diese Aussage des deutschen Philosophen Friedrich Engels fanden wir auf einer Internet-Seite der (immer noch) neuen WPG-Geschäftsführerin Aida Kleinschmidt. Sie vermittelte in den Gespräch, das wir mit ihr führten, auch genau diesen Eindruck: „Nur wer weiß, wovon er spricht, ist auch in der Lage, etwas richtig zu machen.“

Von den Turbulenzen um die WPG im Zusammenhang mit der Expo möchte Frau Kleinschmidt am liebsten nichts mehr hören. „Was ich hier vorgefunden habe, war erschreckend. Die Debatten in der Öffentlichkeit, in der die WPG zum Prügelknaben wurde, hatten den Mitarbeitern einen richtigen Knacks gegeben, sie hatten kein Selbstbewusstsein mehr.“ Die Schuld für das Debakel im Expo-Jahr 2000 sieht Frau Kleinschmidt eben nicht bei den Mitarbeitern: „Wir sind ein Dienstleister und führen die Wünsche der Politik aus.“ Auch in die Debatte um den unrühmlichen Abgang des Geschäftsführers Rüdiger Kramp möchte sie sich nicht einmischen. „Die Bücher waren hundertprozentig in Ordnung und seine Arbeit, soweit ich das beurteilen kann, auch.“ Für Aida Kleinschmidt ist das Thema Expo am Meer abgeschlossen.

Auf zu neuen Ufern

Frau Kleinschmidt ist jetzt dabei, den Laden gehörig umzukrempeln, oder, wie sie es ausdrückte, die Mitarbeiter so einzusetzen, dass diese eine optimale Leistung erbringen können und gleichzeitig das Gefühl haben, dass es wieder vorwärts geht. Sie meint, dass sich da auch schon die ersten Erfolge zeigen: „Die Mitarbeiter gehen jetzt mit viel mehr Motivation an die Erledigung ihrer Aufgaben.“ Nach ihrem Eindruck wurde das Personal ständig von einer Aufgabe zur anderen geschoben, ohne sich in einem Verantwortungsbereich richtig entwickeln zu können. So z. B. ihre zukünftige Pressesprecherin Frau Beckers, die unser Gespräch begleitete und demnächst durch eine Fortbildung grundlegend auf ihren neuen Wirkungskreis vorbereitet werden soll. Frau Kleinschmidt geht im Übrigen davon aus, dass es bis zum Ende des nächsten Jahres dauern wird, bis die in Gang gesetzten Umstrukturierungen greifen, bis sie weiß, wo das Unternehmen steht und wozu es in der Lage ist. Und dann wird es richtig losgehen. Die Veränderungen im Inneren zeigen natürlich auch Wirkung nach außen.

Einschneidende Änderungen im Pumpwerk

Pumpwerk 1Vom Pumpwerk, wie wir es bisher kennen, werden wir uns wohl verabschieden müssen, auch wenn Frau Kleinschmidt dies bestreitet. Das Pumpwerk hat in seiner über 20jährigen Geschichte ja schon einige Zäsuren mitmachen müssen.
So wird es auch zukünftig noch das geben, was wir als typisches Pumpwerk-Programm bezeichnen: Kleinkunst, Jazz, Rock, spezielle Veranstaltungen, z.B. für Behinderte. Es wird aber daneben Veranstaltungen geben, die dem „Mainstream“ huldigen. „Das Geld fürs Pumpwerk muss ja verdient werden – und da wird es zukünftig eben auch Veranstaltungen der großen Agenturen geben, auch wenn diese nicht ins bisherige Konzept des Pumpwerks passen“, beschreibt Frau Kleinschmidt eine der zu erwartenden Veränderungen. Sie kann sich auch vorstellen, das Pumpwerk für Betriebsfeste u.ä. zu öffnen, wenn die Kasse stimmt. „Kultur gibt es nicht zum Nulltarif – sie muss sich rechnen“, erläutert sie die Zwänge, in denen die WPG steckt. Und weiter: „Sie dürfen nicht vergessen, dass in der Stadt einige gern weniger Pumpwerk sehen würden“.
Bisher war es möglich, dass auch finanziell schwache Gruppen (Bürgerinitiativen u.ä.) das Pumpwerk nutzen konnten – doch auch diese werden jetzt zur Kasse gebeten. Frau Kleinschmidt will vor Jahresende ein Konzept für ein zweigleisiges Modell vorlegen, in dem zwischen kommerzieller und nicht kommerzieller Nutzung preislich unterschieden wird. Unseren Einwand, dass eine Bürgerinitiative sich dann das Pumpwerk wohl nicht mehr leisten könne, wischte Frau Kleinschmidt mit dem Hinweis auf das weite, in Deutschland und gerade in Wilhelmshaven noch weitestgehend unbeackerte Feld des Sponsoring vom Tisch. Sie fordert da mehr Einfallsreichtum von den Gruppen.
Ihre Ankündigung, dass das Pumpwerk sich für alle Gruppen öffnen müsse, ließ einigen Mitarbeitern die Kinnlade runterklappen. Die aus Sarajewo stammende Geschäftsführerin schränkte diese Aussage dann allerdings etwas ein: „Ich bin eine Ausländerin – und es wird unter meiner Leitung keine Veranstaltungen mit ausländerfeindlichen Gruppen geben.“ Sie würde dafür sogar ihren Posten zur Disposition stellen, wie sie uns gegenüber versicherte.
Unklar blieb in dem Gespräch die Rolle des bisherigen Pumpwerk-Teams. Helmut Bär war bekanntlich 1992 zum Veranstaltungsleiter der WPG (damals noch Freizeit GmbH) aufgestiegen und sorgte z. B. mit neuen Ideen für eine andere Ausrichtung des Wochenendes an der Jade. Jetzt ist er wieder Veranstaltungsleiter des Pumpwerks. Unsere Frage, ob er damit der ‚Chef‘ von Tasso Olbertz und Stefan Leimbrinck ist, verneinte Frau Kleinschmidt. Sie beschrieb seine Aufgabe mit „wirtschaftlicher Verantwortung“. Daneben wird er den Bereich Kleinkunst im Pumpwerk organisieren. Für Frau Kleinschmidt ist er damit „optimal“ eingesetzt.
Wir werden die Entwicklung des Pumpwerks natürlich genau beobachten und sind uns sicher, dass wir damit noch so einige Seiten künftiger Gegenwinde füllen werden.

Wochenende an der Jade

Auch hier kündigt die quirlige WPG-Chefin Veränderungen an. Das Wochenende an der Jade 2003 wird wieder mit einem festen Thema und einem Gastland aufwarten. Im Wilhelmshavener Jubiläumsjahr (Jadevertrag) wird aus naheliegenden Gründen Dänemark in Wilhelmshaven zu Gast sein. Das in diesem Jahr ins WadJ integrierte Gauklerfest ist in der Menge ziemlich untergegangen – dafür soll ein anderer Standort gefunden werden.
Das Wochenende an der Jade sieht Frau Kleinschmidt als das Fest der Wilhelmshavener an – und dazu will sie es wieder machen.

Küstenmuseum

Die Altlasten des jahrelangen Hickhacks um inhaltliche Ausstattung und Geschäftsführung sind Frau Kleinschmidt bekannt. Wie sie einräumte, war der GEGENWIND – auch in Bezug auf den Rest der WPG – ihre ergiebigste Informationsquelle, die sie auch weiterhin nutzen wird. Sie pflichtete der häufigen Kritik an der Wal-Ausstellung bei (deren Urversion in der Torpedowerft sie nicht kennen gelernt hat). Diese sei zwar ganz angemessen, aber sehr teuer im Unterhalt, z. B. für Beleuchtung, und mit dem, was die Firma Milla & Partner dafür kassiert hat, ist sie auch nicht einverstanden. Zum neuen Leiter des Küstenmuseums, der am 1.1.2003 seinen Dienst antritt, hat Frau Kleinschmidt jetzt schon intensiven Kontakt und versorgt ihn regelmäßig mit den nötigen Informationen. Bisherigen Äußerungen zufolge steht er positiv zum Konzept des Historischen Arbeitskreises des DGB (der bereits ein Kernstück der zukünftigen Ausstellung konzipiert und hergestellt hat). Frau Kleinschmidt teilt diese Auffassung, möchte aber den Entscheidungen des neuen Leiters nicht vorgreifen. In diesem Zusammenhang eröffnete sie, dass auch sie als WPG-Geschäftsführerin seine geöffnete Dienstpost lesen wird. (Dies war ein Kritikpunkt, den die gewesene Leiterin des Küstenmuseums, Beate Bollmann, gegenüber der Interims-Geschäftsführerin Verena Powollik geäußert hatte. Frau Bollmann hatte dies und weitere Vorkommnisse als Vertrauensbruch empfunden und nach nur sechs Wochen den Job hingeschmissen.) Für Frau Kleinschmidt ist es selbstverständlich, dass es keine Geheimnisse unter den WPG-Mitarbeiter/innen geben darf; auch Briefe an sie persönlich, selbst wenn diese mit „vertraulich“ gekennzeichnet sind, würden durch die offene Dienstpost gehen.

JadeWeserPort-Cup

Auf unsere Frage, ob die WPG im nächsten Jahr den JadeWeserPort-Cup organisieren wird, antwortete Frau Kleinschmidt: „Im Wirtschaftsplan 2003 gibt es keinen Titel JadeWeserPort-Cup. Was nicht heißt, dass wir uns nicht einbringen können. Wir könnten das allerdings nur in Form der Dienstleitung machen. Das heißt: Für das, was wir tun, müssen wir bezahlt werden. Wenn es im nächsten Jahr heißt, dass wir das machen sollen , dann machen wir das.“

Campingplatz

Ob es einen neuen Campingplatz in Wilhelmshaven geben wird, konnte Frau Kleinschmidt nur mit dem Satz „Zurzeit nein“ beantworten. Es sind 7 mögliche Plätze geprüft worden, wobei nur ein einziger Platz bedingt tauglich ist. Der wird noch mal überprüft und durchgecheckt – aber im Moment gibt es keinen Alternativplatz. Für das Jahr 2003 steht der Platz am Geniusstrand noch voll im Programm, und für 2004 wurde von der Verwaltungsseite ebenfalls grünes Licht für die Vermietung gegeben. Was 2005 sein wird, lässt sich momentan noch nicht abschätzen.

Eisenstein

An der Entscheidung, das mittlerweile international renommierte Filmfestival zu kippen, war Frau Kleinschmidt noch nicht beteiligt; die soll bereits Ende letzten Jahres gefallen sein. Es klang jedoch, als sei die Veranstaltung für sie noch nicht ganz vom Tisch, d. h. durchaus wiederzubeleben, wenn die entsprechenden Geldmittel vorhanden seien.

Ausblick oder: Nomen est omen?


Aida Kleinschmidt ist der Prototyp der modernen Karrierefrau: hochintelligent, selbstbewusst, kreativ, positiv denkend, bestens ausgebildet (als Grafikerin in der Werbebranche und als Betriebswirtschaftlerin) und fest entschlossen, etwas zu bewegen. Und bereit, die Zähne, die sie oft beim Lachen zeigt, auch allen zu zeigen, die sich ihr in den Weg stellen – und sie mal zusammenzubeißen, wenn es sein muss. Das lässt hoffen, dass die rasche Fluktuation in der WPG-Geschäftsführung vorerst ein Ende hat und sich wieder ein roter Faden entwickelt. Wir möchten einen Kasten Bier verwetten, dass sie der Stadt so mindestens vier, fünf Jahre erhalten bleibt (wenn man sie denn lässt).
Vielleicht auch länger – aber zu diesem Typ gehört auch die Flexibilität und Ungebundenheit, wenn es darum geht, sich beruflich weiterzuentwickeln.
Und dazu gehört auch eine gewisse kühle Sachlichkeit, bei der der Betrieb als persönliche Erfolgsstory im Mittelpunkt steht. Wo sich das Gefühl aufdrängt, dass die Mitarbeiter weniger aus menschlichem als eher betrieblichem Interesse gehätschelt werden. Das ist der Mainstream moderner Betriebsführung – und im Falle der WPG momentan vielleicht die einzige Möglichkeit, den Karren aus dem Dreck zu ziehen.
Bei den oben aufgeführten Attributen fehlt noch: durchaus sympathisch – mit der könnte man auch Pferde stehlen oder ein Bier trinken. Und sei es der Kasten Pils, den wir verlieren, wenn Aida – freiwillige Sklavin des Wilhelmshavener Kulturgeschehens und gleichzeitig ihre Königin – wider Erwarten hier Wurzeln schlagen sollte.

Kommentar:Pumpwerk – das war’s dann wohl!?
PumpwerkWie sagte Aida Kleinschmidt? „Sie dürfen nicht vergessen, dass in der Stadt einige gern weniger Pumpwerk sehen würden“. Nun war das Pumpwerk in früheren Zeiten ja auch schon konservativen Kommunalpolitikern ein Dorn im Auge. Rückblickend kann man das aus ihrer Sicht nachvollziehen – war das Pumpwerk doch der zentrale Anlaufpunkt für Friedens-, Umwelt-, Antifa-Gruppen; ausländische Kulturvereine trafen sich hier neben dem politischen Wilhelmshaven-Forum und noch so allerlei anderen oppositionellen Kräften.
Dieses Problem für Wilhelmshavens Politiker löste sich beinahe von selbst: Die Bewegungen gingen mangels Masse ein und konnten sich größenmäßig in jeder Telefonzelle versammeln. Durch die Umstrukturierung 1992 verließen dann auch die letzten Überreste dieser Initiativbewegungen das Pumpwerk – man traf sich dann eben in der Perspektive, im Infoladen, in der Lesestube oder sonst wo. Nur für Veranstaltungen stand das Pumpwerk immer noch allen Gruppen offen, was dann auch genutzt wurde.
Doch warum ist das Pumpwerk heute den Politikern ein Dorn im Auge? Etwa die party4U – eines der wenigen Highlights in der Kriminalitätsprävention? Oder Theaterstücke zu Themen wie Jugend, Rassismus und Gewalt? Stört jemanden die Behindertendisko? Das kann es eigentlich alles nicht sein! Das Pumpwerk ist nicht unpolitisch – aber es ist auch kein Hort, von dem irgendwelche umstürzlerischen oder sonst wie gearteten Aktivitäten zu befürchten sind. Wenn es keine Erklärung mehr gibt, dann gibt es dennoch immer noch eine: Es kann nur das Geld sein.
Aber kann es angehen, dass die Stadt Wilhelmshaven das Pumpwerk nach ausschließlich betriebswirtschaftlichen Gründen geführt wissen will? Gibt es in dieser Stadt denn nicht mehr einen Politiker, der sieht, welche wichtigen Aufgaben das Pumpwerk in Wilhelmshaven wahrnimmt? Gibt es hier keinen Politiker mehr, für den Kultur mehr bedeutet als Karl Moik und Herbert Grönemeyer und schwarze Zahlen in der Bilanz? Eine kommerzielle, konzeptfreie Veranstaltungshalle gibt es bereits: die Stadthalle. Brauchen wir eine zweite?
Wie kurzsichtig die Politiker sind, die das Pumpwerk mit in die harte betriebswirtschaftliche Mühle der WPG einbezogen haben, lässt sich an wenigen Beispielen belegen. Wenn es nicht mehr möglich ist, Veranstaltungen wie party4u zu machen (hier treffen sich jedes Mal mehrere hundert Kinder und Jugendliche vornehmlich aus dem ‚sozialen Brennpunkt’ Südstadt, um ohne Alkohol, Nikotin, Marihuana… zu feiern), wenn der Verein der Türken, der Spanier, der Serben oder der Wolgadeutschen kein Kulturfest im Pumpwerk mehr durchführen kann, weil die Gebührenordnung es unmöglich macht, dann wird das Pumpwerk in kürzester Zeit auf die (nicht unbeträchtlichen) Gelder aus den Töpfen zur Förderung der sozio-kulturellen Zentren verzichten müssen.
Mit dem „Eisenstein“ (früher Maritime Filmtage) hatte man in Wilhelmshaven ein Kurzfilmfestival etabliert, welches weltweit Beachtung gefunden hatte. Es wurde einfach gestrichen. Doch was wurde da gestrichen? Wilhelmshavens Beitrag mag bei 30.000 DM gelegen haben – aber es kamen Fördergelder in fast dreifacher Höhe in die Stadt!
Wenn unsere Politiker schon kein Kulturverständnis mehr haben, sollten sie doch zumindest rechnen können! Oder haben alle inzwischen einen Container vorm Kopf?
Und nicht zuletzt: Dem Pumpwerk ist es zu verdanken, dass unsere Stadt weit über die regionalen Grenzen, sogar weit über nationale Grenzen einen Namen hat. Das Pumpwerk ist mehr wert als ein Dutzend millionenschwerer Imageförderprogramme – das Pumpwerk bestimmt in vielen Bereichen das Image unserer Stadt!
Die Umsetzung der politischen Vorgaben obliegt der WPG und damit Aida Kleinschmidt. Von ihr erwarten wir, dass sie mit dem Pumpwerk anders umgeht, als wäre es irgend ein betriebswirtschaftlich bewertbares Objekt.

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