Ratssplitter
Okt 302002
 

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vom 16.10.2002

Unzumutbar sind nach Einschätzung von Ratsherr Tjaden (WALLI) die Zustände in der Methadon-Abgabestelle. Die befindet sich derzeit in der ehemaligen Schlachthofkneipe an der Luisenstraße. Tjaden wollte in einer Kleinen Anfrage herausfinden, ob es in absehbarer Zeit eine neue Abgabestelle in der Stadt geben würde, die zentral liegt, in gutem baulichen und hygienischen Zustand und vor allem heizbar sein müsse – im Unterschied zur derzeitigen Übergangslösung

. Laut Stadtrat Stoffers liegt es allein bei der Kassenärztlichen Vereinigung, die Methadonausgabe sicherzustellen. Bis heute konnten nicht genügend niedergelassene Ärzte für die Vergabe gewonnen werden. Die Ärztevereinigung sieht umgekehrt eine Mitverantwortung der Stadt im Rahmen der Daseinsvorsorge. Die Stadt stellt derzeit „ohne rechtliche Verpflichtung“ die Räumlichkeiten zur Verfügung; der Fachbereich Immobilien konnte bislang keine bessere Immobilie ausfindig machen. Zwei Ärzte sind mit der Durchführung der Vergabe beauftragt, was momentan täglich etwa eine halbe Stunde für 20 Substituierte in Anspruch nimmt. Das Gesundheitsamt stellt den Nutzern Materialien für die Reinigung der Räume zur Verfügung, die sie selbst übernehmen.
Laut Stoffers ist die Hygiene und auch die Beheizung (Heizlüfter) sichergestellt: „Aufgrund des geschilderten Sachverhalts werden die Vorwürfe der WALLI, wonach die Zustände vor Ort nicht tragbar sind, zurückgewiesen … Sofern die Kommunalpolitik eine Mitverantwortung der Stadt sieht, könnte ggf. eine Dauerlösung hinsichtlich der Räumlichkeiten … im Rahmen des Projekts ‚Soziale Stadt’ erarbeitet werden.“ Von uns erhält Tjaden, weil er die Probleme einer wenig beachteten (und oftmals verachteten) Randgruppe im Rat thematisierte. ****

Der Campingplatz am Geniusstrand

wird den Nutzern bekanntlich nur noch befristet zur Verfügung stehen. Um das Planungsverfahren für den JadeWeserPort nicht zu behindern, sollte der Rat jetzt die Kündigung der Nutzungsverträge beschließen. Man rechnet für Mitte 2004 mit der Beschlussreife. Die Flächen müssten dann rechtlich zur Verfügung stehen, damit die Bauleitplanung wirksam werden kann. Ratsherr Tjaden sah das anders: Bei einem halben Jahr Kündigungsfrist sei noch genug Zeit, zu kündigen, wenn die Umsetzung der Hafenplanung konkret sei. Mit der Antragstellung sei voraussichtlich erst für 2005 zu rechnen. Eine Gruppe Wilhelmshavener hatte Camper und Gewerbebetriebe zu den Schließungsbestrebungen von Rat und Verwaltung befragt. Schätzungsweise 3 Millionen Euro Umsatz bringen die Nutzer der etwa 900 Plätze den Geschäftsleuten der Stadt jährlich ein. Auch FPD-Ratsherr Schadewaldt warnte vor vorzeitigen Abwanderungen entmutigter Camper: Sinke die Belegung unter 500 Plätze, würde das Ganze ein Zusatzgeschäft.
Tjaden: „Einen solchen Campingplatz werden wir in Wilhelmshaven nicht wieder schaffen können.“ Um einen Alternativstandort bemüht sich derzeit Stadtrat Frank. Er hat mehrere Grundstücke in Aussicht, die daraufhin geprüft werden, ob sie bestehenden Schutzvorschriften nach der Baunutzungsverordnung genügen. Um Spekulationen der derzeitigen Eigner vorzubeugen, wollte er die Grundstücke nicht in öffentlicher Sitzung benennen. Im Übrigen wolle er, so Frank mit Blick auf Tjaden, nicht in jeder Sitzung neu über den JadePort diskutieren. Tjaden kassierte von mehreren Seiten Klassenkeile, weil er als einziger gegen die Hafenplanung ist. Von den Zuschauern hingegen erhielt er Applaus.
Die Ratsmehrheit beschloss, das Vertragsverhältnis zwischen Bund und Stadt sowie Stadt und WPG über die Camping- und Parkplatzflächen Geniusdeich fristgerecht zum 31.12.2003 zu kündigen. Bis zum tatsächlichen Baubeginn soll jährlich geprüft werden, ob die Nutzung über eine weitere Saison möglich ist.

„Ist“ und „Soll“

sind zwei Begriffe aus dem Rechnungswesen. Grammatikalisch sorgten sie für eine halbstündige Debatte um einen zweizeiligen Antrag der FDP-Fraktion: „Der Rat möge beschließen: Die Verwaltung wird aufgefordert, rechtzeitig eine Haushaltssatzung und einen Haushaltsplan für das Jahr 2003 vorzulegen“. Die Mehrheitsfraktion konnte den Antrag nicht einfach vom Tisch wischen, galt es doch den versteckten Vorwurf auszuräumen, sie und die Verwaltung würden ihre Hausaufgaben nicht ordentlich erledigen. Spitzfindig entdeckte Stadtrat Frank ein fehlendes Wörtchen in der Begründung zum Antrag. “Gemäß § 84 NGO ist die Haushaltssatzung für jedes Haushaltsjahr zu erlassen und gemäß § 86 spätestens einen Monat vor Beginn des Haushaltsjahres der Kommunalaufsicht vorzulegen“, hatte die FDP aus der Nds. Gemeindeordnung zitiert. Frank fehlte im 2. Halbsatz ein „soll“. Tatsächlich steht unter § 86 NGO: „Die vom Rat beschlossene Haushaltssatzung ist mit ihren Anlagen der Kommunalaufsichtsbehörde vorzulegen. Die Vorlage soll spätestens einen Monat vor Beginn des Haushaltsjahres erfolgen.“ „Vorlage soll erfolgen“ bedeute im Juristendeutsch (im Unterschied zu „ist vorzulegen“) eine Kann-Bestimmung. Und so wird die Verwaltung auch für 2003 die Satzung erst zu Beginn des Haushaltsjahres vorlegen, wie, so Frank, „alle Städte, die mit einem Haushaltsfehl rechnen“. Für die CDU sicherte Ratsherr Molitor der FDP „vorbehaltlose Unterstützung“ zu: „Wer diesem Antrag nicht zustimmt, nimmt Unklarheiten in Kauf!“ Sein Fraktionschef Reuter forderte, die rechtzeitige Abgabe solle die Regel sein, die spätere die Ausnahme, die nicht zur Regel werden solle. Der versprochene Nachtragshaushalt sei nie vorgelegt worden, dafür ständig Nachbewilligungen, die dem Rat keinen Gestaltungsspielraum mehr ließen, da die Auswahl selektiv durch die Verwaltung erfolge. Für von Teichman ist es „das vornehmste Recht des Rates, über die Finanzen zu entscheiden – also über die Gelder der Bürger.“ Trotz alledem wurde der Antrag mit knapper Mehrheit von SPD und Bündnisgrünen abgelehnt.

Der städtische Müllberg

muss neu organisiert werden, da die Nutzung der Deponie Nord am 1.6.2005 ausläuft. Im Bereich der früheren Deponie im Rüstringer Groden soll deshalb ein „Abfallwirtschaftlicher Logistikstandort mit Wertstoffhoffunktion“ geschaffen werden. Die FDP-Fraktion wollte dazu allerdings erst Alternativen vorgelegt haben, „da es möglicherweise preiswertere Lösungen gibt, z. B. Mitnutzung der Abfallsortieranlagen Frieslands“, um weitere Mehrkosten für die Bürger zu vermeiden. Auch zu diesem Thema erhielt sie Unterstützung seitens der CDU. SPD-Neumann hingegen wetterte los: „Das kann’s doch wohl nicht sein!“, dass dann halbvolle Müllwagen oder auch Bürger mit dem PKW aus Wilhelmshaven nach Wiefels fahren müssten, um den Müll loszuwerden. Prof. Reuter ermunterte ihn, die Begründung zum Antrag nochmal zu lesen; nach mehreren Ehrenrunden vermutete er sogar, Neumann hätte es „auf den Ohren“ – niemand hätte behauptet, es solle ab 2005 gar keinen Müllsammelplatz mehr vor Ort geben. Nachdem Neumanns Kollege Norbert Schmidt erläutert hatte, man müsse erst die vorgelegte Änderung des Bebauungsplans für den Rüstringer Groden verabschieden, ehe man überhaupt Alternativen prüfen könne, entschloss sich die CDU, den FDP-Antrag gemeinsam mit der Mehrheitsfraktion abzulehnen.

König Fußball

war Inhalt einer über- und außerplanmäßigen Nachbewilligung. Über 1,2 Millionen Euro sollte die Stadt noch innerhalb der laufenden Saison in das Servicegebäude des SVW-Stadions investieren. „Der Erwerb sichert die bisher investierten städtischen Mittel ab.“ Ach so. Wer A sagt, muss auch B sagen. „Das unternehmerische Engagement beim Bau des Stadions hat nicht den erwarteten Erfolg gehabt.“ Pleiten, Pech und Pannen. Die Mittel sollten u. a. aus Minderausgaben bei der Straßenunterhaltung, ÖPNV-Förderung und beim städtischen Schuldenabbau gedeckt werden.
Die Verwaltungsvorlage wurde ohne Aussprache einstimmig vom Rat abgelehnt. Schlicht und einfach, weil mit den Betreibergesellschaften des Stadions noch keine Einigkeit erzielt worden war.


 

Die Rollen und ihre Darsteller:

  • Eberhard Menzel – Oberbürgermeister, Ratsvorsitzender
  • Siegfried Neumann – SPD, Fraktionschef
  • Dr. Michael von Teichman – FDP, Fraktionschef
  • Prof. Günter Reuter – CDU, Fraktionschef
  • Joachim Tjaden – Wilhelmshavener Alternative Liste (WALLI), Einzelkämpfer
  • Wolfgang Frank – Stadtrat
  • Jens Stoffers – Stadtrat
  • Jens Graul – Stadtrat
  • sonstige Ratsmitglieder – Komparsen

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