Arbeitsloseninitiative
Feb 142009
 

Alles prima

Trotz Krise: Der Boom ist nicht aufzuhalten

(noa) Zur ALI-Monatsversammlung im Januar war (zum ersten Mal seit wer weiß wie langer Zeit) nicht Eberhard Menzel als Referent gekommen, und die erstaunte Frage der Gegenwindlerin nach dem Grund wurde damit beantwortet, dass man mal eine Abwechslung wolle.


Logo ALINa schön. Stattdessen war Peter Wehnemann gekommen, und angekündigt war, dass er über die wirtschaftliche Entwicklung des Landkreises Friesland und über die Zukunft der ARGEn berichten würde.
Peter Wehnemann ist der 1. Kreisrat des Landkreises Friesland und damit der allgemeine Vertreter des Landrates (neben ihm gibt es die Herren Lübben und Lies als politische Vertreter des Landrates). Aha. Nicht nur auf der ALI-Versammlung hat das niemand gewusst: Wehnemann berichtete, dass er das überall erklären muss, weil niemand das weiß.

Nur Gutes

Und für einen Bericht über die wirtschaftliche Entwicklung des Landkreises Friesland ist er natürlich der richtige Referent gewesen. Besonders stolz berichtete er über das Airbus-Werk in Varel, über dem vor zwei Jahren noch „dunkle Wolken“ schwebten, das aber gerettet werden konnte. Wehnemann selber habe zum Arbeitskampf mit aufgerufen, und es sei sensationell, was sich inzwischen abgespielt habe – 2500 Unterschriften seien dem Ministerpräsidenten überreicht worden, und Wehnemann selber sei dabei gewesen. „Es drohte die Abrissbirne, und nun werden Bagger und Kräne aufgestellt“, so Wehnemann; die Premium Aerotec investiert 40 bis 50 Mio. Euro.
Zum Jahresende, so Wehnemann, häuften sich die positiven Nachrichten. Der Nordwesten ist Niedersachsens zweiter Industriestandort neben dem Mittellandkanal, und gleichzeitig, so wusste er zu berichten, findet Niedersachsens Wirtschaftsminister Rösler den Tourismus in dieser Region wichtig. Und da bei dieser Betrachtungsweise Wilhelmshaven mit dazugehört, ging Wehnemann auch auf den JadeWeserPort (2008: 170 Mio., 2009: 200 Mio. Euro Investitionen), die Kohlekraftwerke und die verkehrliche Entwicklung (Verlängerung der A 29 und die Hoffnung auf die Küstenautobahn) ein. „Früher war Wilhelmshaven das Ende der Welt – bald geht hier die Post ab!“
Die strukturellen Schwächen der Region werden laut Wehnemann beseitigt, und die Finanzmarkkrise wirkt sich hier nicht so schlimm aus wie andernorts.
Weiter sprach Wehnemann über den hier bestehenden Fachkräftemangel und die Ausbildungsplatzinitiative in Friesland im letzten Jahr, darüber, dass die VHSen Wilhelmshaven und Friesland den Übergang von der Schule in den Beruf neu gestalten wollen – „Viele Jugendliche haben kaum Vorstellungen über Berufe“ – und darüber, dass Kirchturmdenken nicht mehr angebracht sei – „Wir wachsen zusammen“, und so gibt es ein gemeinsames regionales Standortmarketing der Kreise Wittmund, Wesermarsch, Friesland, Oldenburg und Wilhelmshaven.
Als die „drei Säulen der Entwicklung“ nannte Wehnemann das familienfreundliche Umfeld, die Wirtschaft und die Bildung. Aus dem Konjunkturprogramm der Bundesregierung werden in den nächsten zwei Jahren zusätzliche 50 Mio. Euro plus ergänzende Mittel vom Land in unseren Raum fließen und sollen in eine Vergrößerung des Betreuungsangebots für unter Dreijährige, in den Bau von Mensen für Ganztagsschulen und in den Lehr- und Lernmittelfonds für Bedürftige gesteckt werden.
Und was die dritte Säule, den Tourismus, angeht: Es herrsche „verhaltener Optimismus“ für 2009. Und: Wir haben hier ja saubere Luft.

Naja

Bei den Januar-Versammlungen erleben die ALI-Mitglieder eigentlich immer dasselbe, egal, ob Wilhelmshavens OB Menzel oder ein Vertreter des Kreises Friesland kommt: Sie hören sich Erfolgsmeldungen an und erleben den sprühenden Optimismus des Referenten, doch von all dem, was da angekündigt wird, werden sie nichts haben. Für Langzeitarbeitslose, besonders in dieser Gegend hier, fiel beim „Aufschwung“ nichts ab, und voraussichtlich wird auch vom Konjunkturpaket in der Krise nichts bei ihnen ankommen. Aber höflich, wie sie sind, hörten sie Herrn Wehnemann zu, ohne dazwischen zu murren oder zu buhen.
Widerspruch kam anschließend: Saubere Luft? Kraftwerke? Tourismus? Das wird bald auf den Kraftwerkstourismus hinauslaufen.
27 % der Schüler in Friesland verlassen die Schule ohne Abschluss, behauptete Ernst Taux. Nein, es seien nur 6 oder 7 %, entgegnete Wehnemann. Wahrscheinlich haben beide Recht; sie gehen vermutlich von unterschiedlichen Bezugsgrößen aus. Wenn z.B. 27 % der HauptschülerInnen keinen Abschluss erreichen, können sehr gut 93 bis 94 % aller Schüler einen Abschluss bekommen. Ernsts Kritik zielte jedenfalls auf das dreigliedrige Schulsystem. „Es scheint zu reichen für die Reichen“, sagte er über unser selektives Schulwesen in Niedersachsen, und er wünschte sich, dass die allgemeinbildenden Schulen allgemein bilden mögen, statt der Wirtschaft zuzuarbeiten.
Dass zwar alle Hauptschulen Schulsozialarbeiter haben, die Förderschulen und die Grundschulen jedoch nicht, war ein weiterer Kritikpunkt; und bezüglich des im Vortrag genannten Fonds für Lehr- und Lernmittel berichtete Werner Ahrens, dass viele Eltern davon nichts wissen. Und das konnte Herr Wehnemann erklären: Dieses Geld geht direkt an die Schulen, die den Kindern davon Hefte, Stifte und dergleichen, nicht aber Bares geben.

So gut wie bisher?

Belustigt reagierten einige auf Herrn Wehnemanns Einlassung zur Frage nach der Zukunft der ARGEn, die bekanntlich für verfassungswidrig erklärt wurden und bis 2011 umorganisiert werden müssen. Er wusste darüber nichts, vermutete, dass das Thema ausgesessen wird und vor der Bundestagswahl im September nichts passieren wird, aber er war sich sicher, dass sich für die Betroffenen nichts ändern und alles so gut wie bisher laufen wird. – Über das Job-Center Friesland können die meisten der regelmäßigen Gäste auf den ALI-Versammlungen ja wenig sagen, aber vom Job-Center Wilhelmshaven können sie alle ein Lied singen, und in diesem Lied kommt nichts von „gut laufen“ vor.

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