Bonbons nur bis Monika
Eine Ratsfrau plaudert aus dem Nähkästchen
(hh/noa) Seit Beginn dieser Ratsperiode gibt es im Rat der Stadt Wilhelmshaven die FRAUENLISTE. Im neuen Büro der Frauenliste in der Rheinstraße 168 sprach der GEGENWIND mit der Ratsfrau Monika Schwarz über ihre Erfahrungen.
Gegenwind: Welche Vorstellungen hattest du von der Ratsarbeit, bevor du Beate Latendorf abgelöst hast? Wie sah bzw. sieht die Realität aus?
Monika: Ich bin nicht enttäuscht, weil ich nicht mit großen Illusionen darangegangen bin. Wenn man nur ein Mandat hat, dann kann man eben nicht viel bewegen im Rat, außer wenn man das Zünglein an der Waage ist. Und da täuschen die Verhältnisse, wenn man nur die Zahlen betrachtet. SPD und CDU stehen sich ja nicht immer als Blöcke gegenüber, sondern ganz besonders in den Punkten, die bei uns eine große Rolle spielen, wie Soziales und Umwelt, werden unsere Anträge in der Regel von SPD und CDU, gemeinsam abgelehnt. Die Begründung für die Ablehnung ist fast immer der Hinweis auf das fehlende Geld. Sicher ist unsere Stadt in einer schlechten finanziellen Lage, aber wir können doch trotzdem immer noch entscheiden, wofür wir das knappe Geld ausgeben. Mir scheint das eher ein Mangel an politischem Willen zu sein.
Denn wenn ich manchmal so sehe, welche Dinge z.B. über Nachbewilligungen dann noch möglich sind, kann ich nur staunen.
Unsere Rolle sehe ich so, dass wir Sand im Getriebe sind und immer wieder Sachen zur Sprache bringen, die sonst vollständig unter den Tisch fallen. Mir war schon klar, dass ich nicht die gestaltende Rolle in der Wilhelmshavener Kommunalpolitik einnehmen würde, sondern daß es mit sehr viel Frust verbunden sein würde. Erfolge gibt es aber auch, und zwar in der Ausschußarbeit, die von der Öffentlichkeit gar nicht so registriert wird, aber einen großen Teil der Arbeit im Rat ausmacht.
Gegenwind: Da gab es mal in der „WZ“ den Artikel „Tränen im Rat“, der sich auf einen Vorfall während der Haushaltsdebatte bezog.
Monika: Ja, ich hatte bis drei Uhr nachts gesessen und meine Haushaltsrede geschrieben, hatte Möglichkeiten gesucht, Kompromisse mit der SPD zu finden, um dem Haushalt eventuell zustimmen zu können, und alles wurde eiskalt abgebügelt. Das war mir sehr nahegegangen, und ich war mit den Nerven ziemlich fertig. Und dann diese Sitzung, die sehr spannungsgeladen war, weil zu Beginn der Sitzung nicht feststand, kommt eine Mehrheit für den Haushalt zustande und wenn ja, welche. Und der Versuch, in der Sitzung noch Sachen durchzuboxen, die eben sehr wichtig sind, um den Haushalt mittragen zu können.
Ich kann auch nicht sagen, dass so etwas alles an mir abperlt. Ich möchte auch gar nicht, dass das so ist. Wenn das so wäre, würde ich zurücktreten wollen. Es wäre für mich ganz schlimm, wenn sich meine ganze Person durch die Politik verändern würde.
Gegenwind: Hast du nach dem Artikel auch positive Rückmeldungen bekommen?
Monika: Ja, ich habe Anrufe und Briefe bekommen, sogar Blumen sind mir geschickt worden. Es gab viele, die es gut fanden, daß man auch einmal merkt, daß da Menschen sitzen und nicht Apparate.
Andererseits hat es mich sehr geärgert, daß das Ganze durch die „WZ“ öffentlich gemacht wurde, obwohl es ja in der Öffentlichkeit passiert war. Ich bin der Meinung, daß ich eine ganz gute Sacharbeit leiste, und das wird hier in der Presse völlig negiert. Die nehmen ja keine Notiz von uns, es sei denn, wir schicken fertige Artikel, die dann manchmal mit wochenlanger Verspätung abgedruckt werden. Ausgerechnet so etwas wie die Tränen wird dann erwähnt.
Positiv war, daß meine Tränen in derselben Ratssitzung dazu führten, daß auch einige Männer einmal über ihre Gefühle sprachen. Gerade die Hartgesottenen und Alteingesessenen von der CDU haben erzählt, wie es ihnen geht, wenn sie mit allem, was sie gerne erreichen möchten, von der SPD so eiskalt abgeschmettert werden.
Gegenwind: Was konntet ihr von eurem Programm verwirklichen?
Monika: Ich denke, daß wir unserer Linie treu geblieben sind, daß jedoch aufgrund der Mehrheitsverhältnisse nur sehr wenig durchgesetzt werden konnte.
Wir kämpfen immer wieder dafür, daß Selbsthilfegruppen und soziale Einrichtungen, Jugendverbände usw. unterstützt werden, daß Benachteiligungen einzelner Gruppen abgebaut werden. Wir freuen uns natürlich darüber, daß das Frauenhaus nun für weitere 10 Jahre finanziell abgesichert ist, daß die Drogenberatung um ein Kontakt-Café erweitert und ausgebaut wird. Aber das kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß eben sehr vieles im Jugend- und Sozialbereich, von Kindergärten bis Altenbetreuung, im Argen liegt.
Auch im Bereich Umweltpolitik bleibt noch viel zu tun. Hier wird vieles nur halbherzig angegangen. Ein Schwerpunkt in der nächsten Zeit wird sicherlich die Abfallwirtschaft sein. Im Kampf gegen die in Wilhelmshaven geplante Müllverbrennungsanlage hat sich die Frauenliste gemeinsam mit anderen Gruppen und engagierten Bürgerinnen und Bürgern ja sehr engagiert, und der Kampf hat Erfolg gehabt.
Gegenwind: Ihr seid ja angetreten, speziell Frauenbelange in den Vordergrund zu stellen. Wie könntest du dir die Realisierung vorstellen?
Monika: Da gibt es sicherlich noch sehr viel zu tun. Dass Frauen ganz besondere Bedingungen in einer Kommune benötigen, wird ja kaum wahrgenommen. So gibt es beispielsweise weder im Bauauschuß noch in der Bauverwaltung an leitender Stelle Frauen, die bei städtebaulichen Projekten Aspekte aus Frauensicht einbringen könnten. Es könnte ja sein, daß Planungen wie das neue Bahnhofsgebäude oder Passagen und Galerien Frauen gerade bei Dunkelheit Angst machen. Und diese Angst, nicht vor den Gebäuden, aber an unübersichtlichen Stellen noch stärker der Männergewalt ausgeliefert zu sein, isoliert Frauen, schließt sie aus, weil sie sich nicht mehr aus ihrer Wohnung trauen. Ein Nachttaxi für Frauen wäre hier sicherlich eine gute Hilfe.
Auch brauchen Mütter wirklich gute Betreuungsmöglichkeiten in vielfältiger Form für ihre Kinder, um eine Berufstätigkeit oder andere eigene Interessen wahrnehmen zu können. Auftrieb für die Frauenpolitik erhoffen wir uns von der Frauenbeauftragten, die nun hoffentlich bald mit ihrer Arbeit beginnt.
Gegenwind: Wie stellt sich die Zusammenarbeit mit den Grünen dar?
Monika: Das ist ein Zweckbündnis von beiden Seiten. Unsere Vorstellungen von politischer Arbeit stimmen in großen Teilen überein. Wie überall, gibt es auch mal Knies, aber im großen und ganzen klappt es ganz gut. Neben den Gruppensitzungen treffen sich Gerd Kläne, Werner Biehl und ich jetzt regelmäßig monatlich zu Fraktionssitzungen, bei denen wir Informationen aus den einzelnen Ausschüssen austauschen.
Für die beiden grünen Männer habe ich vielleicht manchmal zuviel Drive drauf. Die sagen mir manchmal: „Du machst zuviel, du kannst nicht erwarten, daß andere das auch machen.“
Gegenwind: Wie ist dein Verhältnis zu den anderen Parteien?
Monika: Meine Erfahrungen aus der Ratsarbeit haben meine Skepsis vor allen Dingen gegenüber den großen Parteien bestätigt. Wenn ich so mitkriege, wie hart z.B. die Auseinandersetzungen innerhalb der SPD ablaufen, dann kann ich mir nicht vorstellen, dort jemals mitzuarbeiten. Nach meinem Eindruck gehen die CDU-Leute fairer miteinander um. Aber auch für sie gilt wie in der SPD in der Regel der Fraktionszwang. Abweichen ist nur unter Hinnahme von Nachteilen möglich. Auf mich wirkt so etwas abschreckend.
Die Bürgerschaft wird nach meinem Eindruck nur noch dann so richtig ernst genommen, wenn ihre Stimmen gebraucht werden, z.B. bei der letzten Haushaltssitzung. Dann erreichen sie auch schon mal die Bonbons, die von der SPD sonst „nur bis zu Monika“ weitergegeben werden.
Aber trotz aller Unterschiede – sowohl in der Art, Politik zu machen, als auch in Sachfragen – ist für mich grundsätzlich eine Zusammenarbeit in bestimmten Punkten mit allen im Rat vertretenen Parteien möglich.
Gegenwind: Funktioniert der Informationsfluß im Rat? Wird die Gruppe Grüne/Frauenliste an allem beteiligt, über alles informiert?
Monika: Wenn man den Oberstadtdirektor oder den Oberbürgermeister fragt, werden die sagen, natürlich werden sie informiert. Es ist wohl menschlich, daß die Partei, die den Oberstadtdirektor und die meisten Dezernenten stellt, bevorzugt informiert wird. Wir erfahren vieles erst sehr viel später als die anderen. Ich habe schon oft moniert, daß in den Fraktionssitzungen der großen Parteien schon der eine oder andere Dezernent gewesen ist, um über ein bestimmtes Thema zu sprechen, während ich erst in der entsprechenden Ausschusssitzung mit der fertigen Vorlage konfrontiert werde.
Damit werde ja nicht nur ich als Person abgewertet, sondern auch einige Tausend Menschen, die uns gewählt haben.
Gegenwind: Wie funktioniert die interfraktionelle Frauengruppe im Rat?
Monika: Es besteht zwar ein Grundzusammenhalt zwischen den Ratsfrauen. Ich muß jedoch sagen, daß da recht wenig läuft. Wir haben den Frauenbeirat, dem alle Frauen aus dem Rat angehören. Nach den Ratssitzungen setzen wir uns zusammen, um Sachen zu besprechen, die speziell Frauen angehen. Es ist aber kein offizieller Beirat mit Tagesordnung, Protokoll usw. Auch deshalb wird der Frauenbeirat von den Männern im Rat nicht so ernstgenommen, die das Ganze für ein Kaffeekränzchen halten. Trotzdem genügt schon dieses (aus ihrer Sicht) „Kränzchen“, um sie ein bisschen nervös zu machen.
Gegenwind: Kandidiert ihr zur nächsten Kommunalwahl erneut? Wird es wieder eine Gruppenbildung mit den Grünen geben?
Monika: Wir werden auf jeden Fall wieder zur Kommunalwahl antreten. Wir haben qualifizierte Kandidatinnen – in letzter Zeit haben wir viele neue Mitglieder bekommen.
Ob es wieder eine Gruppe Grüne/Frauenliste geben wird, hängt vorn Wahlergebnis ab. Wir streben jedenfalls an, mindestens zwei Mandate zu erringen, denn es ist sehr schwer, allein im Rat zu sein, und wir wollen unbedingt eine absolute Mehrheit der SPD verhindern.
Gegenwind: Wirst du persönlich wieder antreten?
Monika: Ja, mir macht die politische Arbeit immer noch Spaß, und das liegt zum großen Teil daran, daß ich ganz viel Unterstützung von den anderen Frauen bekomme. Ohne sie würde ich diese Arbeit gar nicht bewältigen können.
Gegenwind: Wir danken dir für das Gespräch
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