Substitution
Feb 142009
 

Kalter Entzug

Methadon-Versorgung: Wieder gibt es nur eine vorläufige Lösung

(iz/noa) Von Mitte Dezember 2008 bis Ende Januar 2009 war die Versorgung opiatabhängiger PatientInnen mit dem Ersatzstoff Methadon nicht gewährleistet. Einer von drei der versorgenden Ärzte hatte sich aus dem Programm zurückgezogen. Für die Betroffenen stiegen mit jedem Tag die körperlichen Qualen und die Rückfallgefahr.


Methadonausgabe 1Etwa 150 Menschen aus Wilhelmshaven und Umgebung nehmen an dem Substitutionsprogramm teil. Ihre tägliche Methadon-Dosis ermöglicht ihnen den Verzicht auf Heroin. Vor allem aber ermöglicht sie ihnen ein geregeltes Leben ohne Beschaffungskriminalität. Doch mehr als 50 PatientInnen kann und darf eine Hausarztpraxis nicht ins Methadonprogramm aufnehmen. Nach dem Rückzug ihres Schortenser Kollegen standen Valentina Gradwohl und Matthias Abelmann allein vor dem Problem.
Sie überwiesen die Drogenkranken, die nun zusätzlich in ihre Praxen kamen, zunächst ins Reinhard-Nieter-Krankenhaus. Dort werden Heroinabhängige, die stationär aufgenommen werden, schließlich auch mit Methadon versorgt; bis sich ein weiterer Arzt in das Programm einklinkt, müsste dort die Versorgung möglich sein, meinten sie. Doch darauf ist die Klinik nicht eingerichtet. 50 ambulante Substituierte kann sie nicht verkraften.
„Empörend“ fand das ein beratendes Mitglied des Jugendhilfeausschusses in dessen Januar-Sitzung, wo Sabine Gastmann, wohl aufmerksam geworden durch die Berichterstattung in der „WZ“, das Thema eingebracht hatte.
Für die Ratssitzung am 21. Januar formulierte LAW-Ratsherr Johann Janssen, der als Arzt jahrelang drogenkranke Menschen betreut und substituiert hat, folgenden Antrag:

„Der Rat der Stadt Wilhelmshaven möge beschließen:


aus gegebenen Anlass (Lücke in der Versorgung Drogenkranker in Wilhelmshaven und Friesland seit 01.01.2009) beschließt der Rat Folgendes:
Die Verwaltung wird aufgefordert, kurzfristig ein Treffen mit substituierenden Ärzten, der Verwaltung, dem Gesundheitsamt, der kassenärztlichen Vereinigung sowie Vertretern beider Krankenhäuser zu organisieren. Dieses Treffen soll dem Ziel dienen, eine zeitgemäße Behandlung drogenkranker Menschen in Wilhelmshaven krisenfest sicherzustellen.
Begründung:
Dadurch, dass ein Arzt in Schortens zum Jahresende aufgehört hat, Drogenkranke zu behandeln, suchen diese Ersatz. In Frage kommen dafür nur 2 Ärzte in Wilhelmshaven, die jedoch keine Patienten mehr aufnehmen können, da sie die vorgeschriebenen Begrenzung von 50 Patienten schon erreicht haben.
Erschwerend kommt hinzu, dass zwar von der Diakonie, vom Willehad und von der Stadt für die Vergabe von Methadon ein Raum zur Verfügung gestellt wurde, dieser aber nie einem akzeptablen Standard entsprach: Mal fehlte ein geschlossener Raum, mal eine Toilette, mal fließendes Wasser und mal die Heizung; ein Notruftelefon war nie vorhanden.
Da das Drogenproblem bleibt, sollte auch in Wilhelmshaven die Versorgung dieser Patienten einem mitteleuropäischen Standard entsprechen.“

Methadonausgabe 2Da dieser Antrag für den 21. Januar der einzige Tagesordnungspunkt geworden wäre und das Problem thematisch im Ausschuss für Soziales und Gesundheit bestens aufgehoben ist, stand Janssens Antrag dort am 22. Januar auf der Tagesordnung. Um den Ausschussmitgliedern zu verdeutlichen, wie gefährlich die Situation ist, schilderte Janssen einen Vorfall, den ihm ein ehemaliger Patient berichtet hatte: Eine junge Frau lag nach Einnahme eines Stoffes vom Schwarzmarkt anderthalb Stunden im Koma, und ihr Partner holte keinen Arzt – aus Angst, ihr gemeinsames Kind würde ihnen dann weggenommen.
Dr. Christoph Rübsamen, der Leiter des Gesundheitsamtes, wies darauf hin, dass das Problem eigentlich leicht zu lösen sei: Zwei bis drei Methadon-PatientInnen darf jeder Arzt ohne Zusatzqualifikation versorgen; es müssten sich nur alle niedergelassenen ÄrtzInnen dazu bereit finden.
Zuständig für die Lösung des Problems sind tatsächlich die niedergelassenen Ärze und Ärztinnen. Sie sind in der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) zusammengeschlossen, die den „Sicherstellungsauftrag“ hat. Johann Janssen kritisierte im Sozialausschuss die KV: Jahrelang habe sie es versäumt, ihre Mitglieder für das Methadon-Programm zu motivieren und zu qualifizieren. Deshalb hat er schon früher versucht, die Stadt ins Boot zu holen. 2002 hat Ratsherr Joachim Tjaden, damals noch wie Janssen WALLI-Mitglied, einen Antrag auf „schnellstmögliche“ Lösung des Problems in den Rat der Stadt eingebracht.
Methadonausgabe 3Damals passierte nichts – mal sehen, ob es diesmal etwas wird. Herr Stoffers wurde jedenfalls schon mal tätig: Er lud für den 28. Januar alle, die zur Problemlösung beitragen könnten (neben Vertretern der Stadt, der Ärztekammer und der Kassenärztlichen Vereinigung sowie den substituierenden Ärzten auch das Reinhard-Nieter-Krankenhaus, das St. Willehad-Hospital und die Fachstelle Sucht der Diakonie), zu einem Gespräch ein, das, glaubt man der „WZ“, von Erfolg gekrönt war: „Heroinabhängige können in Wilhelmshaven wieder damit rechnen, mit der Ersatzdroge Methadon versorgt – also substituiert – zu werden. In der vom städtischen Sozialdezernenten Jens Stoffers organisierten Gesprächsrunde wurde nach Angaben der Stadtverwaltung eine kurzfristige Lösung erreicht, die umgehend in Kraft trat. Es soll aber auch noch eine dauerhaft tragfähige Lösung erarbeitet werden.“ (WZ, 30.01.09)
Die vorläufige Lösung sieht so aus, dass ein Arzt in Kooperation mit einem substituierenden Arzt täglich in der Ausgabestelle Admiral-Klatt-Straße Methadon ausgeben wird. Dies wird aber nur drei Monate lang der Fall sein – bis dahin müssen Stadt und KV seine Dauerlösung gefunden haben.
Mehrere Abgabestellen hat die Stadt für diesen Zweck im Lauf der Jahre schon zur Verfügung gestellt. Der Eindruck, dass Drogenabhängige als PatientInnen 2. Klasse betrachtet werden, drängt sich auf. Über die Abgabestelle im früheren Schlachthof-Gasthaus haben wir in GW 185 berichtet: nicht beheizbar, keine Klos, kein Mobiliar. Daran gemessen ist die jetzige Abgabestelle schon beinahe komfortabel: Es gibt Heizung, Klo und Stühle. Gereinigt scheinen die Räumlichkeiten allerdings nicht zu werden. Von einem „mitteleuropäischen Standard“, wie Janssen ihn in seinem Antrag gefordert hat, sind sie weit entfernt.
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Fotos: Ausgabestelle für Methadon in Wilhelmshaven

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