Aus für die Ruscherei
Jul 011997
 

Altengroden ohne Ruscherei ist wie ein Kochtopf ohne Inhalt

(hk) Im Jahre 2000 wäre es 20 Jahre alt geworden – das Stadtteilhaus Ruscherei an der Altengrodener Ubbostraße. Doch die Stadt Wilhelmshaven kündigte im Rahmen ihrer Rotstiftpolitik zum 30.6.97 sämtliche Zuschüsse für dieses vom ‚Förderverein Stadtteilhaus Altengroden‘ geführte Projekt.

Nachdem die Zuschüsse in den letzten Jahren von 90.000.- DM (1983) auf weniger als die Hälfte, nämlich 42.100.- DM (1995) gekürzt wurden, und der Versuch der CDU, im Frühjahr des letzten Jahres eine Kündigung des Vertrages durchzusetzen, noch am Widerstand der SPD scheiterte, verdichteten sich Anfang dieses Jahres die Gerüchte über eine bevorstehende Schließung.

In diesem Stadtteilhaus haben wohl die meisten der Altengrodener BürgerInnen an irgendeiner Familienfeier, an den bis vor einigen Jahren durchgeführten Sylvesterfeiern oder an einer der anderen unzähligen Veranstaltungen teilgenommen. Der Förderverein spricht davon, daß jeden Monat mehr als 1.000 Menschen die Einrichtungen der Ruscherei in irgendeiner Form nutzen.

Gerade die ansprechenden Außenanlagen mit allerlei Kleingetier, vom Wellensittich bis zum ausgewachsenen Schaf, machten die Ruscherei zu einem Anziehungspunkt nicht nur für die Bewohner Altengrodens.

Herr Conrads, von den Kindern ‚Leder-Conny‘ genannt, ist dafür verantwortlich, daß die Altengrodener Kinder Hühner nicht nur als ½ Hähnchen kennenlernen, sondern deren Entwicklung vom Ei bis zum stolzen Hahn ‚in Natur‘ miterleben können.

Auch im Vereins- und sozialen Leben spielt die Ruscherei über die Stadtteilgrenzen hinaus eine wichtige Rolle. Hier treffen sich die Senioren, der Fahrradclub, der Pètanqueclub usw. „Beklagenswert vor allem aber sei, daß nunmehr etwa zwei Dutzend Vereine und Gruppen (…) heimatlos werden.“ , schrieb die Wilhelmshavener Zeitung am 5. April 1997.

„Ob und wie die Ruscherei weitergeführt werden kann, ist ungewiß. Fest steht nur, daß die Schließung zum 30.6. nicht mehr abzuwenden ist“, so die Altengrodener SPD-Ratsfrau Margrit Stoermer zum Gegenwind. Frau Stoermer weiter: „Wir müssen uns jetzt zusammen an einen Tisch setzen und die Konzepte für die Weiterführung dieser Einrichtung ausloten. Wir müssen jetzt erst einmal klären, wie hoch die wirklichen Kosten für den Unterhalt der Ruscherei sind. Heizung, Wasser, Strom, Reinigung usw. – das wurde ja bisher alles von der Stadt getragen.“

Ab dem 1.Juli werden die Türen der Ruscherei geschlossen bleiben. Die Tiere werden natürlich nicht geschlachtet, sondern auch weiterhin (wie lange?) von Herrn Conrads betreut. Auch der Pètanque-Club wird weiterhin die Örtlichkeiten an der Ubbostraße nutzen. Damit ist zumindest gewährleistet, daß das Haus nicht in einigen Wochen mit zersplitterten Fensterscheiben und eingetretenen Türen dem Verfall preisgegeben ist.

Wo bleibt der Aufschrei?
Wenn monatlich 1.000 Menschen die Ruscherei nutzen und 2 Dutzend Vereine dort Raum finden, dann wird klar, daß der Bedarf für diese Einrichtung in Altengroden recht groß ist. Dennoch, so scheint es jedenfalls, lassen sich sowohl der Förderverein als auch der Altengrodener Bürgerverein wie die Schafe zur Schlachtbank führen. Wo bleibt die Initiative ‚Rettet die Ruscherei‘? Wo bleibt der empörte Aufschrei der Bürgerinnen und Bürger? Wo bleiben die Leserbriefe? Eine einzige Bürgerin nutzte bisher die Presse und schrieb einen Leserbrief. Dieser schloß mit den Worten: „Altengroden ohne Ruscherei ist genauso wie ein Kochtopf ohne Inhalt. Die Ruscherei gehört zu Altengroden. (…) Ich rufe die Altengrodener auf, sich gegen die Schließung zu wehren.“ (Leserbrief von Gerda Reuter, WZ v. 7.6.97).

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