Jonathan
Jun 292011
 

Rettung in letzter Minute

Naturkostladen „Jonathan“ hat neue Eigentümer gefunden

(iz) Vor einigen Wochen traf KundInnen des Naturkost-Fachgeschäftes Jonathan die Hiobsbotschaft: Betreiberin Merle Mänz muss – schweren Herzens – aus gesundheitlichen Gründen aufhören. Eine Nachfolge war nicht in Sicht. Wunder dauern bekanntlich etwas länger: Kurz vor Ladenschluss tauchte doch noch ein Retter auf.

Im kommenden Jahr wird „Jonathan“ 30 Jahre alt. Nach mehreren Standort- und Besitzerwechseln (s. Gegenwind Nr. 196 vom März 2004) hat Merle Mänz den Laden am jetzigen Standort am Ende der Fußgängerzone (seit 2002) gut etabliert. Reich werden kann man mit einem Laden dieser Größenordnung nicht, aber bei ordentlicher Geschäftsführung davon leben. Naturkostladen-Besitzerin ist aber nicht nur ein Beruf, sondern eine Berufung. Umso schwerer fiel Merle die Einsicht, dass sie mit einem chronischen Rückenschaden nicht mehr den ganzen Tag hinter der Theke stehen oder schwere Kisten schleppen sollte. Zum 30. Juni hat sie das Ladenlokal gekündigt, nicht ohne weiter intensiv bundesweit nach einem oder einer Nachfolger/in zu suchen.

Doch trotz bester Bilanzen konnte sich, vermutlich standortbedingt, kein Interessent wirklich dafür entscheiden. Fachleute aus dem norddeutschen Raum bestätigten: Woanders ist es einfacher, einen solchen Fachmarkt zu betreiben. Der Ausverkauf begann, die Regale leerten sich, Vorboten einer düsteren Zukunft für alle, die aus gesundheitlichen, ethischen, politischen Gründen auf biologisch, tiergerecht, fair und nachhaltig erzeugte Lebensmittel, Kosmetika und weitere Produkte abonniert sind. Es gibt noch Naturata und ein Reformhaus, aber das spezielle Sortiment von Jonathan, die persönliche Bekanntschaft, tolle Beratung und gute Erreichbarkeit für BewohnerInnen von City und Südstadt sind unersetzlich. So ein Naturkostladen hat ja über den reinen Verkauf hinaus vielfältige Funktionen.

Für diesen Bericht war ein Interview von der Länge einer Tasse Kaffee angesetzt, dann wurden zwei Stunden daraus, weil Merle ständig in Aktion war. Spezielle Beratung für chronische Erkrankungen, Seelsorge nach einem Todesfall, sogar Wohnungsvermittlung stand auf dem Programm – „Sie wissen doch bestimmt, wo hier in der Südstadt was frei ist?“ – klar konnte Merle weiterhelfen. Wie einst die „Tante-Emma-Läden“, ist Jonathan auch ein Kommunikationszentrum. Dort liegt der GEGENWIND aus und auch andere Infos aus dem links-alternativen Spektrum finden ihren Platz. Bei Kooperationsveranstaltungen z. B. mit der örtlichen Greenpeace-Gruppe wurde der Laden zum Diskussionsforum und Wohnzimmer für die hiesige Öko-„Familie“. Ob BSE, Schweinegrippe oder EHEC – wo sonst bekommt man so fundierte fachliche Beratung, die sich schnell zu einem angeregten Gespräch mit weiteren anwesenden KundInnen entwickelt?

So war Jonathan ein ruhender Pol, eine verlässliche Größe in einer hektischen, zerbröselnden Gesellschaft. Kein Wunder, dass mit dem heranrückenden Endtermin immer wieder mal eine Träne floss – auf beiden Seiten der Ladentheke. Doch eines Tages kurz vor Schluss konnte Merle endlich ihre Nachfolger präsentieren. Vorstellen musste sie die zwei jungen Männer nicht, die sich bereits planend im Laden umschauten: Rainer Büscher, der seit Anfang des Jahres die Anti-Atombewegung in Wilhelmshaven wieder in Schwung gebracht hat, und sein Kollege Joshua Brück von der „Piratenpartei“, für die Rainer sich als OB-Kandidat aufstellen lassen hat. „Wir konnten es einfach nicht mit ansehen, dass Jonathan schließen soll, weil sich kein Nachfolger findet“, so ihre einfachen wie pragmatischen Beweggründe. Zum dritten Mal in einem halben Jahr ist Rainer als „Retter“ eingesprungen. Nun ist es auch mal genug – bei der nächsten Rettung sind andere an der Reihe; die beiden haben sich viel vorgenommen, und man darf die Zeit und Arbeit nicht unterschätzen, so einen Laden in Schwung zu halten. Wir wünschen Rainer und Joshua ein gutes Händchen und viel Erfolg.

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