JadeWeserPort
Okt 302002
 

Störfeuer aus Hamburg

Das Verhältnis Wilhelmshaven – Hamburg ist schwer gestört.

(hk) Seit die Hamburger aus dem JadeWeserPort-Projekt ausgestiegen sind, sind die Beziehungen zwischen den beiden Hafenstädten auf dem Tiefpunkt angelangt. Jede Äußerung der Hamburger wird genauestens registriert und von der Wilhelmshavener Presse in der Luft zerpflückt. Gleichzeitig wird versucht, einen Keil zwischen Politik und Wirtschaft zu treiben: Die Politiker sind die Bösen und die von der Hafenwirtschaft die Guten.

Ein erneuter Höhepunkt des Grabenkrieges war die Reaktion auf einen Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 2. Oktober 2002. Unter der Überschrift „Leere Terminals am tiefen Wasser – Wilhelmshaven setzt mit dem ‚Jade-Weser-Port’ auf große Pötte – Hamburg auf Bewährtes“ setzte sich die FAZ mit den Überkapazitäten im Hafenbau und den Chancen für den Bau großer Containerschiffe auseinander. Der Autor des Artikels, Axel Schnorbus, kommt zu dem Ergebnis, dass bisher noch kein Reeder bereit sei, die großen Pötte, für die der JadeWeserPort ja konzipiert sei, zu bauen. Ein Ergebnis, zu dem der Gegenwind in seinen Untersuchungen auch immer gelangte.
Der Artikel in der FAZ war für die WZ Anlass, zum großen Gegenschlag auszuholen. Am 5. Oktober kommentierte der WZ-Chefredakteur Jürgen Westerhoff den Artikel: „Jüngstes Beispiel für solche Störversuche ist ein aus Hamburg gesteuerter Aufsatz in einer Frankfurter Zeitung, die früher damit warb, dass hinter ihren Blättern immer ein kluger Kopf stecke. In dem Beitrag unter der Überschrift ‚Leere Terminals am tiefen Wasser’ wird das Gespenst einer Investitionsruine beschworen – aber nicht mit Argumenten unterlegt.“
Unter dem Aufmacher „Erneut Störfeuer aus Hamburg“ zieht der stellvertretende Chefredakteur und Hafenexperte Jürgen Peters einige Tage später gegen Hamburg ins Feld. Einige Zitate: „Hamburg gibt keine Ruhe. Der Stachel ‚JadeWeserPort’ sitzt den Hanseaten tief im ‚Hafen’-Fleisch. … Im größten deutschen Hafen an der Elbe wird alles durch die dicke Hamburger Brille gesehen. … Nach Recherchen der Wilhelmshavener Zeitung in Hamburg – wo ‚die Hamburger Hafenwirtschaft eigentlich längst hinter dem Wilhelmshavener Projekt steht’, so ein Hafenfachmann – wird von ‚gesteuerten Berichten’ gesprochen“. In seinem Kommentar ‚Tiefgang’ weist Peters nach, dass Hamburgs Hafen Probleme mit dem Tiefgang der Containerschiffe habe. Er schließt seinen Kommentar mit den Worten: „Es kann nicht oft genug wiederholt werden: Die Containerschiffe werden angesichts der wachsenden Weltwirtschaft größer, sie werden breiter und gehen tiefer. Dafür braucht Deutschland nun mal einen entsprechenden Hafen. Und der kann nur am tiefen Wasser liegen. Das gibt es eben nur an der Jade.“ Ob allerdings durch ständiges Wiederholen etwas richtiger wird, darf wohl bezweifelt werden.
Die darauf folgenden Nächte müssen für den WZ-Hafenexperten Peters die Hölle gewesen sein. Ihm ging doch das Störfeuer aus Hamburg nicht aus dem Kopf. Als setzte er sich hin und verfasste noch einen Kommentar, den er stolz mit ‚Fakten!’ überschrieb. Nach dem unvermeidbaren einleitenden Tritt gegen die Hamburger lässt er sich von Mitarbeitern der JadeWeserPort-Entwicklungsgesellschaft die Fakten liefern. Fakt 1: Die sinkenden Frachtraten haben nichts mit dem Mengenwachstum zu tun. Fakt 2: Hamburgs Hafen kann von großen Containerschiffen nur teilabgeladen angelaufen werden. Fakt 3: Nur in Wilhelmshaven finden die ‚dicken Pötte’ einen Wendekreis von 750 Metern. Zu viel Küstennebel!
Übersehen hat die Wilhelmshavener Zeitung wohl, dass in der Deutschen Verkehrs Zeitung (DVZ) am 6. August 2002 ein Artikel mit den gleichen Aussagen wie in der FAZ zu finden war. Einige Auszüge:
dvzVon Bremerhaven über Shanghai bis Los Angeles gibt es fast keinen Hafen, der nicht am Ausbau der bestehenden Flächen und Umschlaganlagen tüftelt. Außerdem werden zunehmend völlig neue Hafenplätze aus dem Boden gestampft, die zwar fernab der traditionellen Ladungsmärkte, dafür jedoch am tiefen Wasser liegen. Sie sind damit auch für die bislang nur auf dem Reißbrett existierenden Jumbo-Schiffe mit Stellkapazitäten von mehr als 10 000 TEU geeignet, die wegen ihres Tiefgangs möglicherweise Häfen wie Bremerhaven und Hamburg nicht mehr anlaufen könnten.
Nach Recherchen der britischen Beraterfirma Drewry Shipping Consultants sind weltweit 59 neue Containerhäfen auf der grünen Wiese in der Planung – davon 37 mit einer Kapazität von mehr als 500 000 TEU pro Jahr. In Europa zählen die Experten 15 Neubau-Projekte, darunter auch der Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven. (…)
Völlig unklar ist noch, inwieweit sich das rasante Größenwachstum der Schiffe – Legitimation für viele Tiefwasserhafenprojekte – fortsetzen wird. Seit Anfang der 80er Jahre sprangen die Kapazitäten der Frachter von 1000 TEU auf heute mehr als 8000 TEU. Zu den größten Einheiten zählen die S-Class-Schiffe von Maersk Sealand, die knapp 350 m lang und 43 m breit sind. Voll abgeladen haben die Schiffe einen Tiefgang von rund 14,5 m – gerade noch ausreichend für die Zufahrten zu den großen Nordseehäfen Bremerhaven und Hamburg.
Die Landesregierungen Bremen und Niedersachsen gehen aber davon aus, dass bald noch größere Pötte zum Einsatz kommen. Um diesen Kolossen mit Stellkapazitäten von 12 000 TEU und mehr noch eine Anlaufmöglichkeit in der Deutschen Bucht bieten zu können, soll in Wilhelmshaven am tiefen Wasser der Jade-Weser-Port entstehen. Vier Großschiffsliegeplätze auf einer Länge von 1725 m umfasst der Entwurf.
Das fast 800 Mio. EUR teure Vorhaben, für das noch private Co-Investoren gesucht werden, wird derzeit auf das Planfeststellungsverfahren vorbereitet. Glaubt man allerdings Experten der Schiffsklassifikationsgesellschaft Lloyd’s Register (LR), so werden für die Abfertigung der neuen Mega-Carrier gar keine neuen Tiefwasserhäfen benötigt. „Die Schiffe werden so konstruiert sein müssen, dass sie in die bestehenden Häfen passen“, ist David Tozer, Business Manager im Containerschiffsbereich bei LR, überzeugt. Dass das technisch möglich ist, haben er und seine Kollegen mit einem Design für ein 12 500 TEU-Schiff bewiesen, das bei 400 m Länge und 57 m Breite einen Maximaltiefgang von nicht mehr als 14,5 m aufweist.
Bislang konnte sich nur noch keine Reederei zu einem solchen Kraftakt hinreißen lassen. „Letztes Jahr standen wir kurz davor, das Design an eine große chinesische Reederei zu verkaufen“, verrät Tozer. „Doch wegen des Preiseinbruchs auf dem Frachtenmarkt platzte das Vorhaben.“
Als die Frachtraten Mitte 2001 im Zuge der Konjunkturabkühlung ins Purzeln gerieten, mussten viele Liniendienste schmerzhaft feststellen, dass große Schiffe in Krisenzeiten zu einer schweren Hypothek werden. Denn besonders große Tonnage rentiert sich nur auf besonders langen und volumenträchtigen Strecken wie dem Europa-Fernost-Verkehr. Wenn die Transportnachfrage in diesen Relationen nachlässt, stehen viele Jumboschiffe mangels Alternativen beschäftigungslos da.
Drewry-Direktor Page glaubt deshalb, dass die Industrie ihre Einschätzung über Kosten und Nutzen der Mega-Carrier weitgehend revidiert hat. „Es gibt wahrscheinlich nur drei große Reedereien, die sich überhaupt für solche Riesencontainerschiffe entscheiden würden.“ Wohl und Wehe der designierten Tiefwasserhäfen hingen demzufolge von einem äußerst begrenzten Kundenkreis ab.
Schon jetzt dürfte klar sein, dass für die geringe Zahl der zu erwartenden Containerriesen nicht Dutzende neuer Umschlagplätze nötig werden. Um die Zeit auf See und die Auslastung der Schiffe ständig auf hohem Niveau halten zu können, würden ihre Fahrpläne ohnehin gnadenlos zusammengestrichen: im Extremfall auf einen Lade- sowie einen Löschhafen, zum Beispiel Rotterdam im Westen und Singapur im Osten.
So manchem der 59 Neubauvorhaben dürfte deshalb die Unterstützung von Investoren und Kreditinstituten versagt bleiben. Und die, die es bis zum funktionierenden Terminal bringen, werden mit den alt eingesessenen Häfen nicht nur um jeden großen, sondern auch um jeden kleinen Fisch bitter konkurrieren müssen.


störfeuer

Im Zuge der Planungen zum JadeWeserPort kommt es immer wieder zu Störfeuer aus Hamburg. In Wilhelmshaven hat sich eine Arbeitsgruppe mit dieser Problematik befasst und die folgenden Maßnahmen eingeleitet:

  • Ab sofort dürfen im Stadtgebiet keine Hamburger mehr angeboten werden. Die Neubenennung obliegt dem Handel. Die Arbeitsgruppe empfiehlt, die Hackfleischbrötchen künftig Niemanner zu nennen.
  • Die Hamburger Straße wird in Niemanner Straße umbenannt.
  • Alle WilhelmshavenerInnen sind aufgefordert, ihre Verträge bei der Hamburg-Mannheimer-Versicherung und der Hamburg-Münchner Krankenkasse umgehend zu stornieren.
  • Der Wohnungsbaugesellschaft Jade wird der Stadtorden am Bande verliehen, weil sie in vorausschauender Art und Weise dafür gesorgt hat, dass die Wilhelmshavener Traditionsgaststätte Hamburger Eck dem Erdboden gleich gemacht wurde.
  • Schiffen, die den Namen Hamburg tragen, wird ein Einlaufverbot für den Wilhelmshavener Hafen erteilt. Das gilt auch für die Bundesmarine!
  • Der für Kultur zuständige Stadtrat Dr. Jens Graul erarbeitet eine Liste der Lieder, die ab sofort bei Kurkonzerten und anderen Veranstaltungen im Stadtgebiet nicht mehr gespielt werden dürfen. Es handelt sich dabei um Lieder wie „Hamburger Deern“ oder „Hamburger Veermaster“.
  • Als überzogen bezeichnete die Arbeitsgruppe Forderungen aus Kreisen der Wilhelmshavener Grünen, die Silbe „Ham“ aus dem Wilhelmshavener Sprachgebrauch zu verbannen. Pressesprecher Preuß gab zwar zu, dass bei Begriffen wie z.B. Hammer eine unbewusste Assoziation zu Hamburg möglich sei, man wolle jedoch die Gräben zum niedergehenden Hafen an der Elbe nicht ganz zuschütten.

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