JadeWeserPort 1
Nov 132003
 

Nutzlos und zerstörerisch

Umweltauswirkungen des Hafenbaus

(jm) Was würde der Bau und Betrieb des JadeWeserPorts für unsere Natur bedeuten? Von den Planern zugegeben wird die unwiederbringliche Zerstörung von ca. 900 Hektar Gewässerboden der Jade. Auf der einen Hälfte will man den Terminal bauen und die andere Hälfte als Zufahrt zu den Schiffsliegeplätzen herrichten. Doch diese Gewässerfläche, für deren Umrundung rund zwölf Kilometer Strecke zurückzulegen wären, würde nur das Zentrum eines in seinem räumlichen Ausmaß kaum überschaubaren Gebietes sein, in dem die Flora und Fauna teils langfristig geschädigt, teils unwiederbringlich vernichtet wird.

Dabei dürfte dieser Hafen nur wenigen Menschen in der Jaderegion Arbeitsplätze bieten, und die zusätzlichen Steuereinnahmen der Stadt dürften sich in einem äußerst bescheidenen Rahmen bewegen. Stattdessen muss die Stadt einen nicht unerheblichen finanziellen Beitrag zur Realisierung des JadeWeserPorts leisten und gibt auch schon fleißig Gelder dafür aus. Ob die Wilhelmshavener jemals etwas über das Kosten-/Nutzenverhältnis des Ports für die Stadtkasse erfahren werden, darf bezweifelt werden. Wahrscheinlich werden das selbst die Verantwortlichen nicht so genau wissen wollen. Denn dabei könnte ja herauskommen, dass im Namen der Bürger der Jaderegion ein riesiges Naturareal für ein Hafenprojekt geopfert würde, dass – statt wirtschaftlichem Zugewinn abzuwerfen – ihnen lediglich neue finanzielle Belastungen aufbürdete…
An Naturverlusten steht zunächst der unbebaute Teil des Voslapper Grodens auf der Liste. Den möchte man gerne zu einem Terminal-bezogenen Gewerbegebiet herrichten, obwohl dafür kaum ein Bedarf bestehen dürfte. Die wenigen Betriebe, die sich hier ansiedeln würden, fänden gewiss noch auf dem neu aufgespülten Terminal Platz.
Rein rechtlich steht nicht nur die Bebauung des Voslapper Grodens, sondern darüber hinaus der Bau des JadeWeserPorts der europäischen Naturschutzrichtlinie 79/409/EWG entgegen. Darin werden alle Mitgliedstaaten der EU verpflichtet, für eine genau definierte Liste von europaweit bedrohten Vogelarten Schutzgebiete auszuweisen. Untersuchungen des Voslapper Grodens machen die besondere Wertigkeit dieses Naturraumes deutlich. So brüten hier beispielsweise seltene Vögel wie die Rohrdommel, die Löffelente, das Tümpelsumpfhuhn, das Blaukehlchen, der Rohrschwirl und der Schilfrohrsänger. Hier wurde die größte Anzahl an Blaukehlchen in Niedersachsen gezählt, der zweitgrößte Bestand an Tümpelsumpfhühnern und Rohrdommeln festgestellt sowie der drittgrößte Brutbestand der Wasserralle aufgelistet. Der Voslapper Groden gehört damit zu den flächen- und zahlenmäßig geeignetsten Gebieten gleich für mehrere Vogelarten und ist deshalb nach EU-Recht zwingend zu melden und zu schützen. (Quelle: „Europäisches Naturschutzrecht steht Tiefwasserhafen entgegen“; aus der Zeitschrift Waterkant Nr. 2/2001)
Auch auf der Wasserseite dieser geplanten Riesenbaustelle muss mit weiträumigen Schädigungen des Naturhaushalts gerechnet werden:
Auf der Verlustliste wären die großflächigen Auswirkungen von Baggerei und Verklappung sowie der Entwässerung der Aufspülfläche des neuen Hafenareals abzubuchen. Alle drei Wasserbaumaßnahmen führen durch den Tidestrom zu ausgedehnten Trübungswolken im Wasserkörper und zu weiträumigen Sedimenttransporten im Gewässersystem Jade.
Dadurch verringert sich die Eindringtiefe des Tageslichts in den Wasserkörper, was sich negativ auf die Produktivität der Biomasse (z.B. des Planktons) auswirkt. Diese Kleinstlebewesen tierischer und pflanzlicher Art bilden den Grundbaustein der Nahrungskette aller Meereslebewesen, an deren Ende die Seevögel und Seehunde und auch der Mensch als Konsument von Nutzfischen steht. Nimmt die Biomasse ab, nimmt also das Nahrungsangebot in der gesamten Nahrungskette ab. Damit nicht genug: Die Trübungswolken, bestehend aus feinkörnigem Sand, Schluff, Schlickpartikeln und Pflanzenresten sinken auf den Grund, wenn die Strömung beim Tidewechsel nachlässt. Setzt der Strom wieder ein, wird ein Teil wieder aufgewirbelt. Das wiederholt sich so lange, bis die Körnchen in strömungsärmere Gebiete gelangt sind, wo sie sich dann dauerhafter absetzen können. Genau dort befinden sich jedoch häufig Kolonien von Bodentieren (Würmer, Schnecken, Muscheln, Krebse usw.) mit hoher Individuendichte, die dann unter dem herniedergehenden ‚Sandsturm’ abzusterben drohen.
So wird beispielsweise von Forschern angenommen, dass der Zerfall eines Sabellaria-Riffs (Röhrenwurm) im Norden des Vareler Fahrwassers auf die Verklappung von Baggergut zurückzuführen ist. Mit dieser Bodentierpopulation, die auf der Jade nur noch einmal bei Hooksiel vorkommen soll, sind 29 weitere Bodentierarten verschwunden, die Bewohner des Riffs waren. (Quelle: „Ökologische Potential- und Belastungsanalyse für den Jadebusen…“ Abschlussbericht der Arbeitsgemeinschaft für regionale Struktur- und Umweltforschung GmbH)
Ähnliche Folgen hätte das balkonartig in die Jade vorgeschobene JadeWeserPort-Bauwerk. Der küstennahe Zweig des Jadestroms – die Heppenser Rinne – zielt bei auflaufenden Wasser (Flut) auf die Nordflanke. Er wird schon im Vorfeld aufgebremst und nach dem Auftreffen auf das Bollwerk Richtung Hauptstrombett reflektiert, wobei mit zahlreichen Strömungsverwirbelungen gerechnet werden kann. Das gleiche geschieht bei Ebbstrom – nur dann eben auf der Südseite.
Ein in das Jade-Tideregime hineingebauter JadeWeserPort zwänge die Strömung in völlig neue Bahnen, mit der Folge, dass sie sich ein neues, den künstlichen Veränderungen angepasstes Strombett aus dem Gewässerboden herausmodellieren müsste. Es dürfte zehn Jahre und länger dauern, bis dieser mit voluminösen Sedimentumlagerungen verbundene Umbauprozess abgeschlossen wäre und sich ein neues labiles hydromorphologisches Gleichgewicht herausgebildet hätte – mit den bereits beschriebenen Folgen für die Meeresflora und -fauna in einer räumlich noch gar nicht fassbaren Dimension. Das durch Hafenanlagen, Unterhaltsbaggerei und Industrieabwässer vorgeschädigte Gewässerbiotop der näheren Umgebung vor der Wilhelmshavener Deichlinie zwischen Hooksiel und dem Südstrand wäre dann wohl endgültig am Ende. Doch neben der stummen Flora und Fauna dürften auch die dortigen Anlagenbetreiber an der Jade davon etwas zu spüren bekommen. So stehen auf der Südseite des Terminals Sandeintreibungen bzw. Umsedimentierungen im Bereich der Kühlwasser-Entnahme des Kraftwerks, des Maadesiel-Vorhafens sowie der Niedersachsenbrücke zu erwarten. Und auf der Nordseite wird die WRG, die jetzt schon über ihre Baggerkosten stöhnt, dort mit erhöhten Sediment-Umlagerungen zu rechnen haben.
Durch die geplanten Wasserbaumaßnahmen wie die Aufspülung des JadeWeserPorts, Ausbaggerung der Terminal-Zufahrt und Verlegung des Jade-Fahrwassers wird also ein weit über das Planungsgebiet hinausreichender, viele Jahre anhaltender Umbauprozess des Gewässerbettes der Jade ausgelöst. Wie tief dieser in Folge der veränderten hydrologischen Rahmenbedingungen angestoßene Prozess in den Bereich des Nationalparkgebietes ‚Hohe Weg Watt‘ ausstrahlen könnte, müsste im Zuge des anstehenden Planfeststellungsverfahrens geklärt werden. Wir werden sehen…
Eines steht jedenfalls heute schon fest: Wenn der JadeWeserPort gebaut werden sollte und dann über Jahre mit ständig neuen Bauabschnitten nach Norden und nach Süden verlängert werden sollte und dazu noch die Kaiserbalje kanalisiert würde, dann werden hier Seehunde und Seevögel wohl kaum noch etwas zu fressen finden. Für uns Menschen ist das ja zurzeit alles kein Problem: frische Muscheln, Granat oder Fische aus der Jade brauchen wir nicht – das gibt es ja alles (aufgetaut) im Fischgeschäft…
Nachdruck aus BUND-Blätter – Informationen des Bund für Umwelt und Naturschutz Wilhelmshaven

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