Chancen nutzen statt Wunder erhoffen
Die finanzielle und wirtschaftliche Situation der Stadt ist zum Tagesthema geworden. Noch bei den letzten Haushaltsberatungen hat die SPD so getan, als könne man allein durch die voraussichtliche „Genehmigungsfähigkeit“ des Haushalts den kommunalpolitischen Handlungsspielraum für W’haven erhalten. Um das damals gerade im Anfang der Entwicklung befindliche zarte Pflänzchen der rot/grünen Koalition in Hannover nicht zu gefährden, stimmten die Grünen im Rat mit der SPD gemeinsam gegen einen besseren Personalschlüssel in Altenpflegeeinrichtungen und gegen Mittel für mehr Kindergartenplätze. Wobei ich immer noch nicht glaube, daß die Bezirksregierung den Haushalt an diesen Mitteln hätte scheitern lassen, da beide Bereiche ausdrückliche Schwerpunkte der Landespolitik sein sollen.Jetzt, knapp 1/2 Jahr nach den Haushaltsberatungen, wird vom Rat eine Resolution verabschiedet, in der vom „finanziellen Kollaps“ der Stadt gesprochen wird. Das Defizit im Haushalt ist bis zum 2. Nachtrag um weitere ca. 12 Mio. DM angestiegen. Einsparmöglichkeiten sind nicht mehr da. Die rigorosen Sparhaushalte der letzten 10 Jahre haben schon tiefe Spuren in der Substanz hinterlassen. Ein Sonderprogramm für W’haven wird gefordert und die Landesregierung hat auch schleunigst ein Papier vorgelegt. Wie weit die darin enthaltenen Absichtserklärungen tatsächlich umgesetzt werden, bleibt abzuwarten. Wir hoffen vor allen Dingen darauf, dass die Landesregierung es schafft, den Daimler-Konzern zur Erhaltung der Arbeitsplätze bei AEG-Olympia zu bewegen. Aber wütend macht es schon, wenn ein so reicher Konzern unter Umständen noch mit Geldern vom auch nicht gerade wohlhabendsten Land der Republik geködert werden muß, um den sozialen Verpflichtungen gegenüber seinen MitarbeiterInnen nachzukommen!
Wie auch immer die Entwicklung in der nächsten Zeit weiter geht: langfristig muß es Ziel sein, über die Stärkung der Wirtschaftskraft höhere Einnahmen und damit wieder Bewegungsspielraum zu erhalten. (Leider) hat niemand ein Patentrezept dafür, wie das zu bewerkstelligen ist. Ob dies aber ausgerechnet mit den unwirksamen Rezepten von gestern (u.a. Ansiedlung von Großindustrie, Energiedrehscheibe, Tiefwasserhafen) zu erreichen ist, wagen wir doch sehr zu bezweifeln. Zukünftig wird die Bestandspflege der vorhandenen Betriebe und die Ansiedlung neuer kleiner und mittlerer Betriebe aus den unterschiedlichsten Bereichen Hauptaufgabe sein. Dieses darf nicht weiter vernachlässigt werden, weil man immer noch darauf hofft. mit einem „großen Schlag“ alle Probleme W’havens lösen zu können. Wir sehen Chancen für W’haven in vielen Bereichen, u.a. im maritimen Umweltschutz, bei den alternativen Energien und auch im Fremdenverkehr. Es sollte keine einseitige Festlegung mehr erfolgen, um wirklich alle Chancen nutzen zu können. Dies erfordert auch den Ausbau der Wirtschaftsförderung gemeinsam mit der Region.
Bei der bevorstehenden Truppenreduzierung kommt es darauf an, Arbeitsplätze hier zu erhalten. Dazu sollte schon jetzt vehement Anspruch auf die Ausgleichsmittel angemeldet werden, statt weiterhin um die Erhaltung des Standortes in seiner jetzigen Größe zu kämpfen. Sonst sind vielleicht wieder einmal die Anderen schneller als W’haven bei der Verteilung der Mittel. Schneller als alle Kommunalpolitiker zusammen war sowieso wieder einmal die Rüstungsindustrie. Einen sehr großen Teil der durch den Truppenabbau einzusparenden Gelder hat sie bereits für „neue Programme für neue Aufgaben“ der NATO gesichert.
Monika Schwarz
Quoten-Qual
Aus meiner behaglichen Position als Angehörige der FRAUENLISTE könnte ich dem Quotengerangel anderer Parteien eigentlich ganz gelassen gegenüberstehen. Schließlich ist bei uns die 100% Frauenquote verwirklicht. Da jedoch die FRAUENLISTE mit Hilfe ihrer WählerInnen auch in diesem Jahr dem Rat der Stadt zu mehr Frauen verhelfen möchte, habe ich mit Spannung erwartet, was sich die „großen Parteien“ für die Kommunalwahl am 06. Oktober zur Quotenfrage würden einfallen lassen.
W’haven ist in 6 Wahlbereiche aufgeteilt. Nun habe ich ja von vornherein nicht damit gerechnet, daß womöglich in dreien davon Frauen einen ersten Listenplatz bekommen. Aber 2 von 6 hätte ich – zumindest bei der SPD – als ernsthafte Anstrengung anerkannt. Doch mitnichten (oder soll ich bei der Sachlage lieber „mitneffen“ sagen?)! Bei SPD und CDU steht lediglich in jeweils einem Wahlbereich eine Frau auf Platz 1 der Liste. Die SPD bekam deswegen sogar ein wenig WZ-Schelte (WZ vom 18.03.91). Die Partei-Männer hätten gut daran getan, sich anzuhören, was Frau Niedersen-Marchal, unsere Frauenbeauftragte, anläßlich des Empfangs am 10.03.91 im Ratssaal zur Quotenregelung sagte. Ich zitiere sinngemäß: „Wenn die Frau besser qualifiziert ist, so bekommt sie den Platz. Ist es der Mann, so macht er das Rennen. Sind aber beide gleich gut, so greift die Quote.“
Ja, das ist genau der Punkt, dessen Beachtung den Herren die Entscheidung leichter gemacht hätte: Frauen müssen nicht besser sein als Männer, um deren Plätze auszufüllen. Da hätte es doch so schwer nicht sein dürfen …
Jutta Bach
V.i.S.d.P.: Monika Schwarz, 2940 WHV
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