Grüne Ökologie
Jul 012001
 

Die Grünen fordern in ihrem Programm zur Kommunalwahl eine stärkere ökologische Ausrichtung der Politik

(iz) Nachdem wir uns in unserer Juni-Ausgabe mit der Präambel des Kommunalwahlprogramms der Wilhelmshavener Bündnisgrünen auseinandergesetzt haben, überprüfen wir diesmal, ob die Partei, die mit ökologischen Ansichten eine Änderung des Denkens und Handelns erreicht hat, auch für Wilhelmshaven ihren Leitlinien treu bleibt.

In der Einleitung zum Themenbereich Ökologie nehmen die Grünen ihre Forderung aus der Präambel zum Kommunalwahlprogramm wieder auf, die Lebensqualität nicht allein am Einkommen zu messen: Zu einer zukunftsfähigen Stadt gehört die Erkenntnis und Akzeptanz, dass es neben der für alle Menschen unabdingbaren ökonomischen Lebensgrundlage auch noch andere Dinge gibt, die die Lebenssituation der Menschen kulturell, sozial und ökologisch erheblich verbessern werden. Es folgt die leider nur zu wahre Feststellung: Diese Erkenntnis in Wilhelmshaven durchzusetzen, ist außerordentlich schwer. Neben der (entwerteten) Baumschutzsatzung und der (verhinderten) Ökosiedlung wird als Beispiel genannt: Immer noch werden Bebauungspläne aufgestellt, die auf vorhandenen Grünbestand keinerlei Rücksicht nehmen – repariert und neu angepflanzt wird erst hinterher. Hier fehlt der Ansatz, die Vielzahl von Bebauungsplänen grundsätzlich hinsichtlich ihrer Notwendigkeit in Frage zu stellen, entsprechend dem Naturschutzgesetz, das zuerst fragt, ob ein Eingriff in Natur und Landschaft vermeidbar ist – und nur falls nicht, zweitens, ob der Eingriff ausgleichbar ist. Damit ließe sich auch, so eine weitere Forderung, der Versiegelungsgrad der städtischen Landschaft stoppen.
Alle Forderungen der Grünen zur Stadtökologie sind sinnvoll; vieles müsste jedoch differenzierter dargestellt werden, um den unbefriedigenden Status Quo zu verändern. Dazu zählt die Stärkung des Umweltamtes durch Zuweisung von mehr Kompetenzen. Die Kompetenzen insbesondere der Unteren Naturschutzbehörde sind (durch das Landesnaturschutzgesetz) offiziell genau festgelegt. Es ist jedoch ein offenes Geheimnis, dass bei allen wesentlichen Entscheidungen das Umweltamt in Wilhelmshaven durch das städtische Planungsamt plattgemacht wird. Es bedürfte also struktureller und nicht formaler Änderungen, um den Einfluss der Fachleute für Natur- und Umweltschutz vor Ort zu stärken. Insbesondere wäre aber eine personelle Stärkung zu fordern. Vorbei die Zeiten, als allein zwei Leute für die Umweltberatung von damals noch über 90.000 Einwohnern zuständig waren (heute sind es immer noch über 80.000). Mit dem Weggang von Andreas Wylenczik, dessen Engagement vielen – jedenfalls den umweltbewussten – BürgerInnen noch in guter Erinnerung sein dürfte, nach Oldenburg war das Einstampfen der städtischen Umweltberatung besiegelt.
Viele der aktuellen grünen Forderungen wären prinzipiell durch die Lokale Agenda 21 abgedeckt – beispielsweise ein CO2-Minderungsprogramm für Wilhelmshaven, Wilhelmshavener Energietage, die Optimierung des ÖPNV, die Durchführung von Veranstaltungen oder die Zusammenarbeit mit Schulen und Kindergärten. Doch seit das Agenda-Büro (seit Ende Februar) verwaist ist, weil sich niemand ernsthaft um eine Fortsetzung der ABM gekümmert hat (geschweige denn um die viel sinnvollere Einrichtung einer Dauerstelle – schließlich ist die Agenda ein Jahrhundertprogramm!), ist die geforderte Fortführung und Intensivierung des lokalen Agenda 21-Prozesses hinfällig. (Hut ab vor der Arbeit der noch aktiven Arbeitsgruppen – aber rein ehrenamtlich ist das einfach nicht zu schaffen). Das – noch vorhandene und derzeit irreführende – Hinweisschild für das Agenda-Büro sollte wieder mit Leben erfüllt werden. Die konkrete Forderung müsste also lauten: Reaktivierung der Umweltberatung mit (mindestens) zwei Vollzeitstellen, dafür eine für das Agenda-Büro!
Ganz wesentlich ist die Forderung der Grünen nach Neuaufstellung eines Flächennutzungsplans. Der jetzige stammt von 1974 und wurde seitdem 50fach im Detail geändert. Die Gesamtdarstellung des planerischen Wandels zum einen, im Vergleich zum alten Plan, würde Entscheidungsträgern wie auch BürgerInnen verdeutlichen, dass mangels eines gesamtplanerischen ökologisch orientierten Zielkonzepts eine unterm Strich erschreckende Fläche innerstädtischer Freiräume verloren gegangen ist. Zum anderen könnte, unter Maßgabe grüner Forderungen wie Umweltqualitätsziel „Mindestens 10 Prozent (Ziel: 20% Biotopanteil) oder „Biotopentwicklungskonzept, Biotopverbundplanung und Konzeption zur Unterschutzstellung von Biotopen, die verbliebene Rest-Freifläche nachhaltig gesichert werden. (Anm. d. Red.: Die Neuaufstellung des Flächennutzungsplanes wurde vom Rat der Stadt am 20.6.01 beschlossen – siehe „Ratssplitter“).
Ein leidiges Thema sprechen die Grünen mit der Ausweisung eines Naturschutzgebietes (z. B. Bordumer Busch) an. Aus gegebenem Anlass möchten wir an dieser Stelle zum wiederholten Male erwähnen, dass Wilhelmshaven niedersachsenweit die einzige Stadt ohne Naturschutzgebiet (NSG) ist; dass die Verordnung über das NSG Bordumer Busch (nach Kenntnis des Umweltamtes) bei der Bezirksregierung in Oldenburg fertig in der Schublade liegt und nur auf Zustimmung des Stadtrates wartet; und dass die fehlende Zustimmung wie kindliches Trotzverhalten wirkt, da aufgrund der Munitionsbelastung eine anderweitige Nutzung des Gebietes auch wirtschaftlich unrealistisch wäre. Auch hier könnten die Forderungen der Grünen, wie bei der Agenda, einerseits weiter gefasst sein, andererseits auf vorhandene Instrumente zurückgreifen: In ihrem Kommunalwahlprogramm fehlt der Hinweis auf die Umsetzung des seit 1999 vorliegenden Landschaftsrahmenplans, der noch etliche weitere schutzwürdige Teile von Natur und Landschaft benennt und wichtige Vorgaben für eine ökologisch orientierte Flächennutzung aufzeigt.
Bei allen ökologischen Zielen, die von den Grünen genannt werden bzw. noch zu konkretisieren wären, könnte Wilhelmshaven auf vorhandene Kompetenzen auch außerhalb der Verwaltung zurückgreifen. Dem tragen die Grünen durch Forderungen wie Bildung eines Naturschutzbeirates, Einsetzung eines Naturschutzbeauftragten oder intensive Zusammenarbeit mit Umwelt- und Naturschutzverbänden Rechnung. Nun ist die Beteiligung der Verbände an bestimmten Verfahren laut Niedersächsischem Naturschutzgesetz (§60a) ohnehin vorgesehen, wie auch die Einsetzung eines Naturschutzbeauftragten (§58). Damit der/die Beauftragte und auch ein fachlicher Beirat nicht nur Alibifunktion besitzen, wäre eine genaue Beschreibung der Beteiligung wünschenswert, z.B. Teilnahme einschließlich Anhörung im Umweltausschuss und ggf. Sitzungen des Verwaltungsausschusses und des Rates.
Erfreulich ist, dass einige Instrumente des Umweltschutzes, die in den 80ern noch gang und gäbe waren, wieder aufgegriffen werden, wie ein regelmäßiger (konkreter müsste es lauten: jährlicher) Umweltschutzbericht und jährliche Vergabe des Wilhelmshavener Umweltpreises. (iz)

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