Mit Pendel und Magnetismus gegen den Alkohol
(ub) Fünf Jahre ist es her, da sorgten die Aktivitäten des Ehepaars Czech in der Gökerstraße 109 erstmals im Gegenwind für Schlagzeilen. Anlaß waren die skandalösen Umstände bei der Unterbringung von Asylbewerbern. Zwei Jahre später berichteten wir, daß die Staatsanwaltschaft wegen einer von Christa Czech durchgeführten “Alkoholentzugsmaßnahme”, bei der ein alkoholkranker junger Mann zeitweilig gegen seinen Willen im Luftschutzbunker der ehemaligen Kaserne festgehalten wurde, ermittelte. Schnee von gestern. Christa Czech ist jetzt Geistheilerin und das Gebäude in der Gökerstr. 109 ein “Therapeutisches Wohnheim.”
Auch für die Fachwelt weitgehend unbemerkt, hat sich im ehemaligen Kasernengebäude in der Gökerstr. 109 ein erstaunlicher Wandel vollzogen. Die Zeitschrift des Paritätischen Verbandes, “paroli”, berichtet in ihrer Ausgabe Nr. 2/97 ausführlich über die neuen Fähigkeiten der Christa Czech und über den Verein “Trotzburg e. V.”
Nach den Erkenntnissen von Christa Czech “heilt die Schulmedizin den Körper, wirkliche Besserung kann aber nur eintreten, wenn auch der Geist geheilt wird.” (paroli) Zum Glück für die Wilhelmshavener wohnungslosen Langzeitalkoholiker hat Christa Czech früh in der Kindheit ihre besonderen Fähigkeiten entdeckt. “Schon damals hat sie etwa in der Familie Handauflegen praktiziert.” (ebenda) Inzwischen hat sich ihr Hilfsrepertoire noch erheblich erweitert. Durch bloßes Handauflegen kann sie Energien ableiten und so Schmerzen lindern. Magnetismus setzt sie ein, um “mit geistiger Kraft … die Nervenschwingungen zu normalisieren… Bei der Numerologie arbeitet Czech durch Berechnung von Geburtsdaten die Wendepunkte im Leben heraus.” (ebenda)
Nächstenliebe oder Helfertick…
In zwei ausführlichen Gegenwindgesprächen im Juli 1995 befragten wir Christa Czech zu ihren Motiven hinsichtlich ihrer schon damals ungewöhnlichen, aber teilweise auch strafrechtlich relevanten Methoden bei der “Betreuung” Suchtkranker und baten die Sozialausschußvorsitzende Ursula Aljets (SPD) um eine Einschätzung zur damaligen Situation in der Gökerstr. 109.
“Mein Bereich ist soziale Arbeit, ist die christliche Nächstenliebe. Wenn ein Signal kommt, daß jemand Hilfe braucht, dann helfe ich, ob ich dafür Geld bekomme oder nicht.” (Frau Czech im Gegenwind Nr. 128)
Ursula Aljets in derselben Gegenwindausgabe: “ Frau Czech hat ein Helfersyndrom… Ihr Helfersyndrom ist sicherlich stark entwickelt. Und zwar in einer Weise, die sicher für den Betroffenen nicht gut ist. … Wenn ich nur den Wunsch habe zu helfen, aber nicht die Fachkenntnisse, dann mache ich manches schlimmer, als es ist.”
… oder Größenwahn?
Eigenen Angaben zufolge konnte Christa Czech “von 70 wohnungslosen Langzeitalkoholikern, die das therapeutische Wohnheim bisher durchliefen” (paroli) 20 dauerhaft trockenlegen. Diese “außergewöhnlich hohe Quote von 28 Prozent” überzeugt sie selbst am meisten: “Ich sehe mich als Nothelfer, für den es keine unlösbaren Aufgaben gibt.” (ebenda)
Nicht nur ihre Methoden sind neu, auch das Ambiente im “therapeutischen Wohnheim” hat sich grundlegend geändert. Im Gegenwind Nr. 112 skizzierten wir die Unterbringung der seinerzeit Asylsuchenden wie folgt: “45 Personen in vier Räumen, für sie alle zwei Duschen und drei Waschbecken, wochenlang nur kaltes Wasser, die Heizung zeitweilig außer Betrieb, Betten ohne Bettwäsche, ein einziger Kühlschrank für alle, Wolldecken statt Türen.”
Aufgrund massiver Interventionen verschiedenster Initiativen und Einzelpersonen übten auch städtische Behörden und Ausschüsse Druck auf das Ehepaar Czech aus und veranlaßten so eine leichte Verbesserung der Unterbringungssituation. Ursula Aljets im Juli 95 gegenüber dem Gegenwind: “Man kann den Zustand mittlerweile als erträglich und menschenwürdig bezeichnen. Es ist allemal besser, bei Czech unterzukommen, als unter der Brücke zu schlafen.”
Mittlerweile sollen die Zimmer des vom Verein Trotzburg e.V. betriebenen “therapeutischen Wohnheims“ “nach den Grundsätzen der Farbheilung gestaltet sein.” (paroli)
Frau Czech hat in der Vergangenheit bereits mehrmals versucht, quasi institutionalisiert soziale Hilfe mit entsprechender kommunaler Finanzierung anzubieten. Nach ihren eigenen Aussagen hat die Diakonie es in der Vergangenheit “leider abgelehnt”, mit ihr ein gemeinsames Konzept für die Betreuung Wohnungsloser zu entwickeln. Das Ehepaar Czech war in die Bresche gesprungen, als Anfang der 90er Jahre die Stadt Wilhelmshaven eine beträchtliche Zahl von Asylsuchenden unterbringen mußte. Die Asylgesetzänderung von 1993 reduzierte den Zustrom von Asylsuchenden drastisch. In der Gökerstr. 109 wurden dann zunächst Bürgerkriegsflüchtlinge, später auch Wohnungslose untergebracht.
Die Alkoholprobleme vieler der dort untergebrachten Wohnungslosen veranlaßten Christa Czech bereits im November 94, im Gemeindehaus der Banter Kirche vorzusprechen, um ein von ihr ausgearbeitetes Drogenkonzept zu erläutern. Dort bekam sie ebenfalls eine klare Abfuhr. Ursula Aljets: “Frau Czech, Sie brauchen sich da gar keine Hoffnung zu machen. Für mich läuft so etwas nur mit einem anerkannten Wohlfahrtsverband, der entsprechend ausgebildete Mitarbeiter hat.” (Gegenwind Nr. 128 im Juli 1995)
Christa Czech ist Vorsitzende des Vereins Trotzburg e. V. Dieser Verein hat jetzt die Mitgliedschaft im Paritätischen Niedersachsen e. V. beantragt. In der Oldenburger Zeitung dieses Verbandes -paroli- ist auch zu lesen, daß Frau Czech “für die Zukunft” darüber nachdenkt, “die Prüfung… als Heilpraktikerin abzulegen.”
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