Neben Gabriele Iwersen wollen sich zwei Parteifunktionäre um ein Bundestagsmandat bewerben – die Entscheidung über die Kandidatur fällt im Oktober
(ef/noa) Seit 1990 ist Gabriele Iwersen für die SPD im Bundestag. Schon bei der Erstbewerbung wurden ihr parteiintern Hindernisse in den Weg gelegt: Der damalige Bezirksvorsitzende Theilen (heute Regierungspräsident) versuchte in letzter Minute (allerdings erfolglos), statt ihrer eine Kandidatin aus Friesland zu küren. Und 1994 war es der Wilhelmshavener Oberbürgermeister Eberhard Menzel, der sich selbst (ebenfalls erfolglos) als Mitbewerber präsentierte.
Klar, daß es auch zur Bundestagswahl im kommenden Jahr wieder Gegenkandidaten aus dem eigenen Lager gibt. Norbert Schmidt, Wilhelmshavens SPD-Unterbezirksvorsitzender, “will nicht warten, bis Gabriele Iwersen freiwillig ihre politische Karriere beendet” (WZ v. 31.5.97), und auch Günther Heußen, Frieslands UB-Vorsitzender, strebt nach einem Sitz im Bundestag. “Es ist das Fatale, daß Norbert und ich immer übereinstimmen”, zitierte die WZ den Friesen, und so sind die beiden sich schon vor Monaten einig geworden, als Mitbewerber um die Nominierung zum Bundestagskandidaten anzutreten. Beide sind mit der politischen Arbeit Iwersens für die Region nicht mehr so recht zufrieden.
Anläßlich der gemeinsamen Präsentation aller drei Kandidaten beim Ortsverein Siebethsburg forderte Heußen, der Abgeordnete müsse vor allem Lobbyist der Region Wilhelmshaven/Friesland/Wittmund sein, und auch Schmidt gab als Zielvorstellung an, sich für die Region einsetzen zu wollen. Man kann annehmen, daß solche Aussagen beim Wahlvolk gut ankommen, aber sie zeugen von wenig Einblick in die Arbeitsweise des Bundestages und damit von den Möglichkeiten und Grenzen eines MdB. Im Bundestag werden Bundesgesetze gemacht – Wirtschaftförderung für eine bestimmte Region ist jedoch Landesangelegenheit. “Mit seinem kleinräumigen Anspruch sollte Heußen sich besser für den Landtag bewerben”, so Iwersen, und da Schmidt so sehr mit Heußen übereinstimmt, gilt diese Empfehlung wohl auch für ihn. Iwersen: “Beide sollten sich darüber klar werden, welche Kompetenzen das Land und welche der Bund hat.”
Dasselbe gilt für das Thema “Expo 2000”. Der Bund stellt zwar Gelder für die Weltausstellung bereit, doch welche Mittel davon Hannover den Außenstandorten, z.B. für die “Expo am Meer” abgibt, darauf hat ein MdB keinen Einfluß.
Zum Vorwurf, sie kümmere sich zu wenig um die Parteiarbeit vor Ort, sagt Frau Iwersen dem GEGENWIND, dieser Eindruck könnte aus der “mangelnden Zusammenarbeit der Ortsvereinsvorsitzenden mit der Bundestagsabgeordneten” resultieren: In regelmäßigen Abständen informiert sie die Vorsitzenden der Unterbezirke und der Ortsvereine über Geschehnisse im Bundestag und bietet sich für Veranstaltungen zu aktuellen Themen an. Mehr kann sie nicht tun; es ist dann Sache der UB- bzw. OV-Vorstände, sie einzuladen.
Aber auch ohne solche Einladungen kann sich ihre Arbeit im Wahlkreis sehen lassen. Im Unterschied zu ihrem Vorgänger Ehrenberg hat sie in ihrem Wahlkreis drei Bürgerbüros (Wilhelmshaven, Jever und Wittmund) eingerichtet, wo nicht nur Aktivitäten der Partei stattfinden und unter- schiedliche Gruppen zueinander in Kontakt gebracht werden, sondern Iwersen auch regelmäßig ihre Sprechstunden durchführt und so den Kontakt zu ihrer Basis hält.
Gut nachdenken
Beide Herausforderer Iwersens sind Lehrer. Diese Berufsgruppe bildet mit 79 Abgeordneten jetzt schon die zweitstärkste “Fraktion” im Bundestag und wird nur von den Juristen übertroffen, die 126 der insgesamt 672 Sessel im Parlament besetzt halten. Nicht von ungefähr spötteln daher Bonner Journalisten, “daß der Bundestag zwar mitunter leerer, aber dann immer noch voller Lehrer” sei. Die SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) spricht sich gegen eine weitere Verbeamtung des Bundestages aus. Da wir im Unterschied zu Gerhard Schröder, der Lehrer einmal als “faule Säcke” bezeichnet hat, kein Problem mit Pädagogen haben, spricht für uns dieser Beruf nicht gegen die beiden.
Beide Herausforderer Iwersens sind Männer. Dies spricht schon eher gegen sie. Denn die SPD hat DIE QUOTE erfunden. Die hiesige SPD war 1990 stolz, eine Frau in den Bundestag schicken zu können. Doch Gabriele Iwersen ist beileibe nicht nur eine Quotenfrau. Trotz aller Unkenrufe einiger Funktionäre erzielte sie bei der Bundestagswahl 1994 mit 47,8 % einen beachtlichen Zuwachs gegenüber ihrer Erstkandidatur 1990 (44%) und näherte sich damit dem letzten Ergebnis Ehrenbergs (49,8%).
Wie viel würde ein Norbert Schmidt oder ein Günther Heußen beim ersten Versuch bekommen?
Der Wahlbezirk 21 kann von der SPD nur direkt gewonnen werden. Einen sicheren Listenplatz wird es nicht geben. Gabriele Iwersen hat den Amtsbonus schon.
Wie lange braucht ein Newcomer, um im Bundestag etwas ausrichten zu können? Nach Iwersens Erfahrungen benötigt man etwa eine Amtsperiode, um auch nur zu einem kleinen Zahnrad im parlamentarischen Getriebe zu werden.
Angesichts dessen sollten die SPD-Delegierten, ehe sie im Oktober ihr Votum abgeben, darüber nachdenken, ob ein Wechsel taktisch richtig und politisch klug für unsere Region ist. Denn wichtige politische Entscheidungen werden in nächster Zeit im Bundestag fallen. Der Umbau (Abbau?) des Sozialstaates ist noch nicht abgeschlossen und wird es auch bis zur Wahl nicht sein. Außerdem fällt der Umzug des Parlaments nach Berlin in die nächste Legislaturperiode – für Neulinge eine größere Umstellung und damit ein größerer Reibungsverlust. Deshalb braucht man jemanden, die sich in diesem Laden bereits auskennt.
Erwin Fiege/ Anette Nowak
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