Leserbrief
Jun 101991
 

Einarmige Banditen

Zum Artikel „Windige Geschäfte“ in Gegenwind Nr. 100

Ich finde es nicht so schön, dass Windenergieanlagen (WEA), deren Stromproduktion wesentlich durch das jahreszeitlich (natürlich) bedingte Windenergieangebot bestimmt wird, mit zentralen und antiökologischen Großkraftwerken verglichen werden; wobei es mir unerheblich erscheint, in welchem Gesellschaftssystem Kohlekraftwerke gemäß einer (natur-) ausbeuterischen Logik Energie produzieren.Als unwiderlegt gilt m.E. bisher, daß WEA nur in bestimmten Regionen einen wesentlichen Anteil an der Stromproduktion übernehmen werden. Allerdings gehört zu einer solchen Aussage in einem Artikel eine Vorstellung davon, welcher Energiebedarf überhaupt als sinnvoll/ökologisch vertretbar angenommen wird und ob entsprechende Vorstellungen z.B. Regierungspolitik oder so etwas wie gesellschaftlichen Konsens ausdrücken.
Wenn darauf bezogen von verschiedenen Baugrößen von marktreifen WEA berichtet wird, verstehe ich nicht, wieso ausgerechnet die z.Zt. durch staatliche Förderprogramme vielerorts harten (!) ökonomischen Rentabilitätsrechnungen widerstehenden WEA der mittleren Baugröße (20-500 kW) nicht erwähnt werden!
Ferner wird bzgl. der Umsetzung, d.h. ggfs. Errichtung von WEA offensichtlich recht deutlich auf eine Unselbstständigkeit von „privaten“ Interessierten gesetzt; dahinter steckt m.E. die hierachisierte Vorstellung, daß mensch immer bestimmte Experten benötigt und/oder auf staatliches Wohlwollen angewiesen ist, um entsprechende Projekte in die Praxis umzusetzen: Wozu dieser ausdrückliche, wohl auf Vereinzelung setzende Pessimismus?
Hierzu möchte ich ergänzen, dass Anfang Februar in Neuenburg eine gut besuchte Veranstaltung zum Thema Windenergienutzung stattgefunden hat und daß seitdem ein monatliches Treffen in einem Bockhorner Gasthof stattfindet.
Gut an dem Artikel fand ich die Hinweise auf drei (Rüstungs-) Konzerne. Diese Konzerne entwickeln bezeichnenderweise vor allem Großwindanlagen (GROWIANE), da sie aufgrund ihrer ökonomischen Vormachtstellung inkl. entsprechender Infrastruktur durch Lobbyarbeit viel leichter an Forschungs- und Entwicklungsgelder gelangen; nicht zuletzt deswegen werden die bisher im „Jade-Windenergiepark“ errichteten WEA auch als „einarmige Banditen“ betitelt. Allerdings deutet der Hinweis im Artikel noch auf weiterreichende gesellschaftliche Strukturen; denn hier wird m.E. deutlich, daß Gesellschaftskonzepte stärker als bisher auf Machtentflechtung und Dezentralität setzen müssen, um die hierachisierte nationale wie „internationale Arbeitsteilung“ durch eine emanzipatorische und ökologisch verträgliche Produktion (Stichwort z.B. Rüstungskonversion) in Einer Welt zu verankern.

Reiner Dunker

Sorry, the comment form is closed at this time.

go Top