Gelber Sack
Aug 101992
 

Was ist gelb und stinkt?

Schwierige bis boshafte Fragen an die GMA

(jm/hk) Trägt unsere Bereitschaft, jetzt die Einwegverpackungen ausgewaschen in den „Gelben Sack“ zu stopfen, zur Lösung des Müllproblems bei? Oder dient die Aktion „Grüner Punkt“ lediglich dazu, die Einführung der Mehrwegverpackung durch Pfanderhebung zu verhindern? Diese gegensätzlichen Positionen prägten ein langes Gespräch mit Hans-Jörg Mellen, Geschäftsführer der Gesellschaft für Müll- und Abfallbeseitigung (GMA).

Hier eine Zusammenfassung:

Gegenwind: Herr Mellen, Ihre Firma, die GMA, hat jüngst einen erheblichen Teil der Wilhelmshavener Müllabfuhr übernommen …
GMA: Das ist aber völlig falsch. Wir haben lediglich den Auftrag erhalten, den dort anfallenden Verpackungsmüll zu sammeln, der laut Verpackungsverordnung wiederverwertet werden muß.
Gegenwind: Was wird denn nun wie eingesammelt?
GMA: Um die Leichtverpackungen aus Kunststoff und Metall zu sammeln, konnte man nicht wie bei Papier und Glas mit Depotcontainern arbeiten – man mußte sehr viel näher an die Bürger ran. Deswegen die direkte Abholung mit dem Gelben Sack.

Verpackungsverordnung
Um mit dem Müll fertig zu werden, wurde im vergangenen Jahr die Verpackungsverordnung verabschiedet. Diese Verordnung sieht vor, daß nicht mehr die Kommunen allein für den Müll verantwortlich sind. Hersteller und Vertreiber von Verpackungen müssen sich zukünftig selbst um die Müllbeseitigung kümmern (Rücknahmepflicht).

Gegenwind: In Gesprächen mit Bürgerinnen und Bürgern haben wir den Eindruck gewonnen, daß viele doch noch sehr irritiert sind. Einige wußten nicht, was in den Gelben Sack gehört bzw. ob sie die Kunststoffe, Dosen, Verbundstoffe usw. in einen extra Sack stopfen sollten.
GMA: Um die Bürger nicht zu überfordern – es geht ja auch noch um die Getrenntsammlung der Bioabfälle -, sieht unsere Lösung so aus: Alle Leichtverpackungen in einen Sack, die Sortierung übernehmen wir.
Gegenwind: Andere beklagten sich über die vierwöchige Abholung – das Zeug fängt trotz Auswaschens an zu stinken – gerade jetzt im Sommer. Dazu kommt der Platzmangel in vielen Haushalten.
GMA: Es besteht natürlich die Schwierigkeit, die Entsorgung so zu kombinieren, daß Ökonomie, Ökologie und letztendlich die Akzeptanz der Bürger zusammenpassen. Wir müssen die Organisation der Abfuhr so gestalten, daß die im Rahmen der Verpackungsverordnung geforderten Quoten dabei zusammenkommen. Eingeführt worden ist jetzt eine vierwöchige Abholung, weil an sich rein gewichtsmäßig die Leichtstofffraktion am Gesamtmüll nur 10 % ausmacht. Das Volumen ist da eine ganz andere Sache, das kann zwischen 35 und 50 % einnehmen.

DSD GmbH
Die DSD GmbH besteht aus mehr als 400 Firmen, wie Supermarktketten, Verpackungsherstellern, Recyclingbetrieben und vielen anderen. Sie will das Duale System aufbauen.

Gegenwind: Ein Wilhelmshavener Bürger stellte fest: „Seit der Gelbe Sack da ist, ist meine Mülltonne leer.“ Für den Haushalt gibt es also ein Mengenproblem. Wie wollen Sie denn die Leute zum Mitmachen bewegen, wenn Sie sich entsorgungstechnisch nur für das Gewicht interessieren?
GMA: Platzmangel im Haushalt – Sie haben vollkommen recht, daß es hierbei nicht um das Gewicht, sondern um das Volumen geht. Ich sammle seit einigen Wochen auch selber, dabei hat sich bestätigt, daß unsere Vorausberechnungen, nämlich 2 Säcke pro Monat in einem Zwei- bis Dreipersonenhaushalt, richtig waren. Wir haben festgestellt, daß die größere Problematik für die Motivierung der Bürger nicht die Platzprobleme sind, sondern daß die Leute merken, daß ihre Mülltonne nicht mehr voll wird. Die Leute fragen sich, ob die Beschwernisse, die sie durch Getrenntsammlung, Lagerung usw. auf sich nehmen, irgendwo aufgewogen werden.
Die Leute wissen, daß sie für das Duale System im Rahmen der Finanzierung durch den Grünen Punkt selber die Kosten tragen, die sie für die Beseitigung der Verpackungen verursachen. Im selben Augenblick, in dem die Regelabfuhr der gelben Säcke von der vierwöchigen in eine 14tägige umgewandelt wird, muß der Bürger für diesen Service tiefer in die Tasche greifen.

Gelbe Tonne / Gelber Sack
Das Duale System sammelt manche Stoffe wie Kunststoffe und Verbundstoffe in einer Extra-Wertstofftonne oder -sack. In Wilhelmshaven sammelt die GMA (Gesellschaft für Müll- und Abfallbeseitigung) im Auftrag der DSD die Verkaufsverpackungen ein.

Gegenwind: Der Bürger bringt die Preissteigerungen der letzten Wochen und Monate kaum in Verbindung mit dem Grünen Punkt. Ab 1995 müssen Sie durchschnittlich 80 % der Verwertung zuführen. Da liegt es doch auf der Hand, daß wir dann nur noch eine vierwöchige Müllabfuhr brauchen, dafür aber eine wöchentliche Wertstoffabholung.
GMA: Wir müssen ab 1995 fast die dreifache Menge von heute einsammeln. Ich bin ganz sicher, daß es uns nicht gelingen wird, ausschließlich mit dem Sacksystem diese Quote zu erreichen. Und deswegen wird man sicherlich über das, was Sie gerade angesprochen haben, nachdenken müssen. Ob dann aus der vierwöchigen Abfuhr von Leichtverpackungen eine 14tägige werden muß, kann ich aus heutiger Sicht nicht entscheiden.

Duales System
Das Duale System ist als Sammelsystem auf privatwirtschaftlicher Basis neben der kommunalen Müllabfuhr vorgesehen. Es befreit Hersteller und Vertreiber von ihrer Rücknahmepflicht. Dieses System muß einen festgelegten Prozentsatz an Verpackungsmüll einsammeln und in sieben Fraktionen sortieren. Danach soll stofflich wiederverwertet werden, allerdings ohne festgelegte Quoten.

Gegenwind: Muß Müll sein, damit Sie existieren können?
GMA: Das halte ich für eine ganz boshafte Unterstellung! Wir haben uns schon sehr früh und sehr engagiert mit Verwertungsaufgaben beschäftigt, da gibt es für uns sehr viele und sehr attraktive Aufgaben. Obwohl es immer weniger Abfälle gibt, werden unsere Aufgaben immer größer.
Gegenwind: Mehrwegverpackungen, Pfandflaschen – das ist nicht unbedingt Ihre Schiene!
GMA: Wir sind auch in der Lage, solche Wirtschaftsgüter über die Straße zu transportieren. Wir würden uns über eine Zunahme der Pfandverpackungen nicht grämen, sondern Alternativen suchen, um unseren Aufgabenbereich zu erhalten bzw. zu erweitern.
Gegenwind: Die Gemeinschaftsaufgabe, die hinter der Abfallproblematik steckt, ist, die Abfallawine in den Griff zu kriegen. Ohne Mitwirkung der Industrie bei der Vermeidung wird das nicht gehen.
GMA: Also, Abfallawine ist wieder so ein Schlagwort! Die Abfallmengen – und dabei rede ich vom Restmüll und nicht vom Hausmüll – haben tatsächlich abgenommen. Sie haben abgenommen durch die getrennte Sammlung von kompostierbaren Stoffen, von Glas und Papier. Und sie werden weiter abnehmen. Irgendwie müssen Sie sich doch treu bleiben. Entweder haben die Bürger leere Müllgefäße oder die Müllgefäße reichen nicht mehr aus, weil die Müllmenge größer wird.
Gegenwind: Der Grüne Punkt verhindert nicht, daß die Verpackungsindustrie weiter boomt. Es wird zwar einige Umstrukturierungen geben: einige nicht verwertbare Verpackungen werden vom Markt verschwinden, aber das Grundübel, der Verpackungsboom, wird weiter bestehen bleiben.
GMA: Es ist doch immer gefordert worden, daß die Industrie mit den Problemen die sie schafft, auch selber zurechtkommen soll.
Gegenwind: Es geht doch darum, verpackungsmüllproduzierende Unternehmen direkt in die Verantwortung zu nehmen. Im Dualen System ist dieser Produzent nicht mehr verantwortlich. Durch seine 2 1/2 Pfennig pro Verpackung ist er raus aus dem Schneider.

Transportieren und sortieren

Gegenwind: Die eingesammelten Gelben Säcke werden auf dem Abfuhrwagen zusammengepreßt. Können Sie denn die zusammengepreßten Verpackungen überhaupt noch sortieren?
GMA: Wir praktizieren die von Ihnen beschriebene Verdichtung der Gelben Säcke so, daß auf jeden Fall hinterher noch eine Sortierung möglich ist.

In der Anlage zur Verpackungsverordnung werden sieben Materialgruppen genannt, für die in zwei Zeitabschnitten bestimmte Sammel- und Sortierquoten erreicht werden müssen. Die quantitativen Anforderungen an die Erfassungssysteme und an die Sortieranlagen sind genau festgelegt. Im einzelnen sind diese (Angaben in %):

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Gegenwind: Können Sie uns ihre Sortieranlage beschreiben?
GMA: Es ist bei den Sortierungen von Papier und Leichtverpackungen nur sehr begrenzt möglich, maschinell zu trennen. Die Stoffe die man gewinnen will, werden in die Hand genommen und in die entsprechenden Boxen geworfen.
Gegenwind: Was machen Sie maschinell?
GMA: Der einfachste, angenehmste Weg ist es, die Weißblechdosen mit dem Überbandmagneten abzuscheiden. Da gibt es allerdings das Problem mit den Spraydosen, deren Inhaltsreste in die Schadstoffsammlung gehören. Das heißt, daß wir alles, was wir mit dem Magneten herausgeholt haben noch einmal nachsortieren müssen.

Die DSD erhebt von den angeschlossenen Firmen für die Kennzeichnung von Verpackungen mit dem „Grünen Punkt“ eine Lizenzgebühr, die an die VerbraucherInnen weitergegeben wird und sich wie folgt staffelt:

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Gegenwind: Sortieren Sie auch Glas nach?
GMA: Wir sind verpflichtet, das Altglas farbgetrennt zu sammeln. Die Nachsortierung läuft direkt in der Altglasaufbereitung, die bei uns nicht durchgeführt wird.
Gegenwind: Was trennen Sie bei Kunststoffen?
GMA: Es wird nicht alles zusammengetan, sondern nach Stoffkriterien aufgetrennt. Da wir es im Bereich der Hohlkörper – z.B. Shampoos, Geschirrspülmittel usw. – überwiegend mit PE (Polyethylen) zu tun haben, werden diese als eine Sortierfraktion erfaßt. Das heißt, die Leute am Sortierband müssen nicht zwischen z.B. PVC und PE unterscheiden, sondern nehmen alle Hohlkörper raus. Der Anteil von Nicht-PE ist dabei so gering, daß es dafür schon seit vielen Jahren eine Verwertung gibt. Die weiteren Kunststoffverpackungen geben wir nochmals sortiert nach Becher und Blister und Folien zusammen an die Aufbereiter weiter.
Gegenwind: Da werden dann die berühmten Lärmschutzzäune und Parkbänke draus gemacht.
GMA: Was daraus gemacht wird, weiß ich nicht. Natürlich ist es jetzt das Problem des VGK (Verwertungsgesellschaft gebrauchte Kunststoffe), für die Stoffe Verwertungskapazitäten zu schaffen. Für mich ist die bisherige Erfahrung, daß die Kapazitäten, die verfügbar waren, für die anlaufenden Mengen ausreichten. Das gilt auch für Getränkekartons.
Gegenwind: Tetrapaks! Sortieren Sie die getrennt?
GMA: Als getrennte Fraktion. Die DSD hat ja in ihrer Wanderausstellung eine Reihe von Schaubildern benutzt, die auf Tafeln aus Trinkmilchkartons montiert waren.
Gegenwind: Also so eine Art Spanplatte.

Alles unter Kontrolle

Gegenwind: Wer kontrolliert, was mit den Stoffen, die sie abliefern, passiert?
GMA: Die Landesregierung. So hat z.B. die VGK gegenüber der Landesregierung nachzuweisen, wie sie ihrer Verpflichtung zur stofflichen Wiederverwertung nachgekommen ist.
Gegenwind: Also, Sie melden der VGK, daß hier in Wiefels 10 Tonnen sortierte Hohlkörper bereitstehen. Was passiert dann?
GMA: Die VGK benennt uns dann den Verwerter und erteilt den Transportauftrag. Das heißt, wir beliefern die VGK ab Station.

Recycling – Downcycling

Gegenwind: In der Werbung für den Grünen Punkt wird ja von Recycling gesprochen. Dagegen ist der Begriff „Downcycling“ eingeführt worden, weil ja aus dem leeren Joghurt-Becher kein gleichwertiger Stoff entsteht, sondern er in ein minderwertiges Mischprodukt eingeht, für das erst noch ein Bedarf geschaffen werden muß.
GMA: Der Begriff Downcycling ist für einige Bereiche durchaus zutreffend. Man wird sicherlich aus Verbundstoffverpackungen nicht wieder gleichwertige Verpackung herstellen können. Man wird jetzt abwarten müssen, wie reagiert eigentlich die Industrie darauf, daß sie jetzt zu der Aufgabe, Produkte zu erzeugen, auch deren Recycling zu organisieren hat. Ob sie sich – und das hat sie schon – ihre Aufgabe dadurch erleichtert, daß sie die unnötige Vielfalt der Kunststoffe zurückfährt.

…und dann kommt die EG

Gegenwind: Und dann kommt die EG-Verpackungsrichtlinie und alles ist wieder gestorben?
GMA: Das ist eine der schwierigsten Fragen, die man überhaupt stellen kann! Es gibt ja bisher nur einen Entwurf. Was sich aber herausschält ist, daß z.B. die Quoten in anderen EG-Staaten sehr viel niedriger gesehen werden als bei uns.
Gegenwind: Was wird sich für Sie ändern, wenn sich die marktwirtschaftliche Linie durchsetzt – also keine Behinderung des EG-Handels durch nationale Vorschriften?
GMA: Die Quotenregelung wird auch auf EG-Ebene kommen, das ist schon mal ein Fortschritt. Es kann sein, daß diese Quoten niedriger sein werden, als sie heute in Deutschland festgelegt sind, wenn die EG-Richtlinie als Wettbewerbsfrage definiert wird. Nur eines weiß ich genau: Das einzige, was davon beeinflußt wird, ist das Tempo. Die eingeschlagene Richtung und Entwicklung wird auf Dauer davon nicht beeinträchtigt.
Gegenwind: Sie könnten mit niedrigeren Quoten aber ganz gut leben?
GMA: Nein. Niedrigere Quoten heißt für uns: Weniger Aufgaben. Wir werden dafür bezahlt, was wir effektiv an Material bewegen und was wir sortieren.
Gegenwind: Werden Sie auch dafür bezahlt, wenn Sie die Quote übererfüllen?
GMA: Natürlich. Für die doppelte Menge bekommen wir das doppelte Geld.
Gegenwind: Wir danken Ihnen für das Gespräch.

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