„Gemeinsame Erziehung von Anfang an“,
überschrieb das Kultusministerium Niedersachsen jüngst eine Presseerklärung. Es geht um ein Modellprojekt für integrative Betreuung von unter dreijährigen Kindern mit und ohne Behinderung. 185 Plätze stellen das Kultus- und das Sozialministerium gemeinsam zur Verfügung.
Schade, dass es nur um gemeinsame Betreuung von Anfang an, nicht aber um gemeinsame Betreuung und Beschulung bis zum Ende der Schulzeit geht. Die fürchtet die schwarzgelbe Landesregierung weiterhin wie der Teufel das Weihwasser, und so sollen Haupt- und Realschulen angesichts des stetigen Schrumpfens der Hauptschulen nur „enger kooperieren“, nicht aber zusammengelegt werden. Aber immerhin: „Zur Sicherung kleiner Schulstandorte werden die Möglichkeiten für zusammengefasste Haupt- und Realschulen erweitert. Hierzu kann gemeinsamer Unterricht in den Klassen fünf bis acht, mit Ausnahme der Kernfächer Deutsch, Mathematik und der ersten Fremdsprache erfolgen. Zur Vermeidung von jahrgangsübergreifendem Unterricht können auf Antrag auch andere Formen der Differenzierung in Kernfächern erfolgen.“
G8 an Gesamtschulen? Nein, hier geht es nicht um abgeschottete Wirtschaftsgipfel, sondern um die Einführung des Abiturs nach 12 Schuljahren auch an Gesamtschulen. Die entsprechende Änderung des Schulgesetzes im letzten Sommer hat damals für Furore gesorgt. Jetzt sind die Pläne des Kultusministeriums so weit gediehen, dass sie in den Gremien diskutiert und den Verbänden vorgelegt werden können, und es ist damit zu rechnen, dass die Protestwelle wieder zunimmt. „Kernelement ist dabei, wie das Abitur nach 12 Jahren an allen Gesamtschulen durchgeführt wird. Nach der neunten Klasse entscheidet der Leistungsstand der Schülerinnen und Schüler, wer die Einführungsphase der Oberstufe der Gesamtschule besucht. Schülerinnen und Schüler, die am Ende der neunten Klasse dieses Leistungsniveau nicht erreichen, würden dann, wie auch an den Haupt- und Realschulen, die dafür vorgesehene 10. Klasse besuchen und haben die Chance, den Erweiterten Sekundarabschluss I zu erreichen. Hieran anschließend gibt es wie bisher die Möglichkeit, das Abitur über die Fachgymnasien, die Gymnasien oder die Oberstufe der Gesamtschulen nach drei weiteren Schuljahren zu erreichen“, teilt das Kultusministerium in einer Presseerklärung mit. Die Schülerinnen und Schüler der Gesamtschulen sollen also schon nach der 9. Klasse getrennt werden, die „besseren“ auf die Oberstufe vorbereitet, die „schlechteren“ auf das, was früher „mittlere Reife“ hieß, hingeführt werden. Ein bisschen mehr Desintegration an den Integrierten Gesamtschulen also. „Weniger Schulabbrecher in Niedersachsen“, hieß es direkt vor Weihnachten in der „WZ“. Um 20 Prozent sei die Quote der Jugendlichen, die ohne Abschluss die Schule verlassen, gesunken, und das sei ein „Erfolg des Hauptschulprofilierungsprogramms“, wie die Kultusministerin Heister-Neumann erklärte. Richtigerweise erklärte der WZ-Kommentator, dass diese schöne Meldung jedoch mit Vorsicht zu genießen sei, denn die Zahl der HauptschülerInnen sinke weiter. Eine Trendwende sei es beileibe noch nicht. Am 21. Januar lasen wir dann, dass Wulff 2011 Lehrerstellen streichen will. Dann nämlich verlassen zwei Jahrgänge gleichzeitig die Gymnasien, der letzte, der noch das Abitur nach 13 Jahren macht, und der erste mit „Abi12“. Also sinken dann die Schülerzahlen, also braucht man dann weniger Lehrer. Logisch, oder? Und schon ist vergessen, dass man eine bessere Ausstattung der Schulen mit Lehrpersonal, dass man bessere Arbeitsbedingungen an Schulen versprochen hat. Neuerdings liest man in der „WZ“ immer wieder von gemeinsamen Projekten einzelner Schulen mit der Wirtschaft. Das geht auf einen Erlass zurück, für den das Kultusministerium sich selbst lobt mir den Worten „Niedersachsen Vorreiter – andere Länder interessiert“. Dazu heißt es in einer Presseerklärung des Kultusministeriums: „Im Juni 2009 hat der Landtag mit der Änderung des Schulgesetzes die Stärkung der Berufsorientierung der Haupt- und Realschulen beschlossen. Kultusministerin Elisabeth Heister-Neumann teilte mit, dass die Entwürfe zur Umsetzung in der Anhörung sind. ‚Mit der Stärkung der Berufsorientierung sichern wir die Zukunftschancen unserer Kinder. Der berufsorientierte Weg zur Ausbildung oder zum Studium wird durch die Verzahnung der Hauptschulen mit den berufsbildenden Schulen und der Profilbildung an den Realschulen weiter ausgebaut. Es gilt: Kein Abschluss ohne Anschluss’, sagte Heister-Neumann. Vor allem aber sichert das Land damit den Fortbestand der Selektion: Die Lehrpläne der drei Schulformen werden immer unterschiedlicher, und damit wird ein Schulwechsel „nach oben“, also von der Haupt- zur Realschule oder von der Realschule zum Gymnasium, immer schwieriger.
Anette Nowak
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