Weltnaturerbe
Okt 012001
 

Schöpferische Zerstörung

Weltnaturerbe mit Anschluss ans Binnenwasserstraßennetz?

(jm) Das Wattenmeer an der Deutschen Bucht zwischen Texel und Esbjerg kann Weltnaturerbe werden. Das müssten die Niederlande, Deutschland und Dänemark lediglich gemeinsam bei der UNESCO beantragen.

Der niedersächsischen Umweltminister Wolfgang Jüttner sieht darin die einmalige Chance, …das Wattenmeer aus internationaler Sicht auf eine Stufe etwa mit dem Grand Canyon in Amerika oder dem Great Barrier Riff vor Australien… zu stellen (WZ, 20.09.01). Und um die Bedenkenträger zu beschwichtigen, fügt er hinzu, dass dazu keine Auflagen über die Nationalparkverordnung hinaus erforderlich seien.
Trotz der süßen Verlockung, …das wertvollste touristische Etikett, dass es weltweit gibt… geschenkt zu bekommen, lehnt die oldenburgische Industrie- und Handelskammer (IHK) den Vorschlag ab mit der nebulösen Begründung …weil dadurch die Freiheit der Schifffahrt und Wettbewerbsfähigkeit eingeschränkt werde.
Die IHK vermeidet es also, für Klarheit zu sorgen und konkret zu sagen, wo ihr der Schuh drückt. Denn eigentlich bräuchte sie sich gar keine Sorgen zu machen, denn alle Handelshäfen an der Deutschen Bucht liegen samt ihrer Schiffszufahrten außerhalb der Nationalparke. Und im Nationalpark selbst gibt es zahlreiche Schifffahrtswege – z.B. zwischen Festland und Inseln – die überhaupt nicht zur Disposition stehen. Im Gegenteil: Schifffahrtsrecht geht dort vor nationalem Naturschutzrecht. Das gleiche gilt für die natürlichen Querverbindungen durch das Watt z.B. zwischen Weser und Elbe bzw. für die Kaiserbalje zwischen Jade und Weser.
Was steckt also hinter der Ablehnung, wo doch der Umweltminister ausdrücklich versichert, dass dieses wertvollste Touristenetikett ohne zusätzliche Auflagen zu haben sei!?
Vielleicht war es ein Abstimmungsfehler, dass der Geschäftsführer der neuen „JadeWeserPort-Entwicklungsgesellschaft“ Curt Wülfers die Katze aus dem Sack gelassen hat: Zum Gesamtprojekt des JadeWeserPorts gehöre im übrigen auch zwingend eine Anbindung an das europäische Binnenwasserstraßennetz. Schon aus Umweltschutzgründen müsse deshalb ‚für nicht zeitkritische Güter‘ ein Kanal von der Jade zur Weser gebaut werden (WZ, 27.09.01).
Jetzt muss also schon der Umweltschutz für die Zerstörung des Hohe-Weg-Watts herhalten, denn der Kanal würde mit Sicherheit gradlinig durch diesen Nationalparkbereich im Verlauf der Kaiserbalje gebaggert werden.
Der Zusammenhang zwischen JadeWeserPort und Kanalisierung der Kaiserbalje, der bislang von der Wilhelmshavener Hafenwirtschaftsvereinigung (WHV) und der IHK aus taktischen Gründen unter der Decke gehalten wurde, ist damit offenbar geworden.
Und die Hoffnung, die Hafenlobby ließe sich durch das im Raum stehende Prädikat Weltnaturerbe zu respektvoller Zurückhaltung im Umgang mit dem Wattenmeer bewegen, wäre denn doch reichlich naiv. Bleibt abschließend festzuhalten: Das Prädikat ‚Weltnaturerbe‘ nützt zum Schutz dem Wattenmeer unter den herrschenden Marktbedingungen überhaupt nichts.
Im Gegenteil: Es verschleiert vielmehr seine ihm zugedachte Funktion als noch besser vermarktbares Ausbeutungsobjekt – frei nach dem Volkswirtschaftler Joseph Alois Schumpeter, der die schädlichen Nebenwirkungen (Kollateralschäden) kapitalistischer Wirtschaftsprozesse zur schöpferischen Zerstörung uminterpretiert hat.

Sorry, the comment form is closed at this time.

go Top