Mehr Müll
Aug 101992
 

Müllabfuhr bald billiger?

Gegenwind-Gespräch über Müllgebühren und einige Probleme des Dualen Systems

(hk) Zur Abrundung des Themas „Gelber Sack“ und um die Auswirkungen auf die Wilhelmshavener Müllpolitik zu erkunden, führten wir ein Gespräch mit Wilhelmshavens Umweltdezernenten Stadtrat Graul.

Gegenwind: Die Menge des Hausmülls nimmt seit Einführung des dualen Systems in Wilhelmshaven rapide ab. Bei uns im Hause waren es vorher wöchentlich 5 volle Tonnen, heute kriegen wir nicht einmal 3 Tonnen voll. Wann spürt der Bürger das mal in seinem Geldbeutel?
Stadtrat Graul: Wir sind ja bereits mit der 14tägigen Abfuhr angefangen: Alle Gebiete, die die braune Tonne bekommen, das sind in diesem Jahr 6.000 Einwohner und im nächsten Jahr werden noch weitere dazukommen, haben ja faktisch schon die 14tägige Abfuhr.
Gegenwind: Nicht ganz. In der einen Woche werden die organischen Abfälle abgeholt und in der anderen der Restmüll.
Stadtrat Graul: Alle, die selbst kompostieren, haben die Möglichkeit, sich von der braunen Tonne freizustellen. Darüber hinaus wird ab nächstes Jahr auch verstärkt eine kleinere Tonne eingesetzt – 80 statt 120 Liter. Die dazugehörige Gebührenstaffelung muß allerdings noch vom Rat beschlossen werden.
Das gilt für alle. Bei den Mietshäusern geht das nur in Absprache mit den Hauseigentümern. Aber auch dort können und werden die Tonnen reduziert werden. Die Umstellung auf einen anderen Abholrhythmus oder auf kleinere Restmülltonnen, das läuft bei uns alles im Zeittakt mit der Einführung der braunen Tonne. Wir glauben nicht, daß durch das Duale System soviel zusammenkommt, daß man auf 14tägige Abholung zurückfahren kann. Nach den von uns in den Versuchsgebieten gemachten Erfahrungen ist eine Reduzierung des Restmülls auf die Hälfte erst dann möglich, wenn organische Abfälle generell gesammelt werden und das duale System neben den gelben Säcken auch Papier und Glas voll erfaßt.

Gegenwind: Hat die Einführung des dualen Systems Auswirkungen auf die mal projizierte Müllpolitik der Stadt, die ja sehr viel stärker als die DSD den Faktor „Vermeidung“ beinhaltet?
Stadtrat Graul: Überhaupt nicht. Der Gelbe Sack ist an die Stelle von etwas getreten, was wir sonst gemacht hätten. Unsere Kampagne zur Vermeidung läuft auch in diesem Jahr weiter. Wir sind nicht verpflichtet, Öffentlichkeitsarbeit für den grünen Punkt zu machen, in dem Sinne, dass wir das, was die DSD uns vorgibt, unkritisch reproduzieren. Das ist auch in den Verträgen mit der DSD abgesichert. Es kann ja nicht sein, daß unser Kampf um die Schulmilchflaschen dadurch blockiert wird, daß man uns vorhält, daß wir doch ans duale System angeschlossen sind. Wir werden ganz gezielte Pro-Mehrweg-Aktionen zusammen mit dem Einzelhandel machen, um eben dem entgegenzuwirken, dass durch den gelben Sack Einwegprodukte gefördert werden.
Wir sehen aber auch, daß durch den gelben Sack die Leute bewußter werden, sie anschaulich über den Verpackungswahnsinn nachdenken können.

Gegenwind: Oder aber andersherum: Jetzt habe ich einen Gelben Sack, da kann ich ja beruhigt wieder den billigeren Orangensaft in der Pappschachtel kaufen. Welche Daten bekommt die Stadt von der GMA geliefert?
Stadtrat Graul: Wir bekommen die Erfassungsmengen aus den verschiedenen Abfuhr-Touren und die Menge der aussortierten Reste, die wir der GMA wieder abnehmen müssen.
Gegenwind: Bekommt die Stadt Informationen darüber, was mit den sortierten Verpackungen geschieht?
Stadtrat Graul: Nein. Diese Daten bekommt die GMA aber auch nicht. Dort werden die sortierten Verpackungen abgeholt und das war es dann.
Gegenwind: Wer hat denn die Kontrolle darüber, daß die sortierten Verpackungen wirklich verwertet werden?
Stadtrat Graul: Das könnte meines Erachtens nur auf Bundesebene überwacht werden.

Gegenwind: Es gibt ja immer wieder böse Zungen, die behaupten, daß die gesammelten und sortierten Verpackungsabfälle sowieso verbrannt oder in die dritte Welt verschifft werden.
Stadtrat Graul: Dieses Risiko wird es auch in Zukunft immer geben. Würde so etwas allerdings einmal unwiderlegbar bewiesen werden, das wäre der erste Tag vom Ende des dualen Systems. Es ist für mich unvorstellbar, daß jemand so dumm sein könnte – das kann sich gar keiner leisten.

Gegenwind: Gibt es denn heute schon genügend Anlagen, die in der Lage sind, diese Unmengen Verpackungsmüll aus Metall, Kunststoff, Verbundstoff usw. aufzuarbeiten?
Stadtrat Graul: Es gibt sicherlich noch Engpässe. Wir können dem Bürger sagen, es gibt etablierte Recyclingmärkte bei Metallen, bei Glas, bei Papier. Da ist das Risiko, daß dort geschummelt wird, relativ gering; aber bei einigen Kunststoffen ist das etwas unübersichtlich und bei Getränkekartons ist man noch im Experimentalstadium, da  gibt es nur wenige Pilotanlagen. Wenn man ganz sicher sein will, darf man bestimmte Verpackungen eben nicht kaufen. Das kann jeder für sich steuern.

Gegenwind: Wir danken für das Gespräch.

Der Weg der Verpackungen
Unklar blieb in den Gesprächen, wie kontrolliert wird, was mit den sortierten Verpackungen geschieht, wenn sie das Gelände der GMA verlassen haben. Wir sprachen darüber mit Frau Stefanie Nöthel vom niedersächsischen Umweltministerium.
Der Bund ermittelt die Basisdaten, wieviele Tonnen der verschiedenen Verpackungen in der Bundesrepublik jährlich in den Markt gelangen. Die Verpackungsverordnung gibt dann vor, wieviel Prozent dieser Mengen verwertet werden müssen. Die DSD, die ja diese Aufgabe übernommen hat, muß dann den Umweltministerien auf Landesebene nachweisen, was und wieviel sie eingesammelt und in verwertbarer Qualität sortiert hat. Desweiteren muß die DSD dem Ministerium erklären, was sie mit diesen Stoffen macht. Diese Erklärung wird von der Überwachungsbehörde auf ihre Plausibilität hin überprüft.
Bei Unklarheiten wird das Ministerium die Angaben genauer überprüfen – also ob z.B. die von der DSD benannte Anlage wirklich in der Lage ist, die angegebenen Mengen zu verarbeiten. Bei nicht so einfach zu überprüfenden Fällen, wenn z.B. die Chargen an eine ausländische Firma übergeben wurden, muß von unabhängigen Sachverständigen ein Gutachten erstellt werden. Die DSD muß, so Frau Nöthel weiter, im Grunde ein System entwickeln, durch das alle Mengenströme von der Einsammlung bis zur Wiederverwendung transparent werden. Allerdings gibt es dieses System noch nicht – es soll am 1.1.93 bzw. 1.3.93 anlaufen. (hk)

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