Stadtelternrat
Jul 012001
 

Alle Klarheiten beseitigt

Politikerinnen standen dem Stadtelternrat Rede und Antwort

Wer am 20. Juni zur Veranstaltung des Stadtelternrates gegangen ist, um zu erfahren, wie es in Niedersachsen und speziell in Wilhelmshaven mit den Schulen weitergehen wird, weiß jetzt genauso wenig wie vorher. Das liegt keineswegs am Veranstalter. Es ist gut, dass es hier so einen aktiven Stadtelternrat gibt, der alles tut, um die Eltern laufend über alles Wichtige im Zusammenhang mit Schule zu informieren. Es liegt wohl eher daran, dass wir hier in Niedersachsen einen Ministerpräsidenten haben, der gerne redet, bevor er nachgedacht hat, und das auch noch, bevor er sich mit der zuständigen Ministerin abgestimmt hat.

„Niedersachsen macht Schule“ ist die Veranstaltungsreihe überschrieben, die im Mai mit einer Vorstellung der Schulstrukturveränderungen durch das Kultusministerium begonnen hat. Diese erste Runde hat der Gegenwind verpasst, aber es hat sich nun herausgestellt, dass das gar nicht schlimm ist, da alle Punkte, die damals noch auf der Tagesordnung standen, mittlerweile als erledigt gelten dürfen. Die Zusammenlegung der Haupt- und Realschulen zu Sekundarschulen ist vom Tisch, ebenso das Abitur nach 12 Schuljahren. Und was die angekündigten Veränderungen der Orientierungsstufe angeht, so ist jetzt jedenfalls gar keine Rede mehr davon, dass diese Schulform abgeschafft wird.
Sogar ob es überhaupt irgendwelche Veränderungen betreffend der Orientierungsstufe geben wird, ist mit einem großen Fragezeichen zu versehen. Die schulpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion der Bündnisgrünen, Brigitte Litfin, machte in ihrem Beitrag deutlich, dass einer Reform der Orientierungsstufe, der ursprünglich pädagogische Erwägungen zugrunde liegen, finanzielle Gründe im Wege stehen. Sollte z.B. die Orientierungsstufe, die derzeit eine eigenständige Schulform ist, als Förderstufe den weiterführenden Schulen zugeordnet werden, so wären dafür Anbauten fällig, denn sowohl die Haupt- und Realschulen als auch die Gymnasien sind voll und bieten keinen Platz für die zusätzliche Unterbringung der Klassen 5 und 6. Man könnte höchstens an eine bestehende OS ein neues Türschild nageln und sie damit zur Förderstufe der XYZ-Schule erklären. Das würde eine Schulleiterstelle einsparen, aber den Arbeitsaufwand für die Leitung und Verwaltung der XYZ-Schule vergrößern – und damit wäre nichts gewonnen.
Wenn die Veranstaltung, auf der neben Frau Litfin auch Wolfgang Wulf (SPD) und Karl-Heinz Klare (CDU) sprachen, keine Klarheit darüber gebracht hat, was auf die Kinder, die jetzt noch in der Grundschule sind, zukommen wird, so war sie dennoch interessant. Die Gäste – ca. 40 Personen – kennen jetzt wenigstens die schulpolitischen Vorstellungen der drei im Landtag vertretenen Parteien und können ihr Wahlverhalten daran ausrichten.
Die CDU setzt auf die traditionelle Dreigliedrigkeit des Schulwesens. Ihr schulpolitischer Sprecher, Herr Klare, vertrat die Auffassung, dass bei einem ausreichenden Stundenkontingent die Grundschulen schon klar erkennen können, welches Kind für welche weiterführende Schule geeignet ist, so dass sie eine gültige Schullaufbahnempfehlung schon nach Klasse 4 geben können. Die weiterführenden Schulen sollen dann so unterschiedliche Profile haben, dass ein Wechsel zwischen ihnen kaum möglich ist. So sollen die Hauptschulen größere Anteile an Praxis und Praktika erhalten, ihre SchülerInnen also schon deutlich auf eine Berufstätigkeit im handwerklichen und industriellen Bereich vorbereiten. Klare zufolge würde dies eine Aufwertung der Hauptschule (die ja immer mehr zur Restschule geworden ist) bringen. Aus einer anderen Sicht heraus könnte man etwas bissig auch sagen, dass die Kinder dort nicht so viel denken, sondern mehr praktisch arbeiten sollen.
Am weitesten davon entfernt und am stärksten in Richtung Einheitsschule sind die schulstrukturpolitischen Vorstellungen der Grünen, die die Kinder so lange wie möglich gemeinsam beschult wissen wollen. Im Moment geht es nur um die gemeinsame Unterrichtung bis zur 6. Klasse – sollte die Orientierungsstufe abgeschafft werden, so sind Niedersachsens Grüne für eine sechsjährige Grundschule – doch die Beispiele, die Frau Litfin aus anderen europäischen Ländern nannte, deuten darauf, dass sie grundsätzlich für eine noch längere gemeinsame Schulzeit für alle Kinder ist.
Die niedersächsische SPD steht, so scheint es, im Moment genau dazwischen und schwankt. Oder vielleicht möchte sie im Moment noch keine Position äußern. Ihr schulpolitischer Sprecher Wulf jedenfalls nannte außer der gemeinsamen Beschulung bis Klasse 6 (die wir ja seit der Einführung der OS haben) keine schulstrukturpolitischen Vorstellungen, sondern legte mehr Gewicht auf die segensreichen Taten der von seiner Partei geführten Landesregierung. Sein erster Aspekt ist die ausreichende Unterrichtsversorgung, weswegen in der laufenden Legislaturperiode (1998 bis 2003) 15000 Lehrkräfte eingestellt werden (wovon allerdings 12000 Ersatz für ausscheidende KollegInnen sind), und an zweiter Stelle nannte er die Qualität des Unterrichts, die im Mittelpunkt stehen solle. Die Zahl der Ganztagsschulen soll verdoppelt werden, und SozialpädagogInnen und ErzieherInnen sollen hier Betreuungsaufgaben übernehmen.
Besonders zufrieden schienen die Eltern und Lehrer, die zur Veranstaltung gekommen waren, mit dem Gehörten nicht zu sein, denn auf die Fragen und Kritikpunkte, die sie einbrachten, gab es keine klaren Antworten. Dass z.B. alle an den Grundschulen neu eingestellten Lehrkräfte nur Teilzeitstellen bekommen haben und die Gefahr besteht, dass sie in ein anderes Bundesland gehen, wenn sie dort eine volle Stelle bekommen können; dass an den Stundentafeln und Sollwerten in der Vergangenheit so lange rumgebastelt wurde, dass bei fast unverändertem Lehrer/Schüler-Verhältnis rechnerisch eine annähernd 100%ige Versorgung rausgekommen ist, während laufend Stunden ausfallen, dazu gab es keine befriedigenden Stellungnahmen. (noa)
Der Stadtelternrat ist übrigens jetzt auch im Internet präsent: http://www.ster-wilhelmshaven.de.vu

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