vom 13.1.2010
abgestaubt von Imke Zwoch
Für Irritationen sorgte die „Zurückhaltung“ von Eurogate, was die Inbetriebnahme ihres neuen Terminals in WHV angeht. Inhaltlich wurde um den Bebauungsplan zum Hafengroden kaum diskutiert, obwohl es kritische Stellungnahmen gibt, die unsere LeserInnen interessieren könnten – deshalb werfen wir noch mal einen Blick in die Unterlagen.
David vs. Goliath: Schimpfen oder stillhalten?
Auf dem Neujahrsempfang hatte OB Menzel „vorsichtigen Optimismus“ für die Hafenwirtschaft gespürt: „Die Dynamik des internationalen Seeverkehrs wird wieder anspringen.“ Dass die Eurogate als Betreiber des JadeWeserPorts den Umschlag erst zu einem späteren Zeitpunkt aufnehmen will als ursprünglich geplant, sei „für die Stadt Wilhelmshaven nicht akzeptabel“ und das Land Niedersachsen gefordert, „sich gegen Eurogate durchzusetzen“. FDP-Sprecher von Teichman hält eine solche Offensive für unklug. Menzel solle andere nicht öffentlich an den Pranger stellen, solange er nicht selbst bessere Informationspolitik mache.
BASU-Vertreter Tjaden versuchte das Ganze aus Sicht von Eurogate zu betrachten: „Wenn die Eurogate ein Problem hat, tut sie, was sie tun muss.“ Demonstrativ, man könnte auch sagen unhöflicherweise, las der OB derweil die HAZ und spielte mit seinem Handy. Abgesehen von einigen Anmerkungen zum Lärm- und Gefahrenpotenzial – s. u. – hatte nur FDP-Vertreter Radmer eine grundsätzlichen Vorbehalt: „Wo bleibt der Ersatz für den Geniusstrand?“ Bis heute vermisst er das im Zusammenhang mit dem Hafenbau zugesagte Tourismuskonzept.
Mehrheitlich beschloss der Rat den Bebauungsplan für den Hafengroden, bei 3 Gegenstimmen (Janssen/LINKE, Tjaden, Oberbloibaum) und 2 Enthaltungen (Ender, Tholen).
Ausgewogen abgewogen?
Der Beschluss für den Bebauungsplan zum Hafengroden ist eigentlich kaum spektakulär, die Weichen wurden ja mit der Aufspülung gestellt, und dass außer den Verlade- und Transporteinrichtungen für Container auch noch „hafenaffines“ Gewerbe draufgestellt wird, war klar. Hat auch Sinn, diese neue künstliche Fläche erstmal zuzubauen, ehe man den Voslapper Groden in Anspruch nimmt, der unter EU-Naturschutzrecht steht. Aber im Detail stecken doch kleine Teufelchen.
Weiter nördlich, im Bereich der neuen Bahnzufahrt, wurde zum Schutz der Vogelwelt bereits eine Lärmschutzwand errichtet. In Naturschutz-Fachkreisen wurde bezweifelt, ob die es wirklich bringen wird. Licht- und Schadstoffemissionen hält sie jedenfalls nicht von den geschützten Tieren fern und auch nicht von den Voslapper Einwohnern. Naturschutzgegner wiederum meckerten, für ein paar Vögel wäre sie viel zu teuer. Zumindest weiß man jetzt, dass die begrünten Fertigbauteile deutlich weniger kosteten als ursprünglich gedacht.
Nun soll auch der südliche Teil des Voslapper Grodens durch eine Schallschutzwand gegen den Hafenbetrieb abgeschirmt werden. Die Untere Naturschutzbehörde forderte in ihrer Stellungnahme zum B-Plan 211, die Wand bereits vor Beginn der Bautätigkeiten im Hafengroden zu errichten. In der Abwägung der Stellungnahmen verfügte das Stadtplanungsamt jedoch, dass es reicht, die Wand fertigzustellen, bis der Gewerbebetrieb auf dem Hafengroden aufgenommen wird. Das ist fachlich unsinnig. Wenn man die Vögel schon durch den Baulärm vertrieben hat, braucht man sie vorm Gewerbelärm nicht mehr zu schützen und kann sich die Mauer schenken.
Ein weiterer Knackpunkt sind Sicherheitsaspekte. Das zuständige Bergamt verweist auf nötige Sicherheitsabstände für diverse Leitungen im Bereich des Plangebietes, wie Erdgashochdruckleitungen (EWE), Ölleitungen (NWO) oder die Chlorgasleitung der Ineos.
Was ich nicht weiß …
Das Gewerbeaufsichtsamt (GAA, Oldenburg) fordert in seiner Stellungnahme mehr Sorgfalt bei der Bewertung von Emissionen. „Bei den in Wilhelmshaven anstehenden Genehmigungsverfahren hat sich gezeigt, dass die bisherigen Betrachtungen der Auswirkungen auf Emissionen ausschließlich auf Wohngebiete … nicht mehr ausreichen.“ Das BauGB verlangt nämlich gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse. Die Emissionen, die im Hafengroden selbst und in umliegenden Industriegebieten entstehen, müssen also auch im Hinblick auf die Gesundheit der dort Beschäftigten betrachtet werden. Die Stadt räumt ein, diese Hausaufgaben nur teilweise erledigt zu haben. Man wisse ja auch noch nicht, wie der Hafengroden konkret genutzt wird. Äh … das heißt ja wohl im Umkehrschluss, dass man trotzdem Emissionshöchstgrenzen festsetzen und die Nutzung im Interesse der Hafenarbeiter gegebenenfalls beschränken müsste, damit die Grenzwerte eingehalten werden! Da sollten die Gewerkschaften besser noch mal nachhaken.
Auch die mögliche Freisetzung von Chlor aus der INEOS-Chlorgasleitung sieht das GAA als kritisch an. Auch hier beruft sich die Stadt darauf, der B-Plan 211 sei nur eine „Angebotsplanung“, ohne zu wissen, ob sich dort „schützenswerte Nutzungen“ ansiedeln. In jedem Fall werden dort aber (schützenswerte) Menschen arbeiten, das soll ja Ziel der ganzen Übung sein. Was für ein Rumgeschwafel! Von Teichman griff diesen Punkt in der Sitzung kritisch auf: „Hier haben die Gutachter wohl ein Auge zugedrückt.“ Dazu Ratsvorsitzender Schmidt: „Wenn wir uns nicht auf die Gutachter verlassen, können wir einpacken!“ Tjaden verlässt sich nicht darauf. Teils durch eigene Messungen, teils durch subjektive Wahrnehmung kommt er zu dem Ergebnis, dass die Gesamtheit der Lärmbelastung durch verschiedene Industrieprojekte für die Anwohner im Stadtnorden nicht mehr zumutbar ist: „Ein Schritt fahrender Kohlenzug ist so laut wie eine startende Phantom.“
Gute Idee!
Das GAA greift auch auf, was hiesige Umweltschützer mit Nachdruck gefordert haben: die Nutzung der Abwärme aus den benachbarten Kohlekraftwerken. Diese „sind gehalten, entstehende Wärme an Dritte abzugeben, soweit dies zumutbar ist (§7 der 13. BImSchV).“ Im B-Plan kann eine derartige Verpflichtung zwar nicht geregelt werden, das GAA empfiehlt deshalb einen entsprechenden Städtebaulichen Vertrag. Das Stadtplanungsamt beruft sich in dieser Sache erneut darauf, dass die Nutzung des Hafengrodens bislang nicht konkretisiert ist. Merkwürdig, auf der einen Seite wird behauptet, die Investoren würden schon Schlange stehen, aber im Zweifelsfall weiß man dann überhaupt nicht, wer sich da so ansiedeln will …
Seveso – nie vergessen!
Schließlich mahnt das GAA die Einhaltung der sogenannten Seveso-Richtlinie an. Wir erinnern uns an den schweren Industrieunfall im italienischen Ort Seveso von 1976. Hunderte Menschen wurden evakuiert, trotzdem erkrankten viele an schwerer Chlorakne, die Zahl der Todesopfer durch später folgende Krebserkrankungen ist unbekannt. 1982 erließ die Europäische Gemeinschaft die erste Richtlinie zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen (Seveso-I-Richtlinie). Nach dem noch folgenschwereren Unglück in Bhopal, Indien, mit bis zu 25.000 Toten und mindestens 500.000 Verletzten, wurde die Richtlinie mehrfach überarbeitet. Die Seveso-II-Richtlinie schreibt für relevante Industriebetriebe u. a. vor, regelmäßig Sicherheitsberichte sowie interne und externe Notfallpläne zu erstellen – und zu Wohngebieten und Naturschutzgebieten einen angemessenen Sicherheitsabstand einzuhalten. „Diesbezügliche Betrachtungen finden sich jedoch nicht in der Begründung zum Bebauungsplan 211, obwohl bereits aus dem Planfeststellungsbeschluss für die ‚Infrastruktur’ des JadeWeserPorts vom 15.3.2007 hervorgeht, dass dort auch Gefahrstoffe / Gefahrgüter umgeschlagen und zwischengelagert werden sollen“, wundert sich das GAA und erinnert an ein Gespräch, in dem Eurogate einräumte, dass schon im Bereich des eigentlichen Containerterminals / B-Plan 210) „durchaus mit Gefahrgütern in einer Größenordnung der Mengenschwellen der Störfallverordnung zu rechnen ist“. Was bedeutet: “Somit sind ggf. Nutzungsbeschränkungen für angrenzende Bereiche des B-Plans 211 nicht auszuschließen.“ So ein Mist auch! Schon wieder Nutzungsbeschränkungen. Am Ende dürfen nur Container mit Gartenzwergen umgeschlagen werden! Doch hier (anders als bei der Abwärmenutzung der Kraftwerke) sieht sich die Stadt in der Lage, jetzt schon einen Städtebaulichen Vertrag abzuschließen, in dem sich der Eigentümer des Plangebiets verpflichtet, dort keine Nutzungen anzusiedeln oder zuzulassen, die hinsichtlich Seveso II Probleme verursachen. Stadtplaners Wege sind unergründlich …
Mal einig
Seit geraumer Zeit versucht die Stadt, sich um einen Teil der Kosten zu drücken, die sie Hartz IV-Empfängern für die Unterkunft zahlen müsste. Dazu gibt es ein noch laufendes Gerichtsverfahren.
Umso ärger, dass sich der Bund zukünftig noch weniger als bisher an diesen Kosten beteiligen will. Einstimmig verabschiedete der Rat eine Resolution an die Bundesregierung des Inhalts, dass der Anteil an der Kostenübernahme nicht sinken darf und ein Abrechnungsverfahren zu entwickeln ist, das der tatsächlichen Belastungssituation (der Stadt) entspricht. Pikant ist dabei, dass die Abrechnung der Stadt ebenfalls nicht der tatsächlichen Belastungssituation (der betroffenen Hartz-IV-Empfänger) entspricht – genau darum dreht sich das Gerichtsverfahren.
Gute Idee II
Der CDU war zu Ohren gekommen, dass viele Grabsteine auf deutschen Friedhöfen aus Steinbrüchen in Indien stammen, wo vielfach Kinder unter miserablen Bedingungen arbeiten. Die christlichen Demokraten forderten deshalb eine Änderung der städtischen Friedhofssatzung derart, dass Grabsteine aus Kinderarbeit nicht mehr aufgestellt werden dürfen.
Die Verwaltung wies allerdings darauf hin, dass zuvor eine Änderung der niedersächsischen Friedhofssatzung notwendig sei. Kaum überraschend war ein Redebeitrag, der fast standardmäßig in vergleichbaren Diskussionen auftaucht: Es sei doch besser, die indischen Kinder könnten durch ihre Arbeit im Steinbruch ihre Familien ernähren als gar nichts zu haben. Später gab es noch einen WZ-Leserbrief, wonach Friedhöfe eine pietätvolle Angelegenheit sind, in der ein solches Politikum nichts zu suchen habe. Ruhe sanft, auch wenn Kinder dafür bluten? In der Begründung des CDU-Antrags war dazu eigentlich alles gesagt: „Wer aber Pietät einfordert und sich zu seiner ethischen Verantwortung als politisch denkender Mensch bekennt, kann und darf nicht akzeptieren, dass ausbeuterische Kinderarbeit durch die Hintertür von Seiten der Kommune toleriert oder gar gefördert wird.“ Bis zur Änderung der Satzungen wird noch viel Zeit ins Land gehen, die man sinnvoll dafür nutzen könnte, Steinmetzbetriebe und deren Kunden für das Thema zu sensibilisieren.
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