Gegenwind-Gespräch: Hildegard Korell
Okt 302002
 

FairMarkt = Faire Preise

Der FairMarkt ist auf der Suche nach einem LKW

(hk) In den letzten Monaten hat sich der FairMarkt weiterentwickelt. Inzwischen kann man dort beinahe alles bekommen, was man/frau so benötigt, um zu wohnen und sich zu kleiden. Wir sprachen mit Hildegard Korell, der 1. Vorsitzenden des Vereins „Wilhelmshavener helfen“ über das Konzept des FairMarktes und natürlich auch über die Probleme, mit denen der Verein zu kämpfen hat. Die kleinen Freuden, die die Arbeit mit sich bringt, kamen aber auch nicht zu kurz.

Gegenwind: Wer darf bei euch kaufen?
Hildegard Korell: Grundsätzlich kann jedeR bei uns kaufen, egal ob ObdachloseR oder MillionärIn. Mit uns kann man auch handeln, Bedürftige erhalten mehr Nachlass, es gibt ständig was umsonst, z.B Kleidung, Geschirr, Bücher, Möbel. Trotzdem sind wir auch angewiesen auf „Otto Normalverdiener“, ohne ihn könnte der FairMarkt nicht existieren. Wir haben viele StammkundInnen, die nicht bereit sind, jeder Modetorheit hinterherzurennen und die sich freuen, bei uns ein Schnäppchen zu machen.

Wie viele MitarbeiterInnen habt ihr?
Zur Zeit ist die Personaldecke sehr dünn. 1½ feste Arbeitsplätze finanzieren wir durch den Verkauf. Zwei Vollzeitkräfte konnten wir nach Ablauf staatlich geförderter Maßnahmen nicht weiter beschäftigen. Drei zuverlässige ehrenamtliche MitarbeiterInnen haben ihre Tätigkeit aus beruflichen bzw. gesundheitlichen Gründen aufgeben müssen. Im Moment müssen wir die Arbeit mit einigen Hilfskräften und Ehrenamtlichen bewältigen. Urlaub und Krankmeldungen führen zu mittleren Katastrophen und überfordern gelegentlich alle MitarbeiterInnen.

Warum verschenkt ihr die Sachen nicht?
Wir haben erhebliche Gelder für Miete incl. Nebenkosten, Personalkosten, Transportkosten, seit diesem Jahr u.a. auch noch 16% Umsatzsteuer, aufzubringen. Wir erhalten keine finanzielle Unterstützung von der Stadt. Außerdem haben wir die Erfahrung gemacht, dass einige Mitmenschen denken, was nichts kostet, ist auch nichts wert. Beschenkt bzw. unterstützt werden von uns in erster Linie gemeinnützige, soziale Einrichtungen (Schulen, Kindergärten) bzw. karitative Vorhaben (Tharandt, Afrika, Russland).

Woher bekommt ihr die Sachen?
Es handelt sich ausnahmslos um Sachspenden, die die Wilhelmshavener Bevölkerung uns kostenlos überlässt. Das geht von Kinderkleidung, aus denen die Kleinen herausgewachsen sind, über Bücher, die nach einmaligem Lesen weggegeben werden, bis hin zu kompletten Haushaltsauflösungen.

Was macht ihr mit den gespendeten Sachen? Wie ist deren Qualität?
Die Spenden werden gesichtet, aussortiert, geputzt, ggf. gewaschen, repariert, gezählt, geschätzt, mit Preisen versehen und verkauft. Die Qualität der Sachen ist sehr unterschiedlich. Es gibt gut erhaltene, neuwertige Gegenstände, aber leider auch Müll. Einige missbrauchen uns als kostenlose Entsorgungsstation z.B. für defekte Kühlschränke oder Fernseher. FairMarkt und Möbellager wurden inzwischen durch engagierte MitarbeiterInnen gut sortiert und liebevoll gestaltet. Da macht das Stöbern richtig Spaß!

Seit gut 1¼ Jahren gibt es zusätzlich zum FairMarkt in der Rheinstraße ein Möbellager im Textilhof. Wie sind eure Erfahrungen damit?
Das Möbellager wird gut angenommen, bereitet uns aber gleichzeitig viele Kosten und Probleme. Die Eigentümerin überlässt uns die Räumlichkeiten zu einer sehr geringen Miete, hat aber die Heizung wegen zu hoher Betriebskosten abgestellt. Wir wissen noch nicht, wie sich Kälte und evtl. Feuchtigkeit auf die Möbel auswirken. Die Auswirkungen auf die dort überwiegend ehrenamtlich Tätigen kann man schon spüren. Die Suche nach anderweitigen großen, bezahlbaren Ladenlokalen im Innenstadtbereich war bisher erfolglos.
Ein weiteres Problem stellt der Transport der Möbel dar. Leider reichen die Einnahmen nicht zur Beschaffung und Unterhaltung eines eigenen Fahrzeugs. Ein befreundeter Verein, der uns bis zur Jahresmitte einmal wöchentlich mit einem LKW ausgeholfen hat, sieht sich wegen Eigenbedarfs dazu nicht mehr in der Lage.
Das dritte Problem bereitet die unzureichende Personalsituation. Das Arbeitsamt hat uns eine AB-Maßnahme für einen Tischler genehmigt, diese Stelle konnte aber erst in dieser Woche besetzt werden. Etwa 3/4 der geschickten Bewerber hatten schwerwiegende Rückenprobleme bzw. keinen Führerschein. Andere wollten die Stelle wegen der geringen Bezahlung nicht oder hatten keinerlei Erfahrung mit Möbeln. Dass Bedarf an guterhaltenen Gebrauchtmöbeln vorhanden ist, bestätigen uns SozialhilfeempfängerInnen immer wieder.

Was plant ihr für die nähere Zukunft?
Wir wollen bis zum Jahresende wieder eine Sonderaktion für Bedürftige durchführen. Anders als beim letzten Mal beschränkt sich die Aktion auf den Möbelmarkt. Dort werden Möbel, Lampen, Vasen, Teppiche, Bilder, Bücher, Tischwäsche usw. mit bis zu 50% Ermäßigung an Einkommensschwache abgegeben.

Warum müssen Bedürftige sich ausweisen?
Wir wollen sicherstellen, dass von diesen Preisnachlässen wirklich die finanziell benachteiligten MitbürgerInnen profitieren und nicht Sammler und Händler.

Was wünscht ihr euch für das kommende Jahr?
Viele engagierte MitarbeiterInnen und UnterstützerInnen sowie ein Fahrzeug.

Wir hoffen, dass die Wünsche sich erfüllen, und danken für das Gespräch.

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