Ratssplitter
Feb 142009
 

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vom 18. Februar 2009

Das war mal wieder eine harte Sitzung – zumindest was deren Dauer anging. Inhaltlich fanden 3 Tagesordnungspunkte unsere besondere Aufmerksamkeit.

Kaufland

Das war ja nicht anders zu erwarten: Die Mehrheit des Stadtrates stimmte der Ansiedlung eines Kaufland-Marktes am Neuengrodener Weg zwischen Frieden- und tom-Brok-Straße zu. Die CDU und die LAW stimmten gegen das Projekt, andere Ratsmitglieder stimmten zu, weil mit der Ansiedlung der Abriss des Plaza-Domus-Parkhaus-Bunkers an der Mitscherlichstraße verknüpft wurde. An Stelle des hässlichen Domus-Gebäudes wird nun wohl ein Gebäude im Lidl-Barackendesign die Mitscherlichstraße verunstalten.
Es stellt sich natürlich auch die Frage, welche Auswirkungen Lidl-Discounter und Kaufland auf die vorhandenen Geschäfte in der Umgebung und der City haben werden. Das Einzelhandelsgutachten der CIMA (Einzelhandelsentwicklungskonzept für das Oberzentrum Wilhelmshaven) sieht zwar aufgrund des beschränken Warenangebotes und der reduzierten Verkaufsflächen keine negativen Auswirkungen, der gesunde Menschenverstand sieht das aber anders: Eine weitere Verödung der Innenstadt wird die zwangsläufige Folge sein.
Der Kaufland-Markt soll ausschließlich von der Friedenstraße mit dem PKW erreichbar sein. Das bedeutet jedoch auch, dass der Neuengrodener Weg, als Verbindung der Stadtteile Neuen- und Altengroden zum Kaufland-Markt, stark frequentiert werden wird. Dass so ganz nebenbei auch noch der Baumbestand am Neuengrodener Weg (zwischen Frieden- und tom-Brok-Straße) vorsorglich dem Ansiedlungsvorhaben geopfert wird, rundet das Vorhaben dann noch ein wenig ab.
Der Bebauungsplan liegt für einen Monat im Technischen Rathaus aus.

Wiesbadenbrücke

Auch im Bereich der an der Jade-Allee liegenden Wiesbadenbrücke will man jetzt Nägel mit Köpfen machen. Der Rat beschloss, das gerne als ‚städtebauliches Filetstückchen’ bezeichnete Gelände zum Sanierungsgebiet zu machen und sich per Ratsbeschluss in die Lage zu versetzen, bestehende Miet- oder Pachtverhältnisse aufzuheben. Es muss dann entsprechend Ersatz angeboten bzw. eine Entschädigung gezahlt werden. Dieser etwas ungewöhnliche Schritt hat mit der dort ansässigen Firma Linde (Erbbaurecht) und den Kaufbestrebungen der insulanus AG zu tun (siehe dazu weiter unten)
Im gleichen Atemzug wurde beschlossen, für die Bebauung einen Architekten- und Investorenwettbewerb durchzuführen.
Die Wiesbadenbrücke soll für „Wohnen, Freizeiteinrichtungen, Dienstleistungen, Gastronomie und sonstiges nicht wesentlich störendes Gewerbe“ (Begründung Aufstellungsbeschluss BPlan 146, 1. Änderung) genutzt werden.
Der Architekten- und Investorenwettbewerb soll dazu dienen, das beste und günstigste Angebot aus einer Vielzahl (?) von Beiträgen auszuwählen. Die Stadt Wilhelmshaven will den Wettbewerb zusammen mit der Bundesanstalt für Immobilienangelegenheiten (BIMA), die Eigentümerin des Geländes ist, durchführen.
Neben der Firma Linde betreibt die Bundeswehr auf dem Gelände ihre Messstelle.
Mit dem Auslobungsverfahren soll bis spätestens Mitte 2009 begonnen werden. „Die aus Stadtumbaumitteln förderungsfähigen Wettbewerbskosten belaufen sich bei einer auszulobenden Wettbewerbssumme von ca. 45.000 Euro, fachkundiger Betreuung und mindestens 32 Fachpreisrichtern auf geschätzt ca. 90.000 Euro.“ (Begründung für Investoren- und Architektenauswahlverfahren…).

Nun kann es ja losgehen! Oder?

Völlig unbeeindruckt von den Vorgängen im Rathaus zeigt sich die bereits erwähnte insulanus AG. Auf unsere Nachfrage teilte uns deren Vorstandssprecher Rüdiger Tober mit, er gehe weiterhin davon aus, dass die insulanus-AG in den nächsten Tagen und Wochen sowohl das Grundstück von der Firma Linde als auch die Liegenschaften der BImA erwerben und dann, als Eigentümerin des Gebietes, einen Bauantrag stellen werde.
Eine Teilnahme an dem Architekten- und Investorenwettbewerb hält Rüdiger Tober nicht für nötig, weil die insulanus-AG als Eigentümerin ja schon vorher an die Realisierung ihrer Pläne gehen wird. Die Planungen der insulanus-AG decken sich, so Tober zum Gegenwind, „100prozentig mit den Planvorgaben der Stadt.“ „Und“, so Tober weiter, „wir haben die architektonische Planung erledigt, wir haben einen solventen Investor und wir werden bald Eigner des Grundstücks sein.“ Ausdrücklich betonte er, dass er der Stadt natürlich ein Mitspracherecht bei der Realisierung der Planung einräumt, soweit es nicht die Rentabilität des Projektes gefährdet.

Streit um Linde – Was ist da los?

OB Menzel sagte auf der Ratssitzung, dass die Firma Linde erklärt habe, dass sie nur mit der BimA und der Stadt etwas machen wird. Auch Stadtbaurat Kottek ist sich 100prozentig sicher, dass das alles so klappt, wie er es sich vorstellt.
Doch genauso sicher ist sich auch die insulanus AG. So konnte uns Herr Tober u.a. einen Schriftverkehr vom 18. Februar 2009 mit der Firma Linde vorlegen, in dem schwarz auf weiß zu lesen ist, „dass Linde keine Verhandlungen mit der Stadt Wilhelmshaven über den Verkauf des Erbbaurechts auf der Wiesbadenbrücke führt.“ Das dürfte noch eine spannende Geschichte werden.

Wettbewerb?

Natürlich hat ein Architekten- und Investorenwettbewerb über die Bebauung der Wiesbadenbrücke einen viel größeren Reiz, als die Entscheidung darüber, was dort geschieht, einem Einzelnen zu überlassen. Doch wenn so etwas gemacht werden soll, dann sollte man auch davon ausgehen, dass die Damen und Herren der Stadtverwaltung ihre Hausaufgaben gemacht haben und auch wirklich imstande sind, eine solche Geschichte durchzuführen.
Wir freuen uns übrigens schon auf den nächsten Architekten- und Investorenwettbewerb, wenn’s um die Bebauung des Schlachthofgeländes geht. Oder gelten hier andere Regeln, nur weil Frank und Adam in den Stadtwerken das Sagen haben?

Große Anfrage

Die FDP-Fraktion wollte in einer großen Anfrage Aufklärung über die Arbeit und Funktion von Lenkungsgruppen innerhalb der Stadtverwaltung bekommen. Aus der Anfrage klang heraus, dass die FDP-Fraktion diese Lenkungsgruppen wohl als vom Rat nicht kontrollierbare Institution ansieht. 17 Fragen waren nötig, um den gesamten Fragenbereich abzudecken. Da ging es neben ganz allgemeinen Fragen (Wie viele Lenkungsgruppen gibt es?), konkreten Auskunftsersuchen wie „welche Rolle spielt dabei insbesondere die Firma Paul G. Jansen GmbH?“ bis zur Frage, wie die notwendige Transparenz zukünftig hergestellt werden kann.
OB Menzel war spürbar davon getroffen, weil er wohl meinte, dass in der Fragestellung eine gehörige Portion Misstrauen offensichtlich wurde.
Um Antworten auf diese große Anfrage zu finden, benötigte Menzel einen Stab von 14 MitarbeiterInnen, die 10 Tage lang die notwendigen Unterlagen zusammensuchen mussten.
Am Tag der Ratssitzung sah der Oberbürgermeister seine große Stunde gekommen. Mehr als eine Stunde benötigte er, um das Ergebnis dem Rat vorzutragen. Fein säuberlich listete der OB jedes Schreiben z.B. der Firma Jansen von Oktober 2000 bis Oktober 2008 auf. Schon dafür brauchte er gute 20 Minuten.
Als der Ratsvorsitzende Norbert Schmidt eingreifen wollte, um das Verfahren abzukürzen, wurde er gerade von denen aus der SPD-Fraktion zurückgepfiffen, die sonst jeden überflüssigen Satz mit Zwischenrufen bedenken (S. Neumann, U. Aljets …).
Spätestens jetzt wurde klar, dass der OB den ausführlichen Vortrag als Bestrafung für die Ungehörigkeit der Fragestellung angelegt hatte und sein Vorgehen zumindest mit Teilen der SPD-Fraktion abgestimmt hatte.
Doch da hatte er sich geschnitten. Die FDP-Fraktion bedankte sich nach 70 Minuten angestrengten Zuhörens für die Ausführlichkeit der Antwort und war sogar in der Lage, anhand der Antwort die Notwendigkeit der großen Anfrage zu untermauern, dass nämlich z.B. in der Stadtverwaltung sehr viel Geld ausgegeben wird (z.B. 1,6 Mio für die Firma Jansen) und es Entscheidungsstränge gibt, von denen der Rat nichts weiß. Auch die Grünen und die BASU zeigten sich erfreut über die ausführliche Beantwortung der Anfrage und brachten ihre Zufriedenheit darüber zum Ausdruck, dass sie jetzt ein umfangreiches Papier in der Hand haben, dessen Bedeutung für die zukünftige Auseinandersetzung nicht hoch genug bewertet werden könne. (hk)

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